Das Abschreibungs-Dschungelbuch. Geschäfte mit dem Wohnungsbau
So war es Anfang der 80er Jahre in Berlin:
Alte Mietshäuser in der Innenstadt, die man hätte modernisieren und t.w. auch sanieren können, wurden erst entmietet, dann abgerissen. Danach dann neu gebaut: Sozialbauwohnungen.
Für die meisten (Sozial)Mieter wurde es teurer, aber sie bekamen dafür mehr Wohnkomfort: Zentralheizungen, fließend Warmwasser, geflieste Badezimmer u.a. Die Altbauten wurden meistens noch mit Ofenheizungen oder Ölöfen betrieben. Deshalb war vielen Mietern dieser Tausch nur recht.
Viele jungen Menschen allerdings protestierten gegen Leerstand und Abriß. Und besetzten leerstehende Häuser – es entstand die Hausbesetzerbewegung. Der Staat konnte bzw. wollte dies nicht dulden, ließ regelmäßig durchsuchen und letztlich räumen. Es kam zu Demonstrationen, Krawallen und Strassenschlachten. Touristen ließen sich in ihren Reisebussen bevorzugt auch in jene Viertel beispielsweise in Berlin-Kreuzberg kutschieren, in denen es solche besetzte Häuser gab und aus deren Fenstern Protestparolen gegen die Sanierungspolitik des Berliner Senats hingen.
Der Protest richtete sich aber nicht nur gegen die Abrißpolitik. Sondern auch dagegen, was sich danach abspielte. Dass ausgerechnet Besserverdiener, vorzugsweise aus "Westdeutschland" wie das damals hieß, mit dem Neubau von Sozialwohnungen Steuern sparen konnten. Und zwar soviel, dass sie damit "Hauseigentum zum Nulltarif" erwerben konnten. Indem sie ihre Steuern, die sie sonst an das Finanzamt zu zahlen hätten, an sog. Abschreibungsfonds überwiesen. Und dann mittels "Verlustzuweisungen", "Berlin-Abschreibung" und anderen "aufgeblähten Werbungskosten" letztlich Gewinne einfahren konnten.
Wie das alles funktionierte, erklärt dieser Sach-Comic Das Abschreibungs-Dschungelbuch aus dem Jahr 1982. Das Buch ist längst vergriffen. Wir stellen es auf vielfachen Wunsch hier online als eingescanntes PDF. Deshalb ist die Datei groß, über 50 MB, und lässt sich auch downloaden.
Das Buch wollte damals eine Diskussion lostreten. Was auch gelang. Änderungen an diesem paradoxen Finanzierungssystem gab es aber nur teilweise und die nur nach und nach.
Was sonst noch eine Rolle spielte und was aus diesem Finanzierungs- und Subventionssystem wurde und wie man dann nach der Jahrtausendwende damit umgegangen ist, finden Sie hier in anderem Zusammenhang: www.ansTageslicht.de/SWB. Dort speziell in den Kapiteln
- Kosten und "Kosten-Miete". Teil I: die (extrem) hohen Kosten
- Kosten und "Kosten-Miete". Teil II: das Berliner Modell mit Aufwendungshilfen
Eine kürzere Fassung, die auch den Hintergrund der Berlinförderung in den Jahre bis zum Mauerfall berücksichtigt, gibt es im Deutschland-Archiv der Bundeszentrale für politische Bildung: Berlinförderung und Sozialer Wohnungsbau in der "Inselstadt".
Diese Abschreibungs-Dschungelbuch-Site hier lässt sich direkt aufrufen und verlinken mit dem permanenten Link www.ansTageslicht.de/Abschreibungsdschungelbuch.
Hinweise, wie die Politik Wohnen ganz billig machen könnte (wenn sie wollte), gibt es unter www.ansTageslicht.de/billigwohnen.
Egal, was Sie sich anschauen: Viel Spaß beim Lesen wünschen
Johannes Ludwig (alias Micha Ulsen) und Cordula Ludwig (alias Susanne Claassen)
Die anderen Themen zu diesem Themenkomplex Wohnen, Bauen und Kosten:
- "Helikoptergeld" - eine Alternative zur klassischen Kreditfinanzierung
- Sozialer Wohnungsbau Berlin
- "Anleitung zum Betrug"