Andere Länder: Informanten und Whistleblower
Im (angeblich) vereinigten Europa gibt es sehr unterschiedliche (Schutz)Regelungen für Whistleblower und Informanten. In Deutschland beispielsweise gar keine, in Großbritannien vergleichsweise gut funktionierende - je nachdem, welche Maßstäbe man anlegt. Ideale, d.h. für die Whistleblower und die gesamte Gemeinschaft sehr effektiv funktionierende Arrangements gibt es praktisch nirgendwo. Angesichts des Umstands, dass Whistleblower und Informanten unverzichtbare Dienste für die Gesamtgesellschaft leisten, ein Paradoxon.
Wir versuchen, uns bekannt gewordene Fälle zu erfassen. Einmal, um einen Überblick über die Situation in anderen Ländern und Kontinenten zu gewinnen. Und um zu sehen, was wo und wie (nicht) funktioniert. Zum anderen, um festzuhalten, warum was wo zu Ereignissen und Situationen führt, die - eigentlich - keiner will. Z.B. Missstände oder solche, die im Desaster enden. Wir dokumentieren dies in der Hoffnung, dass sich alles - eines Tages - zum Besseren wendet. Diese Seite lässt sich direkt ansteuern und verlinken unter www.ansTageslicht.de/andere
Fehler der Plattform The Intercept: NSA-Whistleblowerin gekündigt
Juni 2017
Hatten russische Hacker versucht, 2016 den US-amerikanischen Wahlausgang zu beeinflussen? Dies wurde immer wieder in der Öffentlichkeit diskutiert - selten mit Belegen.
Die NSA weiß (natürlich) mehr und hat dazu eine klare Meinung: Russische Hacker hatten dies tatsächlich versucht, allerdings ohne Erfolg. Festgehalten in einem 5seitigen Memdaraus eine Geschichte: Top Secret NSA Report Details Russian Hacking Effort Days Before 2016 Election.
Um sicher zu gehen, ob das zugespielte Dokument 'echt' ist, hatte The Intercept zuvor ganz offenbar das Original der NSA zu kommen lassen - mit der Bitte um Verifizierung bzw. ob dies authentisch sei.
Was die Journalisten nicht bedachten: (Auch) Die NSA codiert ihre Dokumente - egal ob in digitaler Form oder ausgedruckt. Letzteres war bisher in dieser Form nicht so klar - man konnte es aber vermuten.
Für die NSA war es nur eine Frage von kurzer Zeit, festzustellen, aus welchem Drucker diese 4c-Kopie stammte und wer dazu Zugang hatte. Und schnell war die Whistleblowerin enttarnt: die 25jährige Reality WINNER. Sie wurde verhaftet, sitzt jetzt in Untersuchungshaft.
Wie die Codierung - mit gelben unsichtbaren Punkten - funktioniert, hat nun der IT-Experte auf der Plattform Errata Security rekonstruiert: How The Intercept Outet Reality WINNER.
Und jetzt wird auch bekannt, dass so gut wie alle großen Drucker-Hersteller sich verpflichtet haben, eine Machine Identification Code (MIC) - software auf jedem Druckgerät zu installieren. Die Bürgerrechtsorganisation EFF - Electronic Frontier Foundation hat eine Liste solcher Drucker erstellt: List of Printers Which Do or Do Not Display Tracking Dots.
Die sollte man beachten. Und ganz generell keine erhaltenen 'Originale' weitergeben. Sondern sicherheitshalber digitale Dateien ausdrucken und neu einscannen, am besten mit schwacher Auflösung und schwarz/weiß. Ebenso bei ausgedruckten Vorlagen. Noch besser ist es, nur wenige Auszüge daraus zu benutzen. Oder am besten: nur daraus mündlich zu zitieren. Verifikation lässt sich auf mehreren Wegen realisieren. Aufpassen muss man in jedem Fall. Detaillierte Hinweise unter www.investigativ.org Kapitel 6.
Whistleblower(in) Chelsea (Bradley) MANNING kommt in den USA frei
Kriegsverbrechen anonym über WikiLeaks öffentlich gemacht, aber danach mit einer unbekannten Person darüber ge-chattet
16. Mai 2017
Das Video über die gezielten Morde durch US-GI's aus einem Helicopter heraus in Bagdad im April 2010 wurde weltweit bekannt: www.collateralmurder.com. Die Kriegsverbrecher kamen unter Barack OBAMAS ungeschoren davon. Einzig der Whistleblower (damals Bradley, heute:) Chelsea MANNING wurde verurteilt: zu 35 Jahren Haft - russische Lagerhaftverhältnisse. Der Bayerische Rundfunk hatte im März ein kleineres Rundfunk-Feature gemacht: Wenn Whistleblowing Gefängnis bedeutet (22 Minuten).
