Kleine Chronologie der hausgemachten CBL-Finanzkrise

1993

Die ersten Sale-and-Lease-Back - Konstruktionen werden in Deutschland auf den Weg gebracht, die Wegbereiter für das Cross Border Leasing sein werden: Fonds, mit denen Flugzeuge und Lokomotiven finanziert werden. Arrangeur ist die DB Export-Leasing GmbH, einer Tochter der Deutschen Bank AG. Das Volumen: umgerechnet 230 Mio Euro


1994

Jetzt werden die ersten ICE-Zugeinheiten der Deutschen Bahn auf diese Weise finanziert: 285 Mio Euro. Arrangeur ist wiederum die DB Export-Leasing GmbH. Im Ausland sind es Kraftwerke und Großturbinen


1995

Jetzt kommen auch die ersten deutschen Kommunen auf den Geschmack. In Bremen und Mannheim werden Straßenbahnen verkauft und zurückgeleast, in Halle das Klärwerk. Die Telekom macht es mit Telefonanlageninfrastruktur


zweite Hälfte der 90er Jahre

Die ersten Gehversuche scheinen erfolgreich zu sein. Jetzt ist CBL Tagesthema in immer mehr Städten und Gemeinden, die sich davon einen finanziellen Vorteil versprechen. Langfristige Überlegungen spielen dabei keine Rolle - Politiker werden in der Regel auf vier bis fünf Jahre ins Amt gewählt.  

Was bis zur Jahrtausendwende und von wem 'verscherbelt' wird, ist in einem umfangreichen Dossier von Werner RÜGEMER zu lesen, einem Publizisten in Köln, der zu dieser Zeit anfängt, Informationen und Material zu sammeln:


13.11.1997

Der früher erfolgreiche Immobilienmakler und ebenso erfolgreiche Schauspieler Arnold SCHWARZENEGGER will ebenfalls Steuern sparen, um damit Geldvermehrung zu betreiben. In Kooperation mit der Singapore Airlines kauft er für 133 Mio $ eine Boeing 747-400, die als Passagierflugzeug eingesetzt werden soll, und verleast diese gleich wieder an die Fluggesellschaft. Dazu gründet er eine eigene Firma: Legend International Air


bis 2001

CBL-Geschäfte haben inzwischen Hochkonjunktur. Städte wie Hamburg, Berlin, Leipzig, Köln, Bonn, Stuttgart, Duisburg u.a.m. führen die Liste an


Dezember 2001

Werner RÜGMER's Recherchen finden Eingang in ein einstündiges Hörfunk-Feature, das vom  WDR und von  Deutschland Radio ausgestrahlt wird: "100 Jahre wie ein Tag - die heimliche Globalisierung der Städte". Ungewöhnlich viele Hörer fragen nach dem Manuskript. Darunter Stadträte, Kommunalpolitiker, Oberbürgermeister, Stadtkämmerer u.a.. Der  WDR wiederholt die Sendung im August 2002.


03.01.2003

Der  Deutschlandfunk (DLF) bringt ein weiteres Feature zum Thema CBL von Werner RÜGEMER: „Ein fragwürdiges Instrument: Mit CBL wollen Städte ihre Finanzen sanieren“. Der  DLF reicht das Stück bei einem journalistischen Wettbewerb ein, dessen Preisgeld der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) stiftet: zum "Deutschen Journalistenpreis des VKU"


Sommer 2003

Inzwischen ist auch die NGO attac auf das Thema aufmerksam geworden. Man betreibt Aufklärung, sammelt Unterschriften, spricht sich gegen CBL aus. Als Reaktion darauf schließen sich die wichtigsten Arrangeure von CBL in Deutschland, die Unternehmen DB Export-Leasing (Deutsche Bank), DaimlerChrysler Services Structured Finance, Allco Leasing und East Merchant, zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen. Ziel: eine Diskussion mit attac zu beginnen. Die NGO will vorher - damit jeder weiß, worüber gesprochen werden soll - den verbindlichen Wortlaut eines CBL-Vertrages haben. Die Arrangeure verweigern sich 


August

Die Jury des "Deutschen Journalistenpreises des VKU", in der 5 Journalisten/Medienvertreter und 4 Repräsentanten der Kommunalen Unternehmen sitzen, erkennt den ersten Preis Werner RÜGEMER zu. Die Preisverleihung ist für den 3. Oktober angesetzt


01.10.2003

Zwei Tage vor der Preisverleihung meldet sich ein  WDR -Redakteur, der Mitglied in der VKU-Jury ist, am Telefon bei Werner RÜGEMER. Der Medienmann erklärt ihm kurz und bündig, dass man auf einem Flugblatt von attac den Namen RÜGEMER entdeckt habe. Wer sich auf diese Weise gegen CBL ausspreche, mache sich mit der Sache gemein, über die er als Journalist eigentlich objektiv und mit Distanz zu berichten habe. Die Jury habe ihm deshalb den Preis kurzfristig wieder aberkannt. Siehe dazu  Werner RÜGEMER - ein früher Warner


26.07.2004

Das Bundesland Bayern verabschiedet ein neues Gesetz zur Änderung des Kommunalrechts. Darin wird ein  Risikominimierungsgebot festgeschrieben. Dieses soll insbesondere bei "Risikoungleichgewichten" gelten. Es zielt auf Cross Border Leasing-Geschäfte. Abgeleitet wird die neue Vorschrift aus dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, die in allen Haushaltsordnungen und den bisher geltenden Kommunalgesetzen vorgeschrieben sind. Das Gesetz wird im Bayerischen Landtag mit Mehrheit angenommen. Damit müssem entsprechende Geschäfte in Nürnberg (Klärwerk, Kanäle) und München (Verwaltungsneubau) rückabgewickelt werden.


