WESER-Kurier, 28.11.2008

von Christine KRÖGER

Der lange Schatten des Frank H.

HANNOVER. In Hannover heißt er „der Lange“. Nicht nur viele der überwiegend jungen Besucher des Rotlichtbezirks Steintor in der Landeshauptstadt kennen Frank Hanebuth. Auch für einen Teil der Lokalprominenz ist der „Präsident“ der „Hell’s Angels“ in Hannover längst gesellschaftsfähig. Sie sprechen mit einigem Respekt von „dem Langen“. Jener Art von Respekt, in der sich naive Bewunderung von Macht und nackte Angst vor Gewalt mischen.

Mit seinen 1,96 Metern ist Hanebuth im Wortsinn ein Langer, nicht nur deshalb ist der Ex-Boxer eine imposante Erscheinung: kahl rasierter Schädel, durchtrainierte Muskelpakete, martialische Tätowierungen. So bedient Hanebuth das Klischee eines Anführers im Rocker- und Rotlichtmilieu. Doch das allein reicht nicht für eine Karriere, wie Hanebuth sie hinlegt. „Hanebuth ist, was er ist, weil er sich verdammt gut beraten lässt“, meint ein Polizist, der den Werdegang des „Langen“ seit Jahren beobachtet.

„Staranwalt“ feiert mit

Beraten wird der Rockerboss zum Beispiel von Götz von Fromberg. Der renommierte Strafverteidiger und ehemalige Präsident des Fußballbundesligisten Hannover 96 unterhält mit Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Bürogemeinschaft und gilt als dessen enger Vertrauter. Zu von Frombergs „Herrenabenden“ anlässlich seines Geburtstages kommen neben Schröder auch andere bundesweit prominente Größen aus Politik, Wirtschaft, Medien und Kultur, das berichtet die Lokalpresse alle Jahre wieder in Wort und Bild.

Den vertrauten Umgang mit von Fromberg haben die Prominenten mit Hanebuth gemeinsam. Von Fromberg vertritt den „Langen“ seit vielen Jahren nicht nur juristisch, die beiden verbindet offenbar eine Männerfreundschaft, die der Rockerchef öffentlichkeitswirksam zu nutzen weiß. So ist von Fromberg nicht nur den Klatschspalten der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ und der „Neuen Presse“ viele Meldungen wert. Neben den beiden Zeitungen aus dem in Hannover allgegenwärtigen Madsack-Verlagskonzern schmücken sich auch die „Steintor News“ mit dem „Staranwalt“.

Das monatlich erscheinende „Kiezmagazin“ aus der „Steintor Event GmbH“, in der sich die Kiezclubs gemeinsam vermarkten, erwähnt gerne, wie pudelwohl sich von Fromberg in den Clubs des Steintors fühlt – jenes Quartiers, das „Steintor-Chef“ Hanebuth in den vergangenen zehn Jahren von einer Rotlicht- zu einer Partymeile ausgebaut hat. Mitte September ließ Hanebuth dort zu seinem 44. Geburtstag eine Party steigen, nach eigenen Angaben feierte Götz von Fromberg einmal mehr mit.

Wer „König“ einer Party-, Kneipen- und Rotlichtmeile ist, hat Geschäftspartner. Horst Kopp, jüngst in den Ruhestand verabschiedeter Chef des Getränkegroßhandels Brunnenkopp KG, ist nicht nur treuer Anzeigenkunde der „Steintor News“, er lässt sich in dem Magazin auch „Freund des Steintors“ nennen und lobt öffentlich, wie „sauber“ das Quartier „dank Frank Hanebuth“ geworden sei. André Hilmer vom Brauereikonzern Inbev in Hannover lächelt auf Partyfotos den Machern des Kiezmagazins in die Kamera und lädt seinerseits Hanebuth und andere „Höllenengel“ in die VIP-Lounge seiner Firma bei Hannover 96 ein.

Nicht nur das Kiezmagazin beschert Hannovers oberstem „Hell’s Angel“ und „seinem“ Steintor eine gute Presse. Auch manche Berichte in den Madsack-Blättern „Hannoversche Allgemeinen Zeitung“ und der „Neue Presse“ sind einen zweiten Blick wert. Zum Beispiel der, der die Riesenparty „Eurorun“ der „Hell’s Angels“ im Juni dieses Jahres ankündigte. Unter der Überschrift „Die Hauptstadt der Höllenengel“ lächelte Frank Hanebuth den Lesern der „Neuen Presse“ großformatig entgegen. Werbewirksam vor ihm platziert: das Getränkesortiment „81 Support“.

In Hannover ist mit Hanebuth offensichtlich seine ganze Rockergang gesellschafts- und geschäftsfähig geworden. Immerhin steht die „81“ für den achten und ersten Buchstaben im Alphabet, „HA“ für „Hell’s Angels“, und „support“ heißt „unterstützen“. Unterstützerware für eine Bande, die Kriminalisten bundes-, europa- und weltweit als hochkriminell, schwer bewaffnet und extrem gewaltbereit einstufen.