Wenige Tage vor seinem Amtsende hatte OBAMA, unter dessen 8jähriger Ägige mehr Whistleblower und Journalisten unter Druck gerieten und verurteilt wurden als je unter einem anderen Präsidenten zuvor, MANNING nach 7 Jahren begnadigt. Ursprünglich war OBAMA in seinem Wahlkampf 2007 angetreten, um für mehr Transparenz zu sorgen und Whistleblower zu schützen. Er hatte das Gegenteil praktiziert. Deswegen sitzt auch nach wie vor Edward SNOWDEN in Moskau fest, kann sich nur in einem quasi totalitären Staat (einigermaßen) sicher fühlen.
Anlässlich der Freilassung dokumentieren wir hier, was Reporter ohne Grenzen dazu bekannt gibt:
Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert die US-Regierung auf, Chelsea Manning und weitere Whistleblower nicht länger strafrechtlich zu verfolgen. Zwar wird Manning am Mittwoch frühzeitig aus der Haft entlassen, das Urteil bleibt aber bestehen. Mithilfe eines Spionagegesetzes aus dem Jahr 1917 hatte die Regierung unter Barack Obama einen Feldzug gegen Whistleblower wie Manning geführt. Die medienfeindlichen Äußerungen seines Nachfolgers Donald Trump lassen befürchten, dass sich dieser Trend verstärken könnte. Im Januar bezeichnete er Manning als „Verräterin“, die im Gefängnis bleiben sollte (http://t1p.de/2ta8).
„Chelsea Manning kommt endlich frei und bleibt in den Augen der US-Justiz trotzdem eine Verbrecherin. Dass sie mit dem Stigma weiter leben muss, ist eine Schande. Das Urteil gegen die mutige Whistleblowerin muss sofort aufgehoben werden“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Es wird höchste Zeit, dass die Justiz auch die Verfolgung von Jeffrey Sterling und Edward Snowden einstellt. Doch mit dem Regierungswechsel sind Whistleblower in den USA vom Regen in die Traufe geraten.“
Ein US-Militärgericht hatte Manning 2013 zu 35 Jahren Haft verurteilt (http://t1p.de/cnez). Während ihres Militärdienstes in einer Aufklärungseinheit der US-Armee in Kuwait hatte sie unter anderem Hunderttausende geheime Militärdokumente über die Kriege im Irak und in Afghanistan kopiert und der Enthüllungsplattform WikiLeaks zugespielt. Die Enthüllungen stießen eine breite internationale Debatte über die Irak- und Afghanistanpolitik der USA sowie über Exzesse von Militär und Justiz an.
Vor ihrem Prozess verbrachte Manning, die zunächst unter dem Männernamen Bradley bekannt wurde, fast ein Jahr in Einzelhaft. Nach einem Selbstmordversuch im Juli 2016 kam sie erneut in Einzelhaft und versuchte dort ein zweites Mal, sich das Leben zu nehmen (http://t1p.de/tiyc). In einem Begleitschreiben zu der Bitte um Straferlass schildert Manning ausführlich, wie sie nicht zuletzt während ihres Militärdienstes und in der Haft massiv unter der zunehmenden Gewissheit litt, im falschen Körper geboren zu sein und eigentlich als Frau leben zu wollen. Der Militärjustiz trotzte sie erst nach langem Rechtsstreit graduelle Zugeständnisse an ihren Wunsch nach einer Geschlechtsumwandlung ab.
Im Januar gewährte der ehemalige US-Präsident Barack Obama Manning einen Strafnachlass und verkürzte ihre Haftstrafe (http://t1p.de/yygd). Sie wird daher statt im Jahr 2045 bereits am Mittwoch freigelassen. Doch mit der Freilassung ist das Urteil nicht aufgehoben. Im Mai 2016 reichte Manning Berufung gegen ihre Verurteilung ein (http://t1p.de/kura).
