KWU - "Zu Ihren Diensten" in Schachty: tote Fische im See

Dies ist eine von zwei von uns dokumentierten Geschichten, die die Zeitung "KWU", übersetzt: "Stets zu Ihren Diensten" im Jahr 2017 veröffentlicht hat. Nicht unbedingt zur Freude der kommunalen Macht. Aber die Zeitung zeigt bereits durch ihren Namen ihr eigenes Konzept. Sie wurde zu Zeiten von Glasnost im Jahr 1990 von Gennadij PEREGUDOV gegründet und erscheint wöchentlich. Nach eigenen Angaben hat sie rd. 18.000 Leser. Seit 2009 publiziert sie auch online, was rd. 16.000 User nutzen. Die veröffentlichten Geschichten bzw. Themen werden vor allem von ihren Lesern vorgeschlagen.

Die andere Geschichte handelt von einem typischen Zielkonflikt, ob auf einem innerstädtischen Platz ein weiterer Supermarkt entstehen soll oder ein Fussballplatz. Und wer sich mit seinen Interessen durchsetzen kann.


Die Bergbau-Stadt Schachtij (Schachty), die rd. 1.000 km von Moskau entfernt ist und von wo aus es etwa 80 km nach Rostow am Don (Rostov) sind, hat 230.000 Einwohner. Einer der Stadtteile heißt HBK (ХБК). Und so nennt sich auch der See, der mit einer Länge von 2 Kilometern bereits ein größeres Gewässer darstellt. Durch ihn fließt ein kleiner Fluss: die Gruschewska (Grushevska). Der See ist also - im wahrsten Sinne des Wortes - ständig in Fluss:

Einwohner des Stadtteils bemerken, dass der See 'stinkt' und dass viele tote Fische und Krebse im Wasser umher treiben. Auch Angler haben schon längst gemerkt, dass es kaum noch lebende Tiere gibt. Dabei ist der See ja nicht gerade klein.

In Schachty weiß man sich zu helfen. Jeder kennt dort die Zeitung "KWU". Die Abkürzung steht für "K waschim uslugam" (к вашим услугам) und heißt zu deutsch: "Stets zu Ihren Diensten". Es ist dies das journalistische Konzept der Zeitung. 1990 gegründet, kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion, ist sie bis heute diesem Motto treu geblieben.

Die Anwohner haben auch einen Verdacht, woher die Quelle des Ärgernis liegen könnte: beim Baumwollkombinat "Хлопчато-бумажный комбинат - ХБК", das nach dem Namen des Stadtteils benannt ist.

Sie melden sich bei der Redaktion von KWU.

Die Journalisten beginnen ihre Recherchen, fahren zunächst zum See, um sich selbst ein Bild von dem Problem zu machen. Und sehen die vielen toten Fische und Krebse. So etwas gab es zwar schon immer, wie ihnen ein Angler erklärt, aber jetzt sei es ein richtig großes Problem geworden. Und man könne es ja auch riechen: Der See stinkt nach Chemie.

Nächster Schritt: Die Journalisten fragen den Leiter des Departments Umweltschutz der Stadtverwaltung. "Wir ermitteln noch", so die erste Auskunft.

So lange wollen die Redakteure aber nicht warten. Sie fühlen sich ihren Lesern verpflichtet, die gleichzeitig auch ihre Hinweisgeber sind.

 Und so erscheint ein erster Bericht am 23. September 2016 auf der Website von KWU: Der Gestank und die toten Fische im See:

 

Eine Woche später dann der Artikel - auf zwei Seiten groß aufgemacht - in der wöchentlich erscheinenden Zeitung:

Hier nochmals der erste Bericht als PDF hinterlegt (RU): Seite 4 und Seite 5.

 

Die Zeitung kann inzwischen berichten, dass Beamte der Stadtverwaltung zum See gefahren sind, um sich ebenfalls ein Bild vor Ort zu machen. Natalija GRITZKEWITSCH, die Leiterin des Departments Umweltschutz: “Es gibt zwei Vermutungen. Entweder handelt es sich um unbefugte Ableitungen oder es ist ein Problem der aktiven Wassesblüte der Algen. Das Wasser wird jetzt untersucht."

Und auch Wladimir MAMONOW, der erste Stellvertreter des Bürgermeisters kann von sich sagen: “Ich bin selbst zum Teich gefahren, um mich selbst vom Problem zu überzeugen. Jetzt versuchen wir zu klären, woher die Verschmutzung des Wassers kommt. Nach der Expertise kommt die Lösung.” 

Und jetzt wird das Problem zum Thema im zuständigen Ausschuss der Wohnungs- und Kommunalwirtschaft GKH (ЖКХ). Die Deputierten (Abgeordnete) wollen die Vorschriften zur Nutzung der Gewässer ändern.

Die Leiterin der Umweltabteilung der Stadtverwaltung, GRITZKEWITSCH, vermag sich nicht vorzustellen, dass der See unter Einleitungen von Fabriken leidet. Sie schiebt alles auf die aktive Algenblüte. Anders der Leiter des Komittees: Er gibt der Verwaltung auf, das Problem detailliert zu klären:

So etwas dauert. Überall auf der Welt. Und so auch in Schachty.

Die beiden Fotos aus der Zeitung bzw. Onlineseite vermitteln einen Eindruck von der Sitzung: Da wird ernsthaft diskutiert. Und nicht nur von oben herab Entscheidungen durchgesetzt. Jener, der sich v.a. ins Zeug legt, heißt Wladimir KUKUSCHKINYM und ist der Vorsitzende des Russlandweiten Vereinigung der Rentner:

 

Jetzt bleibt abzuwarten, was die Analyse der Wasserproben ergibt. Und was sich dann danach tut - ein Jahr nach dem ersten Zeitungsbericht.

Hinweis:

Diesen Text können Sie auch direkt aufrufen und verlinken unter www.ansTageslicht.de/KWU-1

(OD / JL)