Hierarchie + Bürokratie der Finanzverwaltung in NRW

Die Macht der Spitze und ihre Vorliebe für Bürokratismus

Wie 'echte' Beamte, also Staatsdiener 'ticken', die als wichtigste Eigenschaft und als zentralen Sinn ihres Arbeitslebens die "Pflicht zum Gehorsam" sehen (Paragraph 55 Satz 2 des Bundesbeamtengesetzes), machen die Ausführungen eines der "Leitenden Regierungsdirektors" Gottfried BRAUN in der "Oberfinanzdirektion" in Köln deutlich. Er erklärte sein Verhalten, insbesondere in den Jahren 1975/1976, als man Klaus FÖRSTER von oben herab ständig "rotes Licht!" signalisierte, 12 Jahre später vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtages in NRW so:

"Ich hatte sowieso nichts zu unternehmen. Ich habe diese Weisung im Behördengang, in der Hierarchie der Beamten, an Herrn Förster weitergegeben."

Die Funktion des "Leitenden Regierungsdirektors" Gottfried BRAUN, als übergeordneter Vorgesetzter von Klaus FÖRSTER, bestand also vornehmlich darin, Briefträger zu spielen: Von oben nach unten und von unten nach oben, wenn z.B. FÖRSTER eine Information weitergeben wollte.

Auch wenn der Finanzminister an Klaus FÖRSTER schrieb - natürlich nicht er selbst, sondern eine Abteilung aus der höchsten Ebene - wäre es für Bürokraten unvorstellbar, ein solches Schreiben direkt, z.B. wegen der schnelleren Postlaufzeit, zu adressieren. Auch in diesen Fällen muss alles seine Ordnung haben. Ein Schreiben von ganz oben geht demnach immer "d.d. OFD" (durch die Oberfinanzdirektion) an den eigentlichen Adressaten, wie aus diesem Anschreiben deutlich wird: 

Dass das dann alles etwas länger dauert, spielt in der Verwaltung keine Rolle. Zeit bzw. effiziente Verwendung von Zeit ist dort kein nennenswerter Faktor.Sture Dienstwege (bzw. Dienstvorschriften) sind das A & O jeder Bürokratie. In der Managementtheorie spricht man von Einlinien-Systemen. Man weiß, dass dies folgende Vorteile (für den Bürokratenapparat) hat:

  • die Kompetenzen sind klipp und klar formuliert und vorgegeben
  • es gilt das Prinzip der Hierarchie des Dienstwege bzw. Vorgesetzten (was nicht identisch sein muss mit der Hierarchie der Qualifikation)
  • und wenn jeder immer nur das macht, was er von oben angeordnet bekommt, kann sich jeder, egal was er macht, regelmäßig der Verantwortung entziehen: eigenes Mitdenken ist nicht gefragt, sondern nur die Pflicht zum Gehorsam. Stellt sich irgendetwas später als 'falsch' oder nicht sehr sinnvoll heraus, kann jeder die Verantwortung nach oben - zu seinem jeweiligen Vorgesetzten - abschieben.

Es bildet sich damit letztlich ein System kollektiver Verantwortungslosigkeit auf allen Ebenen. Der letzte, den es dann trifft, ist der Mann (oder die Frau) an der Spitze: die Politiker. Aber die sind auf zeitlich befristete Verantwortlichkeit eingestellt und wissen, wenn alles herauskommt, sind sie schon längst nicht mehr im Amt. Können also auch nicht (mehr) zur Rechenschaft gezogen werden.

Dies hat dann Vorteile für alle unmittelbar Beteiligten, die sich in diesem System bedingungslos anpassen.Deshalb sind moderne Management- und Arbeitssysteme, die auf flachen Hierarchien und/oder Zweiliniensystemen basieren, in bürokratisch strukturierten Institutionen hierzulande nicht gern gesehen. Sie setzen nämlich selbstständiges Mitdenken und verantwortliches Handeln voraus.Unternehmen, die sich auf Märkten behaupten müssen, sind auf effiziente Managementstrukturen und Arbeitsprozesse angewiesen. Behörden nicht. Denn Behörden repräsentieren hoheitliche Monopole.

So war dies auch in den 70er Jahren, als sich Klaus FÖRSTER dem Finanzverwaltungs-Apparat gegenübersah. Grob strukturiert sah die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung folgendermaßen aus: 

 

Und so die Amtsbezeichnungen bzw. beruflichen Beamtenränge, die gleichzeitig für entsprechende Weisungsbefugnis stehen:

 

Um deutlich zu machen, in welcher Stellung und Funktion die z.B. in der Chronologie erwähnten Akteure aus der Finanzverwaltung agierten, haben wir die relevanten Personen in der letzten Grafik namentlich und mit ihren hierarchischen Beamtenrängen eingetragen:

Für den Begriff "Bürokraten" gibt es inzwischen einen geläufigeren Ausdruck: "Sesselfurzer". Im Duden ist der Begriff so definiert: "jemand, der einen [kleinen] Posten innerhalb eines Verwaltungsapparats innehat, auf dem er aus Trägheit, mangelndem Engagement o. Ä. nichts Besonderes leistet".

(NeSie/JaRe)