WESER-Kurier, 29.11.2008
von Christine KRÖGER
Rocker rücken sich ins rechte Licht
HANNOVER. Der Mann am Eingang ist auffallend groß und muskulös, er lächelt freundlich, seine Hautfarbe ist schwarz. Die Lederweste weist ihn als „Prospect“ (Anwärter) der „Hell’s Angels“ von „Präsident“ Frank Hanebuth in Hannover aus. Dabei soll es unter den Rockern kaum Schwarze geben, vor allem in ihrem Stammland USA wird der Gang Rassismus nachgesagt. Aber sollen Ausnahmen nicht manchmal die Regel bestätigen?
Die Treppe in der „Steintor Event Hall“ auf Hannovers Kiez führt steil abwärts in die „Tattoo-Convention“ (Tätowiermesse) der „Hell’s Angels“. Hier unten in dem professionellen Partykeller darf man nirgends rauchen, Alkohol gibt es schon am Nachmittag. Die Getränke sind preiswert, viele Besucher jung. Frauen haben sich in schrille Klamotten gezwängt und stark geschminkt. Männer tragen Armeehosen, Muskelshirts und ihre Köpfe kahlgeschoren. Hier zeigt man seine Piercings und Tätowierungen gerne. Selbst wenn es in die Haut gestochene Hakenkreuze sind.
Hakenkreuze stören nicht
Niemand nimmt Anstoß an dem großen Mann mit den mächtigen Muskelpaketen, auf dessen Arm das verbotene NS-Symbol prangt. Nicht in der „Tattoo-Convention“, schon gar nicht am Stand von „Bulletproof“ („schusssicher“). Für das Tattoo- und Piercingstudio in Munster (Kreis Soltau-Fallingbostel) zeichnen Hannes F. und Marcel U. verantwortlich. Die beiden Kampfsportler mit langjährigen Verbindungen in die militante Neonaziszene haben es bei Hanebuths „Hell’s Angels“ bereits von „Hangarounds“ (Anhängern) zu „Prospects“ gebracht. Nicht nur im Hannoveraner „Charter“, wie die Rocker ihre regionalen Unterorganisationen nennen, hören Hannes F. und Marcel U. auf Hanebuths Kommando, sie arbeiten auch für seine Sicherheitsfirma.
Im Schaufenster ihres Geschäfts an Munsters Haupteinkaufsstraße prangt ein „Support 81“-Plakat. „81“ steht für den achten und ersten Buchstaben im Alphabet, „HA“ für „Hell’s Angels“ und „support“ für „unterstützen“. „Storemanager“ Hannes F. berät hier freundlich die Besucher, „Piercer“ Marcel U. heißt besonders „experimentierfreudige Kunden“ willkommen. Die Mustervorlagen zeigen viele Tattoomotive, wie Neonazis sie mögen: heidnische Götter, Wehrmachtssoldaten und die „Runenkunde“ einer „Kameradschaft“. In den Fotoalben, die nur „eigene Arbeiten“ des Studios zeigen sollen, ist das Bild eines Tattoos, das offenkundig den einstigen Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß porträtieren will.
„Storemanager“ Hannes F. musste sich noch im März dieses Jahres vor dem Landgericht in Halle (Sachsen-Anhalt) verantworten. Der laut Polizei in der Szene „Honey Bunny“ genannte 30-Jährige soll für die „Sektion Niedersachsen“ von „Blood and Honour“ („Blut und Ehre“) gearbeitet haben. Das internationale Netzwerk, das Konzerte rechtsextremer Bands plant und ihre Tonträger vermarktet, ist in Deutschland seit dem Jahr 2000 verboten. Laut Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt hat Hannes F. aber noch 2001 ein „Blood-and-Honour“-Konzert organisiert. Aussteiger berichten, der 30-Jährige habe zudem in der rassistischen Sekte „Artgemeinschaft“ und der militanten „Kameradschaft Hildesheim“ mitgemischt.
