Steuerfahnderaffäre Hessen: die Nachfolgegeschichte im Überblick

Der dritte "Wächterpreis der Tagespresse", verliehen von der "Stiftung Freiheit der Presse", ging 2011 an den Redakteur der Frankfurter Rundschau, Matthias THIEME: 

"Er recherchierte und veröffentlichte in einer Serie von Artikeln die Reglementierung vier hessischer Steuerfahnder und legte damit Verflechtungen und Abhängigkeiten innerhalb der Hessischen Finanzverwaltung offen. Die Berichte führten zu einer öffentlichen Debatte und zu einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss."

So die Jury der Stiftung "Freiheit der Presse". 

Die Geschichte, von der hier die Rede ist, hält schon länger an. Sie datiert, was ihren Ursprung anbelangt, in das Jahr 1996. Damals hatten über 250 Beamte der Polizei, Staatsanwaltschaft und Steuerfahndern aus fast der gesamten Republik die Zentrale der Commerzbank AG in Frankfurt/Main durchsucht. Grund: Illegale Geldtransfers, die in solchen Konten verbucht waren, wie hier zu sehen:

  • Ergebnis 1: Die Steuerfahndung in Hessen musste rund 60.000 Steuerstrafverfahren gegen Bürger eröffnen, die ihre Gelder und Wertpapiere mithilfe der Commerzbank ins Ausland verschoben hatten, um Steuern zu hinterziehen. Nachzahlung: rund 1 Milliarde
  • Ergebnis 2: Die Großbank musste sozusagen freiwillig "Unrichtigkeiten" bei ihren letzten Bilanzen einräumen und korrigieren. Nachzahlung: 260 Millionen.

Zuständig in beiden Fällen: die Finanzverwaltung in Frankfurt bzw. Hessen. Und die Steuerfahndung vom „Finanzamt Frankfurt/Main V“ in der Gutleutstrasse direkt am Hauptbahnhof. Die damalige rotgrüne Koalition unter Ministerpräsident Hans EICHEL (SPD) musste die Steuerfahndung erheblich aufstocken: auf rund 100 Experten. 

1999 wechselte die Regierung. Jetzt war Roland KOCH, CDU, am Regieren und die erste Affäre, kaum war die neue Regierung im Amt, betraf das Bekanntwerden schwarzer Gelder der Hessen-CDU in einer heimlichen Stiftung namens Zaunkönig in Liechtenstein. Also dort, wo viele andere ihre Reichtümer verstecken, um der Besteuerung zu Hause zu entgehen.

Begreiflicherweise hat die hessische Landes-CDU und insbesondere deren Schatzmeister und Berater ein gestörtes Verhältnis zur Steuerehrlichkeit und allem, was mit Steuerfahndung zu tun hat.

Nicht erst seitdem. Im größten Parteispendenskandal, den die Bundesrepublik je gesehen hatte und der dann unmittelbar in die so genannte "Flick-Affäre" überging, war es ebenfalls ein hessischer Schatzmeister der CDU, der sich eine der cleversten Geldwäscheaktivitäten ausgedacht hatte: Spendenabzug mittels gefälschter Belege aus einem Kloster. Welches Finanzamt würde schon auf die Idee kommen, in einer solchen "christlichen" Institution eine Betriebsprüfung abhalten zu wollen? Steuerfahnder in Hessen jedenfalls hatten schon immer gut zu tun. 

Und natürlich seit der Großdurchsuchung der Commerzbank. Banken und CDU hatten schon immer eine besondere Affinität zueinander. Und weil die neue hessische CDU-Regierung dieses Thema offenbar irgendwie zum Abschluss bringen wollte, gab es 2001 eine "Amtsverfügung 2001/18", nach der die Steuerfahnder nicht mehr so genau hinschauen sollten. 

Rund die Hälfte der Frankfurter Steuerfahnder waren damit nicht einverstanden - sie hatten einen Eid auf Recht und Gesetz geleistet. Doch wie es so ist: Arbeitgeber sitzen immer am längeren Hebel, auch im Öffentlichen Dienst, und so wurden immer mehr der Finanzbeamten weichgekocht. Und so blieben immer weniger übrig, die sich gegen die nach ihrer Meinung rechtswidrige Anweisung "von oben" zu Wehr setzten. Zum Schluss waren es nur noch vier, die von rund 50 'Meutereren' nicht aufgeben wollten.

