Was das viele "Neue" an der Nowaja Gaseta ist

Das Bild täuscht. Und doch täuscht es nicht. Es ist kein Foto, sondern ein Gemälde, das am Eingangsbereich der kleinen Zeitung prangt:

Wladimir PUTIN, derzeit Präsident der Russischen Föderation, liest die Nowaja Gaseta natürlich nicht offiziell. Aber sicher inoffiziell. Denn zu den regelmäßigen Lesern gehören in Russland vor allem der Staats- und Machtapparat und insbesondere die (vielen) Sicherheitsinstitutionen. Die müssen und wollen wissen, was die Zeitung mal wieder 'ausgebuddelt' und ans Tageslicht gebracht hat - auch wenn darüber öffentlich nicht diskutiert wird:

  • Korruptionsaffären, über die sonst niemand in Russland schreibt oder sendet
  • Verstrickung von Machtapparat und Wirtschaftsunternehmen
  • Selbstbedienung arroganter Staatsbediensteter und Politiker
  • Verletzung von Menschenrechten, z.B. in Tschetschenien
  • und manchmal auch über mutige Richter, die sich ihre Entscheidungen nicht von der "Macht" diktieren lassen, sondern sich an Rechtsnormen und eigentlich geltende Gesetze halten, die es in Russland nämlich gibt.

Solch couragierte Recherchen und Berichte haben derzeit leider ihren 'Preis': Die Nowaja Gaseta hat mehrere Mitarbeiter verloren - sie wurden ermordet. Auf der deutschen Wikipedia-Seite sind sie namentlich mit einer kurzen Biografie aufgeführt.

Die Zeitung besteht seit 1993, als 20 Journalisten des Boulevardblattes  Komsomolskaja Prawda (vergleichbar mit der deutschen BILD-Zeitung) kündigten, um eine eigene, eine "neue" ("nowaja") Zeitung aufzubauen. 

2002 wurde der Zeitung bzw. ihren Machern, also der Redaktion insgesamt, der Gerd-Bucerius-Förderpreis "Freie Presse Osteuropa" zugesprochen. 2006 erhielt sie von der internationalen Organisation "Reporter ohne Grenzen" den Menschenrechtspreis. Das war in jenem Jahr, als Anna POLITKOWSKAJA am 6. Oktober, an PUTIN's Geburtstag, vor ihrer Wohnungstüre erschossen wurde.  

2007 wurde die Zeitung mit dem "Henri-Nannen-Preis" für ihre "Verdienste um die Pressefreiheit" gewürdigt - neben vielen anderen Auszeichnungen.  

Trotz des großen Image - finanziell kann sich die Zeitung nur mit Mühen über Wasser halten. Sie wird von großen und bekannten Unternehmen, auch deutschen Firmen, gemieden, kann sich daher nicht wie viele andere Blätter mit Werbung bzw. Werbeeinnahmen finanzieren.  

Um die Zeitung am Leben zu erhalten, sind 2006 der ehemalige Staatspräsident Michail GORBATSCHOW sowie der russische Oligarch Alexander LEBEDEW mit 49% über eine gemeinsame Stiftung bei der Zeitung eingestiegen - sie wollen die kritische Stimme nicht verstummen lassen. Die Mehrheit der Zeitung, 51%, gehört den Mitarbeitern:

Die Entwicklung der Zeitung haben wir in einer kleinen Chronologie rekonstruiert.  

Über das journalistische Selbstverständnis dieses Blattes sowie über die Frage, ob Aufmerksamkeit im Westen einen gewissen 'Schutz' bedeutet, erfahren Sie in einem Interview mit Nadezhda PRUSENKOWA, der Leiterin der Kommunikation.  

Außerdem haben wir Informationen über einen der ebenfalls mit dem Bucerius-Förderpreis "Freie Presse Osteuropa" zusammengestellt: Interview mit Roman SCHLEJNOW (Roman SHLEYNOV).

Die Aktivitäten von Anna POLITKOWSKAJA haben wir unter Der vergessene Krieg in Tschetschenien dokumentiert.

Das Portrait der "Neuen Zeitung" lässt sich direkt aufrufen und verlinken über www.ansTageslicht.de/NowajaGaseta.