Seine Lederweste ist in Rot und Weiß eingefasst. Wegen ihrer „Clubfarben“ werden die „Hell’s Angels“ in der Rockerszene die „Rot-Weißen“ genannt. Die Weste sieht ziemlich ungebraucht aus, noch fehlt auf ihrem Rückenteil das große „Patch“ (Clubemblem): Der geflügelte Totenkopf ist „Fullmembers“ (Vollmitgliedern) der Rockerbande vorbehalten. Auch Marcel U., der in der Szene „Celly“ heißt, trägt auf der „Tattoo-Convention“ seine Sympathie für die „Höllenengel“ auf die Brust geschrieben. Im roten Shirt mit der weißen Aufschrift „Support 81 Hannover“ kümmert sich der 30-Jährige um Besucher, die sich für den „schusssicheren“ Stand interessieren.
Erfahrene Schläger
„Celly“ machte bislang vor allem als Schläger von sich reden. Mehrmals trat er in „Fight Nights“ (Kampfnächten) als „Free Fighter“ (Freikämpfer) auf. Freikämpfe gelten als besonders brutal, weil für sie kaum Regeln gelten und sie Treten, Schlagen, Clinchen und Werfen erlauben. Organisiert haben die Veranstaltungen unter anderem einschlägig bekannte Rechtsextremisten, die einst für „Blood and Honour“ arbeiteten.
Der Gang zwischen den Ständen ist eng, die „Convention“ gut besucht. Ein gedrungener Mann schlängelt sich durch. „Ian Stuart Donaldson Memorial“ ist in weißer Schrift auf sein schwarzes T-Shirt gedruckt. Ian Stuart Donaldson war Sänger der britischen Neonazi-Kultband „Skrewdriver“ und gilt als Gründer von „Blood and Honour“. 1993 verunglückte er tödlich, seither wird ihm in der braunen Szene wohl mehr als jedem anderen „Musiker“ gehuldigt.
Der Mann, der Stuart via Shirt gedenkt, gehört zu den Machern des Standes von „Pit’s Tattoo“. Auch in dem Tätowierstudio in Seesen (Kreis Goslar) können sich Kunden ihre rechte Gesinnung in die Haut stechen lassen. Den Internetauftritt des Tätowierladens hat Inhaber Thomas W. mit dem der Hannoveraner „Hell’s Angels“ verlinkt. Über einen integrierten Laden und einen Onlineshop namens „Ragnarök“ („Endkampf der Götter“) verkauft der 42-Jährige einschlägige Artikel – bis hin zu Aufnähern mit der Aufschrift „KuKluxKlan – Sektion Deutschland“.
Ein zweites Geschäft betreibt Thomas W. in Halberstadt (Sachsen-Anhalt). Im Juli durchsuchten Beamte des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt beide Geschäfte und beschlagnahmten illegale rechtsextreme Propaganda. Neben Artikeln, die verbotene Zeichen wie SS-Runen oder Hakenkreuze zeigen, stellten die Beamten mit Preisschildern versehene Hitlerbüsten sicher.
Auch auf der „Tattoo-Convention“ der Hannoveraner Rocker lässt Thomas W. keinen Zweifel an seiner Gesinnung. Er bietet Aufnäher feil, die ihre Träger als „Nordische Jugend“ ausweisen, und Geldbörsen, auf denen der Schriftzug des Labels „Max H8“ prangt. „H8“ verschlüsselt die Zahl „88“, die in der rechtsextremen Szene für den verbotenen Gruß „Heil Hitler“ steht. Zugleich steht „Max H8“ für „Maximum Hate“ („maximaler Hass“).
Auch das Hildesheimer Studio „Last Resort“ („Letzte Zuflucht“) präsentiert sich bei den Rockern. Studiochef Johannes K. und „Bulletproof“-Manager Hannes F. kennen sich aus „Blood-and-Honour“-Tagen. In dem Prozess in Halle saßen die beiden nebeneinander auf der Anklagebank. Bis heute machen sie offenbar gemeinsam Geschäfte, jedenfalls zeigen sie in ihren Läden in Munster und Hildesheim dieselben Tätowiermuster als „eigene Arbeiten“.