Die Hessen-CDU unter ihrem Finanzminister Karlheinz WEIMAR (CDU) wusste sich zu helfen. Sie griff auf ein probates und vielfach bewährtes Mittel zurück: Sie ließ die letzten 4 Steuerfahnder zwangspsychatrisieren. Konkret: die 4 Fahnder wurden - offenbar im Auftrag der Hessischen Finanzverwaltung - lebenslang für dienstunfähig erklärt. Zum Beispiel wegen"paranoid-querulatorischer Entwicklung". Und damit zwangsweise aus dem Dienst entlassen.

Der Psychiater, der schon länger für die Hessische Finanzverwaltung tätig ist und sich offenbar hoher Gunst in Regierungskreisen erfreut, wurde 2009 vom Hessischen Verwaltungsgericht verurteilt: Er hatte die Gutachten gefälscht, konkret vier Gefälligkeitsgutachten erteilt, wie die Richter messerscharf in ihrem Urteil festgehalten haben:"Standesrechtliche Verstöße eines Arztes" (Az: 21 K 1220/09.GI.B).

Solche Vorgänge sind - ganz offenbar - für hessische CDU-Landtagsabgeordnete nichts Ungewöhnliches, sondern nach ihrem Staats- und Politikverständnis ganz normal. Nicht anders lässt sich erklären, dass die Hessen-CDU Berichte derFrankfurter Rundschau über diese mehr als seltsam anmutenden Vorfälle als Affront betrachtet:

  • " Sie wollen unseren Finanzminister mit Schmutz überziehen"
  • "gemeinsame Kampagne" der Frankfurter Rundschau und einiger Oppositionsabgeordneter
  • "Wir haben in den vergangenen Monaten genügend Erfahrungen mit Ihrer einseitigen Berichterstattung sammeln dürfen und sind nicht gewillt, bei einer neuen üblen Schmutzkampagne mitzuspielen"
  • "unerträgliche Hetze",

so das Repertoire der hessischen CDU im Wiesbadener Landtag über die Zeitung und deren Redakteur Matthias THIEME. 

Die Frankfurter Rundschau hatte ihre Berichterstattung im Frühsommer 2009 aufgenommen. Kurz nachdem die vier Steuerfahnder, um die es auch hier wieder geht, von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) und der Association of International Laywers Against Nuclear Arms (IALANA) den "Whistleblower-Preis" 2009 zugesprochen bekamen. Sie hatten die fragwürdigen Vorgänge aus der Finanzverwaltung nach und nach öffentlich gemacht - mittels der Informationen aus ihrer eigenen Personalakte (soweit diese ihnen überhaupt zugänglich war).

Das DokZentrum ansTageslicht.de hatte zu diesem Zeitpunkt die ausführliche Dokumentation dieses Falles online gehen lassen. Und konnte Matthias THIEME, der kurz zuvor zusammen mit einem Kollegen den Wächterpreis 2009 gewonnen hatte (vgl. Spendenskandalbei UNICEF. Oder: Wie eine Tageszeitung Veränderung bewirken kann) von dem immer noch unbeendeten Thema überzeugen. 

Wir dokumentieren hier deshalb

Und Sie finden hier Informationen über die liechtensteinische Stiftung Zaunkönig, bei der die hessische CDU heimlich über Jahre Schwarzgeld versteckt hatte: unter www.ansTageslicht.de/Zaunkoenig. Bis alles 1999 aufflog, als Roland KOCH, CDU, neuer Ministerpräsident von Hessen wurde. Und natürlich von den Geldern keine Ahnung hatte. Unter seiner Ägide begann dann auch die Hessische Steuerfahnderaffäre.

Die hiesige Geschichte, Steuerfahnder-Affäre Teil II,  können Sie auch jederzeit über den Link www.ansTageslicht.de/HessenCDU aufrufen. Und die Steuerfahnder-Affäre Teil I  unter www.ansTageslicht.de/Steuerfahnder

(JL)