Längst ist auch DER SPIEGEL dem Thema 1993 auf der Spur. Und weil HERBST inzwischen als Fachfrau in BSE-Fragen gilt, wird sie von der Illustrierten stern interviewt: "Sicher ist nur Öko-Fleisch." Von ihrem Arbeitgeber wird sie sofort abgemahnt, während immer mehr Medien das Thema aufgreifen. Als die Segeberger Zeitung über den Fall HERBST berichtet, wagen sich jetzt - erstmals - auch ihre Kollegen aus der Deckung. Und reden im Norddeutschen Rundfunk über die unhaltbaren hygienischen Arbeitsbedingungen im Schlachtof von Bad Bramstedt.
Weil inzwischen längst feststeht, dass der BSE-Erreger auch auf den Menschen überspringen kann, gibt das schleswig-holsteinische Landwirtschaftsministerium einen internen, sprich geheimen Rundbrief an alle Landräte und Bürgermeister heraus, in dem u.a. steht, dass "Maßnahmen zum Schutz des Verbrauchers vor möglichen Gesundheitsgefahren unabdingbarer Vorrang vor wirtschaftlichen Gesichtspunkten einzuräumen“ sei. Der Öffentlichkeit wird dieses Warnschreiben vorenthalten. Auch Margrit HERBST weiß davon nichts.
Ende August 1994 wird sie vom Fernsehsender SAT.1 angefragt. Ihr Arbeitgeber droht - im Land der Meinungsfreiheit - mit Kündigung. HERBST lässt sich nicht einschüchtern:
„Da ich nicht Beihilfe zu möglichen vielfachen Tötungsdelikten leisten wollte, habe ich im August 1994 in einer SAT.1 Sendung über die Behandlung BSE-verdächtiger Rinder durch Vorgesetzte und über Einschleppungsmöglichkeiten und Verbreitungsrisiken berichtet, nachdem ich erfahren hatte, daß eine Vielzahl von billigen britischen Kälbern in Holland von unseren Viehanlieferern aufgekauft und später auf dem Schlachthof der Norddeutschen Fleischzentrale in Bad Bramstedt geschlachtet worden sind. Kurz zuvor hatte ich den britischen BSE-Diagnoseschlüssel erhalten und die Gewißheit bekommen, daß sich meine Befürchtungen hinsichtlich der Schlachtung BSE-verdächtiger Rinder bewahrheitet hatten", wird sie später ihren Auftritt begründen.
Jetzt geht der Druck erst recht los. Der Schlachthof verbietet ihr kritische Äußerungen, droht mit 500.000 DM Ordnungsgeld. Das heimische Landwirtschaftsministerium bestätigt inzwischen die Hygienemängel.
Wenig später erklärt der Multifunktionär der bundesdeutschen Agrarindustrie Wilhelm NIEMEYER, der auf allen wichtigen Posten trohnt, in detr TV-Sendung stern-tv, dass HERBST längst entlassen worden sei. HERBST weiß davon nichts, hat auch kein Kündigungsschreiben erhalten.
Die Kündigung kommt dennoch: 4 Wochen später.
Die Rechtsprechung in Sachen Kündigungsschutz vor den deutschen Arbeitsgerichten läuft zu dieser Zeit immer noch klassisch: Ein Arbeitnehmer hat seinen Mund zu halten, egal um was es geht. HERBST hat keine Chance.
Eine Chance hat sie allerdings vor dem Oberlandesgericht Schleswig 3 Jahre später - der Schlachthof will 180.969,30 DM Schadenserstz von ihr. Die Richter weisen das Ansinnen zurück:
„Damit konnte sich (nicht nur) für die Beklagte der Verdacht aufdrängen, dass den staatlichen Stellen durchaus im Einklang mit der fleischerzeugenden und –verarbeitenden Betrieben sehr daran gelegen war, einen amtlichen BSE-Nachweis wenn irgendmöglich zu verhindern."
Das nutzt Margrit HERBST nichts mehr - die Kündigung ist längst rechtskräftig.