HUNDERTJÄHRIGES GESETZ BEDROHT WHISTLEBLOWER BIS HEUTE
Die juristische Verfolgung von Whistleblowern in den USA hatte unter Obama besorgniserregende Ausmaße angenommen. In seiner Amtszeit wurden mindestens acht Whistleblower mit Hilfe eines Spionagegesetzes von 1917 angeklagt, das unter allen Regierungen zuvor in nur drei vergleichbaren Fällen zur Anwendung gekommen war (http://t1p.de/l2tm).
Doch auch unter Obamas Nachfolger Trump ist keine Besserung zu erwarten. Bereits vor seinem Amtsantritt waren Juristen besorgt über die Aussicht, eine medienfeindliche Regierung könnte den Anwendungsbereich des Spionagegesetzes weiter ausweiten (http://t1p.de/emss). Kurz bevor Sean Spicer im Januar neuer Pressesprecher des Weißen Hauses wurde, nannte er die Entscheidung Obamas, Mannings Haftstrafe zu verkürzen, „enttäuschend“. Sie sende eine „beunruhigende Nachricht“ in Bezug auf den Umgang mit vertraulichen Informationen und die Konsequenzen für jene, die Informationen weitergeben (http://t1p.de/2ta8). Manning habe Geheimnisse des Landes verraten.
HAFTSTRAFE WEGEN KONTAKT ZU JOURNALIST
Jeffrey Sterling, ein ehemaliger CIA-Experte für das Atomprogramm des Iran, wurde 2015 in sieben Anklagepunkten der Spionage für schuldig befunden und zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt (http://t1p.de/qzvn). Ein Geschworenengericht verurteilte ihn aufgrund zahlreicher E-Mails und Telefonate mit dem New-York-Times-Journalist James Risen, der 2006 in einem Buch unter anderem eine gescheiterte Geheimdienstaktion gegen Irans Atomprogramm geschildert hatte.
Im Prozess wurde jedoch kein Beweis erbracht, dass Sterling Risens Informant war. Der Inhalt der fraglichen E-Mails und Telefonate blieb größtenteils unbekannt, und Sterling beharrt bis heute auf seiner Unschuld. Somit wurde Sterling letztlich wegen des Umstands verurteilt, dass er regelmäßig in Kontakt mit einem Journalisten stand. Im Februar 2016 übergab ROG dem Weißen Haus mehr als 150.000 Unterschriften die seine Begnadigung forderten (http://t1p.de/xjre).
Dem NSA-Whistleblower Edward Snowden würde im Fall seiner Heimkehr aus dem Exil in Russland eine Anklage nach dem Spionagegesetz drohen. Mitte Januar sagte eine Sprecherin des russischen Außenministeriums, die Aufenthaltsgenehmigung für Snowden sei für „ein paar Jahre“ verlängert worden (http://t1p.de/1vnf). Bis heute ist er auf den Schutz eines repressiven Staates wie Russland angewiesen.
Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit haben sich die USA um zwei Plätze verschlechtert und stehen nun auf Platz 43 von 180 Staaten.
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer / Anne Renzenbrink
presse[at]reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de/presse
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29
Frankreich versucht Whistleblower zu schützen
Die Schweizer Bank UBS setzt(e) Whistleblower unter Druck. Dagegen geht jetzt die Justiz vor im Februar 2017
Die UBS, eine der weltgrößten Verwalterinnen von Vermögenswerten und Geldanlagen, steht auch in Frankreich wegen illegaler Geschäfte und Unterstützung von Steuerflüchtigen unter Druck. Sie musste bisher 1,1 Mrd. € als Kaution hinterlegen bis die Ermittlungen abgeschlossen sind.
Mehrere Whistleblower hatten den französischen Steuerbehörden aus Gründen der Steuergerechtigkeit Informationen zukommen lassen:
- Stephanie GIBAUD. Sie hatte als ehemalige Marketingexpertin Veranstaltungen für Reiche organisiert, um sie mit "Kundenberatern" in Kontakt zu bringen. Die hatten dann mit sehr subtilen Methoden (beschrieben bei SPIEGEL ONLINE) den Kunden Steuerbetrug schmackhaft gemacht. Als sie von ihrer Chefin aufgefordert wurde, die Festplatte zu löschen, tat sie es nicht, sondern übergab die Daten den Steuerbehörden. Und sie trat später als Zeugin auf. Die Ermittler schätzen den Betrugsschaden auf etwa 12 Milliarden.