Die örtliche Presse kurbelt nicht nur Umsatz und Renommee des Steintors an, der Madsack-Verlag hilft auch mit Fachwissen aus: Nach eigenen Angaben arbeitete Jens Hauschke den professionell gemachten „Steintor News“ zu, die in einer Auflage von monatlich 15000 Stück kostenlos ausliegen. Hauptberuflich ist er Reporter in der Stadtredaktion der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. Die nennt den Ende 2001 wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilten Rockerchef „mehr als erfolgreich wiedereingegliedert“.

Bummeln „zwischen Kunst und Kiez“

Bereits im vergangenen Jahr stellte die Zeitung ihren Gesellschaftsreporter Achim Balkhoff frei. Als „Citymanager“ soll er der Stadt den Veranstaltungskalender füllen und ihr mehr Besucher bescheren. Ein Gesellschafter seiner „Hannover City GmbH“ ist das „Quartier Steintor“. In dem Verein arbeiten der renommierte Kunstverein Kestnergesellschaft und der Madsack-Verlag unter anderem mit der „Steintor Event GmbH“ zusammen. Als Sprecher des „Quartiers Steintor“ fungiert Veit Görner, Chef der Kestnergesellschaft. Der Kunstexperte schwärmte in der Lokalpresse, wie gerne er „zwischen Kunst und Kiez“ bummeln geht. Citymanager Balkhoff verwies im Internetauftritt seiner GmbH stolz darauf, dass dem Kiezmagazin „Steintor News“ die Gründung des „Quartiers“ eine Titelgeschichte wert gewesen sei.

Auf „seinen“ Kiez lädt Hanebuth seit 2004 zum „Steintorfest“. Bisher stets im September. Rein zufällig, behauptete Daniela Trümper, Geschäftsführerin der „Steintor Event GmbH“, stieg das Steintorfest in diesem Jahr bereits Mitte Juni. Kurzerhand betitelt als „Fête de la Nuit“ – und als Teil der „Fête de la Musique“ von Citymanager Balkhoff. Mit 350000 Besuchern feierte seine GmbH das Event als „Riesenerfolg“, auch „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ und „Neue Presse“ bejubelten die Veranstaltung unisono mit der „Bild-Zeitung“.

Dass auf der „Fête de la Nuit“ genau vor der Bühne, die Madsacks „Neue Presse“ im Steintor gesponsert hat, bei der Polizei einschlägig bekannte Gewalttäter als „Sicherheitskräfte“ im Dienste von Hanebuths Firma „GAB-Security-GmbH“ unterwegs waren, ist den örtlichen Journalisten vor lauter Begeisterung vielleicht nicht aufgefallen, vielleicht fanden sie es auch schlicht nicht mehr erwähnenswert. Schließlich sind viele Männer, die tagtäglich als Türsteher vor Kiezclubs oder als Ordner auf Veranstaltungen für Hanebuth arbeiten, den Ermittlungsbehörden als Schläger bekannt – und als Mitglieder der „Hell’s Angels“ sowieso.

Nur Wochen nach der „Fête de la Musique“ lud Hanebuth Amüsierwillige zu einer „Schlagerparade“ auf den Kiez. Im PS-starken Geländewagen führte der Rockerboss den Umzug an. Neben ihm saß Oliver Schulte, der für die Stadt das renommierte Maschseefest managt, Hannovers Publikumsmagnet Nummer eins. „Begeistert“ sei er, zitierten ihn die „Steintor News“. Begeistert von dem, „was die Steintor-Wirte immer wieder auf die Beine stellen“.

Nicht nur mit Partys, auch mit „Wohltätigkeit“ bemühen sich die „Hell’s Angels“ um ihr Image. Das erkannten Niedersachsens Minister für Inneres und Justiz bereits 2002. In der Landeshauptstadt ist auch diese Rechnung offenbar aufgegangen. Rocker sammeln für die Alzheimer Stiftung, das Deutsche Rote Kreuz, oder sie spielen Fußball für herzkranke Kinder. Anschließend attestiert die Lokalpresse den „Rotlicht-Kickern“ ein „Riesenherz“. Auf ihrer jüngsten „Harley-Davidson-Party“ machten Hanebuth und seine „Höllenengel“ gegen Kindesmissbrauch mobil. Auf derselben Party nahm die Polizei einen seiner Männer fest. Gegen den 45-Jährigen wurde mehrfach wegen Körperverletzung ermittelt, dieses Mal lautet der Vorwurf Drogenhandel.

Verkehrte Welt in Hannover? Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann weiß, dass Rockerkriminalität sich stets zwischen Schwerst- und organisierter Kriminalität abspielt, Gewalt und andere Mittel zur Einschüchterung einsetzt und gewerbliche Strukturen aufbaut. Trotzdem feiert die Landeshauptstadt mit „dem Langen“ vorneweg und lässt polizeibekannte Schläger für „Sicherheit“ sorgen. Vom kriminellen Hintergrund der „Hell’s Angels“ spricht man an der Leine allenfalls noch hinter vorgehaltener Hand. Der Schatten Frank Hanebuths und seiner „Höllenengel“ ist lang. Und er wächst weiter, je mehr Lokalprominente den Rockern öffentlich zuprosten.