Das Infragestellen und Hinterfragen der Legitimität aller Institutionen der "Macht" erreichte auch bald die Universitäten.
1958 schockierten erstmals Zeugen, die KZ und Holocaust überlebt hatten, vor Gericht die Öffentlichkeit mit Details an bestialischen Grausamkeiten, die bisher niemand wissen oder zur Kenntnis nehmen wollte. Als es dem Mossad gelang, den Schreibtischtäter und Massenschlächter Adolf EICHMANN in Argentinien zu entführen und in Israel vor Gericht zu stellen, geriet Deutschland in Zugzwang. Auf politischer, aber vor allem auch in den Köpfen von immer mehr jungen Menschen stand die Frage an: Was hatten die eigenen Eltern in der Nazi-Zeit gemacht? Und wie waren sie verstrickt?
Ein Buch, quasi ein Namenslexikon "Die braune Universität" machte 1964 klar, dass nicht nur Politik und Justiz, sondern auch die Wissenschaft nicht unschuldig waren. Als die etablierten universitären Institutionen Diskussionen darüber verhindern wollten, begann sich studentischer Widerstand zu formieren, den auch immer mehr Menschen außerhalb mittrugen.
Die zeitgleich zunehmende Brutalisierung des Vietnamkriegs (z.B. "Agent Orange") und der Todesschuss beim Besuch des iranischen Schah, eine von den USA gesteuerte Marionette im Nahen Osten, wo das große Ölvorkommen lagerte, waren dann der Auftakt zu dem, was man "Außerparlamentarische Opposition" (APO) nannte. 1968 brannten dann die Barrikaden - in Berlin vor dem Axel-Springer-Gebäude, in Paris, in Mexiko und anderswo. Die Jugend hatte in vielen Ländern ein Fanal gesetzt, dass sie es nicht akzeptieren würde, wenn es so weitergehen würde ...
Das Jahr 1968 markiert auch deswegen eine weitere Zäsur, weil viele andere Ereignisse weltweit mehr als nur Risse in den Fassaden einer heilen und angeblich menschengerechten Weltordung offenkundig machten:
- Im vietnamesischen My Lai schlachteten US-Marines, die den Gedanken der Freiheit vermitteln sollten, ein ganzes Dorf ab, nachdem sie Frauen und Kinder brutal vergewaltigt hatten. Das US-Militär vertuschte alles. Der Journalist Semour HERSH brachte es ans Tageslicht
- in den USA wurde Martin-Luther KING erschossen - Rassismus, Ku-Klux Klan und Rassenunruhen waren im Amerika des Abraham LINCOLN, Thomas JEFFERSON oder George WASHINGTON an der Tagesordnung
- in Lateinamerika regierten Diktatoren und US-amerikanische Konzerne im Schutz der CIA
- in Südafrika, in dem deutsche Konzerne wie Daimler- Benz oder Siemens gute Geschäfte machten, regierte die Apartheid und Nelson MANDELA war bereits seit 4 Jahren auf der Gefängnisinsel Robben Island eingekerkert
- in Prag wagte es der KP-Führer Alexander DUBCEK, Pressefreiheit und einen menschlicheren Sozialismus durchzusetzen - bis am 21. August die sowjetische Kreml-Führung alle freiheitlichen Regungen durch Panzer niederwalzen ließ.
Ein Jahr später, 1969, kam es zu einem Aufstand in der Christopher Street in New York: auf die permanenten gewalttätigen Razzien der Polizei reagieren homosexuelle und andere sexuell anders orientierte Minderheiten mit einer Demo, die in einer Strassenschlacht mit der staatlichen Macht in Gestalt prügelnder Polizisten endete - in einem Land, in dem die Verfassung Menschenrechte und das "Streben nach Glück" ("persuit of happiness") garantiert.
So war die zivilgesellschaftliche Gegenwehr in fast allen Ländern vor allem eine Sache junger Menschen, insbesondere von Studenten. Die 60er Jahre gelten daher auch als die Ära der Studentenbewegung(en).