GIBAUD wurde entlassen, lebt heute mit ihrem Kind von Sozialhilfe. Bereits 2014 hat sie darüber ein Buch veröffentlicht: «La femme qui en savait vraiment trop» - Nicolas FORRISIER, bis 2009 in der Revision der UBS, dann wegen "schwerer Verfehlungen" entlassen - er hatte ebenfalls die französischen Steuerbehörden mit Informationen unterstützt
- Und es gab noch weitere Bankangestellte, die Steuerbetrug aufzudecken mithalfen: Olivier FORGUES, Thomas Le FORESTIER, Serge HUSS.
Jetzt haben die ersten französischen Richter die UBS angeklagt: wegen "moralischer Belästigung" von Nicoals FORRISIER. Hintergrund ist ein neues Whistleblower-Schutzgesetz in Frankreich. Mehr auf der Website des Deutschlandfunks
USA verweigern britischem Whistleblower die Einreise
Craig Murray, der als ehemaliger britischer Diplomat Folterungen in Usbekistan publik gemacht hatte, darf nicht in die USA einreichen
Vom 23. bis 25. September findet in Washington die Konferenz der Sam Adams Associates for Integrity in Intelligence (SAAII) statt. Die SAAII ist ein Zusammenschluss mehrerer ehemaliger Whistleblower aus CIA, NSA, FBI und dem US-amerikanischen Justizministerium: Raymond McGOVERN, Thomas DRAKE, Coleen ROWLEY und Jesselyn RADDACK. Sie loben den Sam Adams Award aus: einen Preis für Whistleblower, benannt nach dem gleichnamigen Whistleblower.
Sam ADAMS hatte als CIA-Mitarbeiter im Vietnamkrieg 1967 die seitens der US-Regierung unter Lyndon B. JOHNSON kommunizierten falschen Zahlen zur Truppenstärke des Vietcong öffentlich korrigiert, indem er die Medien informierte. JOHNSON wollte das Problem in Vietnam herunterspielen. ADAMS blieb unbehelligt, wechselte aber später die Abteilung und war dann für Kambodscha zuständig. Nach seinem Ausscheiden aus dem CIA suchte er Kontakt zu anderen Mitstreitern. Die auf diesem Weg gesammelten weiteren Informationen übergab er 1975 dem Harper's Magazine, die einen großen Bericht daraus machten. Der daraufhin damit befasste Geheimdienstausschuss untersuchte die Vorwürfe und kam zum Ergebnis, dass die Zahlen der US-Regierung bewusst manipuliert worden waren. Soweit zum Namensgeber des Whistleblowerpreises "Sam Adams Award".
Im September soll dieser Preis nun an den ehemaligen CIA-Agenten John KIRIAKOU vergeben werden, der Foltermethoden in den geheimen CIA-Gefängnissen bekannt gemachtr hatte. KIRIAKOU wurde deshalb 2013 verurteilt, inhaftiert und 2015 wieder freigelassen.
Craig MURRAY, der ehemalige britische Botschafter, der aus dem Staatsdienst entlassen worden war, soll die Rede auf KIRIAKOU halten. Nun wird ihm von der US-Botschaft in London das Einreisevisum verweigert. Die Rede wird MURRAY in jedem Fall: via Videoübertragung.
Diese Information stammen zum größten Teil aus der Quelle radio-utopie.de
Anteilige 'Belohnung' für Whistleblower in den USA
SEC zahlt bisher hohe Belohnung aus: 22,5 Mio $
Um einen Anreiz für potenzielle Whistleblower zu setzen, Fälle aufzudecken bzw. den Behörden bekannt zu machen, in denen der amerikanische Bundessstaat durch Schlechtleistung, Betrug oder Korruption geschädigt wird, gibt es in den USA seit 1863 den False Claims Act, seinerzeit durch Abraham LINCOLN als Gesetz installiert. Damals wurde die Armee mit kranken Pferden, nicht funktionsfähiger Munition u.a. von privaten Anbietern beliefert. Seit 1986 ist dieses Gesetz neu aufgelegt worden, nachdem es in den 20iger und 30iger Jahren entschärft wurde. Inzwischen ist es ein gut funktionierendes Instrument für den amerikanischen Bundesstaat. Zwischen 15 und 30% der erfolgreich eingeklagten Schadenssumme wird an Whistleblower ausgezahlt. Nach einer Statistik des US-Justizministeriums waren das seit 1987 bis 2015 rund 33 Mrd. Dollar. Rund 5 Mrd. wurden an die Whistleblower ("Relators") ausgezahlt. Das entspricht im Durchschnitt 15%.