2004

Inzwischen ist auch die US-amerikanische Steuerbehörde IRS (Internal Revenue Service) der Meinung, dass die fraglichen CBL-Praktiken nicht mit der eigentlichen Intention des Steuergesetzgebers in Einklang stehen. Die Steuervorteile werden abgeschafft und die bisherigen Regelungen verändert. Fortan funktionieren diese Modelle nur noch ohne Steuervorteile für die Investoren und deren Trusts. 

Mit dem Wegfall der Steuervorteile in den USA, die nunmehr keinen "Barwertvorteil" für die deutschen Kommunen bedeuten, geht die Nachfrage nach solchen finanziellen Modellkonstruktionen merklich zurück. 
Im selben Jahr erscheint auch Werner RÜGEMER's Buch: "Cross Border Leasing. Ein Lehrstück zur globalen Enteignung der Städte". Das Buch geht ein Jahr später in die zweite Auflage (inzwischen vergriffen). 

Auch in Österreich meldet sich ein CBL-Kritiker zu Wort: der 53-jährige Bauer Markus WILHELM aus Sölden. Ihn stört die Geheimniskrämerei der Tiroler Wasserkraft AG (TIWAG), die ihre Kraftwerke Brennerwerk, Langkampfen, Leibnitzbach, Leiersbach, Schmirnbach, Sidanbach und Urgenbach für einen Barwertvorteil von 14 Mio Euro verscherbelt hat. Die TIWAG ist komplett in Landesbesitz. An der CBL-Entscheidung war aber kein Parlament beteiligt.  

Markus WILHELM eröffnet die Website  www.dietiwag.org   und trägt zusammen, was er finden kann. Er findet eine ganze Menge:  

Und es wird ihm ein 4-seitiges Papier zugespielt, in dem alle Akteure gelistet sind: mit Namen und was sie an Geld einnehmen. Die TIWAG lässt sogleich die Seite sperren und verklagt den Störenfried. WILHELM obsiegt vor Gericht in allem Instanzen: " Die Interessen des Beklagten, die Öffentlichkeit über den Inhalt der CBL-Verträge zu informieren, überwiegen jene der Klägerin an der Geheimhaltung deutlich" , so die Richter des Innsbrucker Oberlandesgerichts.


2008

Die so genannte Finanzkrise, die bereits ein Jahr zuvor mit einer Immobilienkrise erste Vorboten zeigte, beginnt sich weltweit auszuwirken. Im September ist eine der größten Investmentbanken platt: Lehman Brothers. Kurz darauf steht der weltgrößte Versicherungskonzern vor dem Absturz: AIG. Der Versicherer ist in vielen CBL-Geschäften mit von der Partie.  So wie die US-Regierung unter George W. BUSH als Signal die Lehman Bank pleite gehen lässt, so stützt sie AIG: mit rund 200 Mrd. $ Staatsknete. Zu desaströs wären die Auswirkungen dieses Geld- und Versicherungshauses auf die restliche Finanzwelt

Zu dieser Zeit beginnt der Oberschwaben-Bodenseekorrespondent der  Stuttgarter Zeitung , Wolfgang MESSNER, mit seiner Berichterstattung über die Auswirkungen dieser Krise auf die abgeschlossenen Cross Border Leasing-Geschäfte. Im Schwabenland und insbesondere in Stuttgart muss das Trinkwasser vom Bodensee herangeschafft werden. Die vielen Pumpstationen und das gigantische Leitungsnetz sind verkauft und zurückgeleast. Die Versicherungsgesellschaft, die für die gesamten Transaktionen gerade stehen will, heißt AIG. Jetzt beginnen dort die Probleme. Lesen Sie dazu die detaillierte und umfangreiche Berichterstattung von Wolfgang MESSNER:  Ausstieg aus einem CBL-Geschäft .


  • Wie Banken, Schattenbanken, Hedge-Fonds und andere große FInanzplayer durch ihre "toxischen" Geschäfte fast das gesamte Finanz- und Währungssystem zum Einsturz bringen
  • wie Regierungen vieler Länder mit gigantischen Geldmassen und Bürgschaften das globale Finanzsystem, insbesondere die Banken stützen
  • und wie diese Geldmassen jetzt umverteilt werden (müssen), um das - vermeintlich notwendige - System zu stützen,

diese Aspekte werden demnächst unter dem Thema Banken, Geld und Finanzsystem aufgegriffen werden. Bis dahin bitten wir um Geduld.

(JL)