Seriöse Beamte und windige Zuhälter: Informanten und andere Quellen
von Christine KRÖGER
Aufgedeckt im engen Sinne hat der WESER-KURIER Details und Hintergründe von Verbrechen, die Rocker der „Hell’s Angels“ begangen haben. Im engen Sinne meint: Für diese Details brauchte ich klassische Whistleblower. Polizisten und Juristen, die mir Dokumente zusteckten, auf denen „vertraulich“ und „nur für den Dienstgebrauch“ stand – obwohl sie damit ihren Job riskierten.
Das Motiv dieser Informanten? Vor allem Frust, würde ich sagen. Frust darüber, dass im Rockermilieu die Omertà, das Gesetz des Schweigens, allzu oft über die Gesetze, auch über die Gerechtigkeit und über ihren eigenen Ermittlungseifer siegt. Denn in diesem Milieu schweigen nicht nur die Täter, sondern auch die meisten Opfer und Zeugen. Entweder weil sie selbst zum „Club“ gehören – oder weil sie Angst haben.
So bekommt „die Öffentlichkeit“ nicht so recht mit, wer die „Hell’s Angels“ sind und was sie treiben. Sie regt sich kaum auf, dass die Behörden den Rockern nur selten Einhalt gebieten. Die Bürger ärgern sich allenfalls gelegentlich über den Lärm der Harleys und Rockerfeten. Doch viele „Höllenengel“ fahren ohnehin längst komfortable Limousinen und drehen die Musik leiser, noch bevor die Nachbarn sich beschweren.
Diese Informanten sind auch frustriert, weil sie ausgebremst werden. Denn längst haben sich einige Polizisten, Juristen und Politiker von den Rockern einwickeln lasse. „So schlimm sind die doch gar nicht“, „mit denen kann man doch reden“, „auf deren Zusagen ist Verlass“, so oder ähnlich argumentieren diese Leute. Im Kopf haben sie dabei vielleicht den Vergleich mit ausländischen Banden und sehen die Rocker als das vermeintlich „kleinere Übel“. Aber hat dieser Staat bei der Bekämpfung organisierter Krimineller tatsächlich keine höheren Ansprüche mehr, als nur noch den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben?
Neben Ermittlern gab es Insider und Kenner der Szene, die mir Namen nannten und Tipps gaben. Menschen aus dem Rocker- und Rotlichtmilieu. Diese Informanten riskierten vermutlich mehr als ihren Job, sie setzten ihre körperliche Unversehrtheit aufs Spiel. Ihre Motive waren nicht immer edel. Der zwielichtige Zuhälter, dem die Rocker ins Geschäft pfuschten. Die verlassene Rockerbraut, die sich an ihrem Ex rächen wollte. Aber auch die Prostituierte, die nicht verstehen konnte, warum diese Schläger vor Gericht oft mit dem sprichwörtlichen blauen Auge davonkommen. Oder der Rocker, der sich als echter Easyrider fühlt und es leid war, dass die „Hell’s Angels“ diesen Mythos nur als Fassade nutzen.
Aufgedeckt im weiteren Sinne hat der WESER-KURIER Strukturen. Strukturen und Netzwerke der „Charter“ genannten Regionalorganisationen der „Hell’s Angels“ in Bremen und in Hannover. Sie stehen pars pro toto, als Teile einer weltweit straff hierarchisch aufgebauten Organisation mit zahlreichen Schwerkriminellen, die hinter den Kulissen des „Motorradclubs“ agieren. Dazu waren Whistleblower und Dokumente zwar unentbehrlich, noch wichtiger aber war es, genau hinzusehen. Schließlich tragen die Rocker ihre Mitgliedschaft bei den „Hell’s Angels“ ebenso offen wie stolz zur Schau. An ihren Lederwesten ist sogar abzulesen, auf welche Hierarchiestufe sie es in ihrem „Club“ geschafft haben. Auch öffentlich machen sie keinen Hehl daraus, dass sie nach ihren eigenen Gesetzen leben, Selbstjustiz üben, Gewalt bejahen und ein extrem sexistisches Frauenbild pflegen. Und das meiner Überzeugung nach mit Kalkül: Dieses Image sorgt für eine latente Drohkulisse, die Fausthiebe spart, weil kaum jemand den „Höllenengeln“ widersprechen mag.
Die Rocker einfach nur beobachten, ihnen zuhören und ihre Szenemagazine, Pressemitteilungen und Internetforen lesen. Das klingt einfach und ist manchmal doch schwierig. Schwierig ist es, stets kritisch zu bleiben und Distanz zu wahren. Denn die „Hell’s Angels“ vermarkten sich hochprofessionell. Als ganze Kerle, gradlinig, grundehrlich, zuverlässig. Von Ehre und Respekt reden sie gerne. Sprüche wie „ein Mann, ein Wort“ oder „harte Schale, weicher Kern“ schießen dem oberflächlichen Beobachter unwillkürlich durch den Kopf. Genau das ist die Masche: „Wer uns nicht mag, ist mindestens spießig, wenn nicht gar staatsmachthörig.“ Diese Botschaft versuchen die „Hell’s Angels“ mehr oder minder subtil rüberzubringen. Gerade engagierte Journalisten fühlen sich aber ungern spießig und behördenaffin.