Warum die Geschichte "Im Zweifel für den Staatsanwalt heißt"


"Die Staatsanwaltschaften in Hannover und Verden haben schwere Verfehlungen des heutigen Hannoveraner Oberstaatsanwalts Uwe GÖRLICH ungeahndet gelassen. Sie drehten und wendeten die Verdachtsmomente, Aussagen, Indizien und Beweise gegen ihren Kollegen so lange, bis sie ihn am Ende nicht mehr anzuklagen brauchten."

So beginnt die Journalistin Christine KRÖGER vom Bremer WESER-Kurier im Mai 2010 ihre Geschichte. Eine Geschichte "Im Zweifel für den Staatsanwalt". Die Geschichte ist zu diesem Zeitpunkt bereits 10 Jahre alt. Anders gesagt: So lange ist es den betroffenen Staatsanwälten gelungen, alles unter den Teppich zu kehren. 

Als die Geschichte dann im Jahr 2010 in der Zeitung zu lesen war, waren die Staatsanwälte sauer. Denn bisher war alles in ihrem Sinne verlaufen. "Ich habe versucht, die Sache klein zu halten, bis jetzt relativ erfolgreich", hatte sich noch der Verdener Oberstaatsanwalt Roland HERRMANN einst notiert:

 

Seinerzeit hatte es einen kleinen Bericht in der Lokalzeitung in Vechta ("Staatsanwalt mit gutem Rotlichtkontakt") sowie einen in Hannover gegeben ("Eine Hand wäscht die andere: Staatsanwalt gewährt Bordellchefin ungewöhnlich viel Hafturlaub"). Doch jetzt stand alles im WESER-Kurier - die ganze Geschichte und die ganz ausführlich. 

Wir haben Sie hier als Dossier 1 dokumentiert. Sie handelt vom Hanoveraner Staatsanwalt Uwe GÖRLICH, der noch heute im Dienst ist. Er wollte damals angeblich gegen "Boxer-Frank" ermitteln. "Boxer-Frank" ist der Spitzname Frank HANEBUTH's, der die mächtigen Hannoveraner "Hell's Angels" anführt und als "Kiez-König" der niedersächsischen Landeshauptstadt gilt.  Görlichs wichtigste Informantin: eine Bordellchefin, die zu diesem Zeitpunkt im Gefängnis saß. Wegen Betrugs.

Die "Ermittlungen" nahmen nicht nur ausgesprochen ungewöhnliche und merkwürdige Formen an. Es kam auch nichts heraus dabei. Außer dass der Behördenleiter der Hannoveraner Staatsanwaltschaft intervenieren musste, weil so einiges aus dem Ruder gelaufen war. Doch anstatt eine objektive Überprüfung dieser merkwürdigen Ermittlungsarbeit z.B. durch eine externe Staatsanwaltschaft zu veranlassen, beauftragte der Leitende Oberstaatsanwalt Manfred WENDT ausgerechnet einen Staatsanwalt aus seiner eigenen Behörde, der teilweise zusammen mit GÖRLICH ermittelt hatte. 

Dass dabei nicht viel herauskommen konnte, verwundert nicht. Wer hat schon Mumm, in einem System den Mund aufzumachen, das vor allem

  • intern von Korpsgeist und bürokratischem Duckmäusertum
  • und nach außen hin von totaler Intransparenz geprägt ist?


Auch als die Ermittlungen gegen Staatsanwalt GÖRLICH später an die Staatsanwaltschaft in Verden übergeben wurden, ergab sich kein anderes Ergebnis: "Das Ermittlungsverfahren gegen Staatsanwalt GÖRLICH ist eingestellt worden", so der Abschlussbericht. 

Nun kann man über ungewöhnliche Methoden bei der Aufklärung lange diskutieren - schwierige Ermittlungen machen öfters 'unkonventionelle' Vorgehensweisen nötig. Doch bei dieser Geschichte geht es um mehr. Z.B. auch um einen abgeschalteten "V-Mann". Der nämlich hatte schon länger intern darauf aufmerksam gemacht, dass bei den fraglichen Ermittlungen so einiges schief liefe. Aber auch, dass hier und da Korruption bei Polizei und Staatsanwälten im Spiel sei. 

Solche Hinweise oder Kritik mögen nach außen hin abgeschottete und intern von Wagenburgmentalität geprägte Systeme nicht. Sie ließen den V-Mann auflaufen, gefährdeten seine "Legende" im Milieu und damit ihn selbst an Leib und Leben, und hängten ihm auch noch ein Strafverfahren an - um ihn mit Hinweis darauf "abschalten" zu können. 

Wie die Journalistin Christine KRÖGER ihre Geschichte 'gemacht' hat, hat sie selbst beschrieben: im Making-of ihrer Recherchen

Für diese Geschichte und die dazu notwendigen Recherchen wurde sie 2011 mit dem renommierten Henri-Nannen-Preis für die "beste investigative Leistung" ausgezeichnet.

Die Geschichte des inzwischen abgeschalteten V-Mannes ist übrigens Bestandteil des Dossier 2: Da hatte der Undercovermann bereits im Jahr 2000 die VW-Spitze auf die wilden Sexparties und Lustreisen der Manager und Betriebsräte hingewiesen. Erfolglos. 

Erst 2005 kam alles ans Tageslicht. Obwohl auch schon Jahre zuvor nochmals ein ganz anderer Whistleblower innerhalb des Konzerns die VW-Spitze, und insbesondere auch den eigentlichen Macher, Ferdinand PIECH, auf vielerlei Dinge aufmerksam gemacht hatte. 
Eine sehr lange Geschichte, die wir an anderer Stelle dokumentiert haben: www.ansTageslicht.de/vw

In KRÖGER's Dossier 3 geht es schließlich um die Bande, auf die der V-Mann angesetzt war, bevor er auch korrupten Ermittlern und VW-Führungskräften auf die Spur kam: die "Hell's Angels" in Hannover. Und es geht um ihren Anführer Frank HANEBUTH, der längst über einflussreiche Fürsprecher und ein unübersichtliches Firmengeflecht verfügt. 
Für ihre Recherchen in diesem Milieu hat die Stiftung "Freiheit der Presse" Christine KRÖGER bereits 2010 mit dem "Wächterpreis der Tagespresse" ausgezeichnet (mehr dazu unter www.ansTageslicht.de/Rocker

Unter Die Dokumente haben wir eine kleine Auswahl an Unterlagen zusammengestellt, die einen kleinen Einblick in den Ermittlungsapparat und dessen Effizienz vermitteln. Dort finden Sie auch ein Organigramm, wie alles miteinander zusammenhängt.

Wenn Sie diese Geschichte direkt aufrufen oder verlinken wollen, so können Sie dies unter www.ansTageslicht.de/Kroeger tun.

 

(JL)