Die Berichte von Roland MUSCHEL / Südwest Presse, 16.07.2016

von Roland MUSCHEL

Grün-Schwarz: Geheime Absprachen in Milliardenhöhe

Regierungsparteien haben sich abseits der Öffentlichkeit auf Ausgaben für bevorzugte Projekte festgelegt

In einem Geheimdokument haben sich die Spitze von Grünen und CDU auf Milliardenausgaben verständigt – unabhängig von der Finanzlage.

Stuttgart. Die Verhandlungsführer von Grünen und CDU im Land haben nach Informationen der SÜDWEST PRESSE im Mai neben dem offiziellen Koalitionsvertrag auch ein zwölfseitiges Geheimdokument mit „Nebenabreden“ unterzeichnet. Darin findet sich eine Liste mit 43 Maßnahmen, die „vom Haushaltsvorbehalt ausgenommen“ sind. Laut Zusatzvertrag sollen diese Projekte unabhängig von der Finanzlage des Landes bis 2021 umgesetzt werden.

Im Koalitionsvertrag heißt es dagegen mit Verweis auf die Schuldenbremse, die den Ländern ab 2020 die Aufnahme neuer Kredite verbietet: „Für alle finanzwirksamen Maßnahmen gilt ein Haushaltsvorbehalt.“

Das Geheimdokument, das neun Unterschriften– darunter die von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU) – trägt, fixiert indes konkrete Ausgaben in Höhe von 1,365 Milliarden Euro für einmalige Maßnahmen. Dazu kommen Projekte, die dauerhaft finanziert werden müssen. Letztere schlagen in der Endstufe jährlich mit 754 Millionen Euro zu Buche.

Zu den vereinbarten Einmal-Ausgaben zählen Garantiesummen für Digitalisierung (325 Millionen Euro), Wohnraumförderung (250 Millionen Euro) oder eine bessere Ausstattung der Polizei (100 Millionen Euro); dauerhafte Mehrkosten entstehen durch den neuen Kinderbildungspass (84 Millionen Euro pro Jahr) oder 1500 zusätzliche Polizeistellen (65 Millionen Euro pro Jahr).

Angesichts knapper Mittel könnte diese Priorisierung zu einem strikteren Sparkurs bei Vorhaben führen, die nicht auf der Liste stehen. Gerade erst hat Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) angekündigt, dass die Ministerien in ihren Häusern insgesamt 370 Millionen Euro sparen müssten, um 2017 zu einem ausgeglichenen Jahresetat zu kommen. Für neue Projekte sollen dennoch 150 Millionen Euro bereitstehen – offenbar, um erste Vorhaben der Geheimliste zu finanzieren.

Das Vorgehen der Spitzen von Grünen und CDU dürfte in dieser Dimension bundesweit ohne Beispiel sein, zumal von dem Inhalt des Zusatzdokuments selbst Mitglieder der Regierungsfraktionen keine Kenntnis haben. Dabei obliegt die Verabschiedung des Haushalts dem Landtag.