Michael EPP - der erste deutsche Whistleblower aus Dubai, der den False Claims Act in den USA nutzt

Hintergrund

Wenn das US-Militär weltweit hier, da und dort Stützpunkte errichtet, egal ob zwecks Krieg oder  nur zur Demonstration von Präsenz und Macht, muss der Nachschub organisiert werden: Kanonenfutter, Benzin, Steaks, Coca-Cola, Donuts, frisches Obst und anderes.  Diese Logistik übernehmen im Land des freien Kapitalismus private Unternehmen. 

Einer, der dabei die Nase ganz vorne hatte, war ein G.I. , der bereits in den 50er Jahren die US-Armee in Deutschland mit heimischer Kost aus den Staaten versorgt hatte. Als die USA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ihre Soldaten auf den Schlachtfeldern in Afghanistan und im Irak versorgen musste,  entwickelte sich das Unternehmen zum Weltkonzern. Zu einem, den außer den Militärs niemand kannte: die Supreme Group, u.a. mit Sitz in Frankfurt/Main und Amsterdam und vielen Tochterfirmen anderswo.  

Eine sitzt in Dubai: die Jamal Ahli Foods Co. Sie hat eine besondere Funktion. Sie dient heimlich als Zwischenhändlerin für den Konzern, um alle Einkäufe in den USA, die letztlich an das US-Militär weltweit weitergeliefert werden sollen, vorher mit einem saftigen Preisaufschlag an Supreme zu verkaufen.  „Konzerninterne Verrechnungspreis-Politik“ nennt man das. So konnte der Supreme-Konzern beispielsweise jede Cola-Dose  mit einem weiteren Preisaufschlag  von 30% absetzen – zusätzlich zu jener Gewinnspanne, die das Militär jedem Zulieferer konzediert. Und Supreme hatte sich weitere Tricks einfallen lassen, von denen niemand außerhalb des Unternehmens wusste.

Die Geschichte in Kurzform

Einer, der mit seinem Eintritt in die Geschäftsführung von diesen Praktiken 2004 Kenntnis gewann, war Michael EPP, der in Dubai seinen neuen Job beginnt. Ihm wird schnell klar, dass diese Praktiken nicht koscher sind. Und macht intern den Vorschlag, die illegalen Praktiken zu beenden und die unrechtmäßig kassierten Gelder zurückzuzahlen.

Doch das ist nicht im Sinn der Konzerneigentümer, und so wird das Verhältnis zwischen beiden frostig. Weil sich Michael EPP damit nicht zufrieden geben will, erkundigt er sich in den USA. Dort gibt es spezielle Regelungen für Whistleblower, den False Claims Act: Wer als Hinweisgeber jemanden verklagt, der den Staat finanziell schädigt, erhält einen beachtlichen finanziellen Anteil von jener Summe, die das Unternehmen zurückzahlen muss – als Wiedergutmachung für erlittenen Stress und als Entschädigung für die Zukunft. Denn solche Whistleblower gelten in ihrer Branche danach als ‚verbrannt‘, haben keine Chance, je wieder beruflich Fuß fassen zu können.

Supreme bemerkt, was EPP vorhat und kündigt ihm, fristlos. Da der offizielle Arbeitgeber  Supreme in Frankfurt/Main ist, spielen sich die juristischen Auseinandersetzungen in Deutschland ab.  Sie dauern lange. Supreme bietet ein Schweigegeld und ansonsten einen knallharten Abfindungsvertrag, der einem lebenslänglichen Berufsverbot für Michael EPP in vielen artverwandten Branchen gleichkommt. EPP ist derzeit 57 Jahre alt. Doch Supreme hält sich nicht an die Vereinbarung und zahlt nicht.

Michael EPP klagt jetzt vor dem Arbeitsgericht in Frankfurt. Und gewinnt – die Richter verpflichten Supreme, sich an die vertraglichen Vereinbarungen zu halten. Supreme zahlt immer noch nicht. Stattdessen  verlegt der Konzern den Sitz jener Tochterfirma, bei der EPP offiziell angestellt ist, in die USA.

Ohne dass sich der Supreme-Konzern darüber Gedanken macht,  ist es jetzt Michael EPP einfacher, das Unternehmen nach dem False Claim Act zu verklagen und so geschieht es auch. Im Kongress sind sich Demokraten und Republikaner  einig, solche Wildwest-Methoden einzudämmen.  Und so tritt das Staatswesen der USA in Michael EPP’s Zivilklage mit ein, was bedeutet, dass jetzt parallel strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen werden.

Supreme bekennt sich schuldig. Und verpflichtet sich, Buße zu tun. Im Jahr 2014 muss Supreme

  • 250 Millionen Dollar als Strafe bezahlen,
  • 101 Millionen für die Beendigung des zivilrechtlichen Verfahrens und
  • 83 Millionen für überteuertes Mineralwasser,

zusammen 434 Millionen Dollar. Zwei andere Supreme Tochterfirmen müssen 45 Millionen Dollar für überteuertes Benzin erstatten.

Für die Dachgesellschaft, die Holding namens Supreme Group B.V. mit Sitz in Holland ein überschaubarer Betrag. 2011 erwirtschaftete die Gruppe einen Umsatz von 5,5 Mrd. Dollar. 1,66 Milliarden davon wurden ausgezahlt: vor allem als Dividende an die beiden Eigentümer Stephen ORRNSTEIN und Michael GANS. ORENSTEIN hält die meisten Anteile, gibt sich kunstinteressiert & spendabel, unterstützt beispielsweise das Frankfurter Museum für Moderne Kunst.

Die Bilanz

Folgen für die Gesellschaft:

Staatliche Kassen auszurauben entspricht weitverbreiteten Usancen. In den USA hat sich erneut der False Claims Act aus dem Jahr 1863 bewährt, der einmal zu Unrecht kassierte öffentliche Gelder zurückzuholen imstande ist, zum anderen den Whistleblower  entschädigen kann: zwischen 15 und 25% der Schadensersatzzahlung. Das amerikanische Justizministerium konnte zuletzt im Jahr 2018 für den Staatshaushalt rund 2,8 Milliarden Dollar darüber reaktivieren.

Folgen für den Whistleblower:

Michael EPP ist der erste Deutsche, der seinen (Ex)Arbeitgeber nach dem US-amerikanischen False Claim Act verklagt hat. Das war allerdings nur möglich, weil sein Ex-Arbeitgeber das US-amerikanische Militär betrogen hatte. In den USA gibt es schon seit Jahrzehnten Whistleblower-Schutzgesetze für die unterschiedlichsten Bereiche - die Nationale Sicherheit ausgenommen.

EPP hatte deswegen Erfolg. Heute lebt er außerhalb Europas und muss sich keine finanziellen Sorgen machen. Er wäre aber gerne weiter beruflich aktiv geblieben.

(JL)


Hinweis:

Diesen Text können Sie auch direkt aufrufen und verlinken unter www.ansTageslicht.de/Epp

 

Online am: 28.01.2019
Aktualisiert am: 14.01.2021


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Michael EPP - der erste deutsche Whistleblower aus Dubai, der den False Claims Act in den USA nutzt


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