Wie Hannes F. hat Johannes K. offenbar längst bei den „Hell’s Angels“ angeheuert. In seinem „Last Resort“ verkauft er Merchandising-Artikel der Rocker und wirbt für deren „Geschäfte“ im Rotlichtmilieu: „Support Red Light Crew Hannover“ („Unterstütze die Rotlicht-Mannschaft Hannover“) ist auf einem Schild in der Auslage des Ladens zu lesen. Im vergangenen Jahr durfte der 40-Jährige bei der „Tattoo-Convention“ der „Hell’s Angels“ auf der Bühne Platz nehmen und sich als „Jurymitglied“ auf die Suche nach dem besten Aussteller machen.
Johannes K. wird neben Tätowier- reichlich Militärerfahrung nachgesagt. Auf seinen Internetseiten zeigt er nicht nur seinen tätowierten Oberkörper, er posiert auch im Tarnanzug mit einem Scharfschützengewehr. Außer dem Tattoostudio in Hildesheim betreibt der Waffennarr in Munster einen Armyshop mit Namen „Dezentral“. Den preist er als „speziellen Laden – für spezielle Ausrüstung“ an, „von Soldaten, für Soldaten“ heißt es kernig. Als „Combat and Survival School“ („Kampf- und Überlebenstraining“) oder „Warrior Survival School“ („Einzelkämpfer-Überlebenstraining“) bietet der Militärfan unter anderem eine Ausbildung zum „Scharfschützen“ an.
An den paramilitärischen Übungen, die Johannes K. anbietet, nahm mit Sascha B. auch ein Aktivist des „Selbstschutzes Sachsen-Anhalt“ teil. Die militante „Kameradschaft“, die mit ihrem Kürzel „SS-SA“ auf die NS-Zeit anspielt, nennt sich im Internet „nationaler Sicherheitsdienst“ und stellt bei rechtsextremen Veranstaltungen den „Ordnerdienst“.
Mit Neonazi-Sängerin vor der Kamera
Nicht nur der Kontakt Johannes K.s zu Sascha B. legt nahe, dass sich an der rechten Gesinnung des Waffennarren in den vergangenen Jahren wenig geändert haben dürfte: Noch im Frühjahr dieses Jahres posierten Johannes K. und Hannes F. zusammen mit einer Rechtsextremistin aus Kanada vor der Kamera. Die „Liedermacherin“ tritt auf „Blood-and-Honour“-Konzerten in Ländern auf, in denen das Neonazi-Netzwerk nicht verboten ist. Am Stand von Johannes K.s „Last Resort“ auf der „Tattoo-Convention“ arbeitete zudem eine Frau, die an anderen Wochenenden gerne auf rechtsextremen Demonstrationen unterwegs ist – auch in Diensten des „Selbstschutzes Sachsen-Anhalt“.
Am Ende der engen Gänge in der „Steintor Event Hall“ ist klar: Die Besucher der Veranstaltung von Frank Hanebuths „Hell’s Angels“ mögen nicht nur „Support-81“- Ware. Mindestens genauso sehr stehen sie auf Labels der rechtsextremen Szene. Und ebenso klar ist jetzt: Ausnahmen können tatsächlich die Regel bestätigen. Die Hautfarbe des Mannes, der in der Kluft der „Hell’s Angels Hannover“ am Eingang steht, ist schwarz. Er lächelt den Besuchern auch zum Abschied freundlich zu.
Online am: 29.11.2008
Aktualisiert am: 23.11.2015
Inhalt:
- Recherchen im Rockermilieu und den Hell's Angels: Vorbemerkungen
- Einige der Berichte optisch im Überblick
- Das Rechercheprotokoll in neun Abschnitten
- Das ABC der Akteure
- Rocker in Berlin: Mordprozess 2014-2016 ohne Mörder
Tags:
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