Ein solches Gesetz gibt es auch in vielen US-Bundesstaaten.
Auch die amerikanische Wertpapieraufsichtsbehörde SEC hat seit 2011 ein solches Programm. Seither hat diese Behörde rd. 14.000 Hinweise erhalten: aus den USA, aber auch aus anderen Ländern. Rund 500 Mio $ wurden seither an Bußgeldern einkassiert. 346 Mio wurden an geschädigte Investoren ausgezahlt, 107 Mio an 33 Hinweisgeber.
Jetzt wurde die bisher die zweithöchste Summe ausgegeben: 22,5 Mio $ an einen ehemaligen Mitarbeiter des Chemie- und Agrarkonzerns Monsanto. Der höchste Betrag betrug bisher 30 Mio.
Der angezeigte Missstand bei Monsanto: Das Unternehmen hatte nachträgliche Preisnachlässe nicht in seinen Bilanzen verbucht, die Rechenwerke verfälscht. Konkret: die Umsätze waren zu hoch ausgewiesen, ebenso die Gewinne. In drei Jahren belief sich diese Summe auf 150 Mio €.
Die SEC hat dem Konzern nun außerdem einen externen Kontrolleur aufgebrummt. Außerdem wurden 3 verantwortliche Mitarbeiter mit persönlichen Bußgeldern belegt.
In den USA ist das Instrument finanzieller Belohnungen eine gängige Maßnahme. Sie wird u.a. auch damit begründet, dass Whistleblower nach ihrer Anzeige für den Rest ihres beruflichen Lebens oft verbrannt sind und nicht wieder in ihre Branche einsteigen können - ein überaus schlagkräftiges Instrument, wenn man sich die Schicksale solcher Menschen anschaut.
Das Whistleblower-Netzwerk steht einer solchen Praxis nicht verschlossen gegenüber. Fordert aber, dass (zumindest ein Teil) solcher Entschädigungssummen dann auch in einen Fonds gehen sollten, aus dem Prozesse, denen sich Whistleblower ausgesetzt sehen, finanziert werden können. In Deutschland ist die Mentalität der Politiker und Behörden, bei entstandenen Schäden, diese
- zuzugeben
- zu kommunizieren und
- dann auch wiedergutzumachen
nicht sonderlich ausgeprägt. Dies hängt u.a. mit der spezifischen Eigenperspektive des Staatsapparates zusammen: Der sieht sich vorrangig als eigenständiges System und nicht als Dienstleister für die Bürger. Und ist deswegen von mehr Transparenz wenig begeistert.
Jedenfalls solange nicht, wie der eigentliche Souverän, die Zivilgesellschaft, dies nicht ändert.
Whistleblower-Prozess in Zürich: Rudolf ELMER
23. August 2016
Bekannt geworden war Rudolf ELMER im Februar 2008: zusammen mit der bis dahin unbekannten Plattform WikiLeaks. ELMER hatte als ehemaliger Angestellter einer Tochterfirma der Bär Holding AG in Zürich (die keine Bank ist) auf Cayman Island Dokumente veröffentlicht, die zeigten, wie das schweizerische Bankhaus Julius Bär in Zürich über juristische Umwege Drogenhändlern, korrupten Politikern und Steuerflüchtlingen in der Karibik finanztechnischen Unterschlupf bot. Die Bank ließ die Plattform sperren und die Welt wurde aufmerksam: auf WikiLeaks und Rudolf ELMER.
Seither 'kämpft' ELMER gegen Steuerflucht und Bankgeheimnis. Seine Geschichte ist detailliert rekonstruiert unter www.ansTageslicht.de/Elmer. Folge: Sein Heimatland, die Schweiz und sein ehemaliger Arbeitgeber verfolgen ihn seither strafrechtlich. ELMER musste bereitrs 220 Tage in U-Haft einsitzen. 2015 wurde er wegen Verletzung des schweizerischen Bankgeheimnisses verurteilt. ELMER ging dagegen vor und hatte ein gutes Argument, das die Staatsanwaltschaft und die Richter der 1. Instanz aber unter den Teppich kehrten: ELMER hatte einen Arbeitsvertrag mit der Bank Bär auf der Karibikinsel. Und konnte somit garnicht das Schweizer Bankgeheimnis nicht verletzen.
Das musste nun allerdings das Züricher Obergericht einsehen und ELMER in diesem Punkt freisprechen. Aber ungeschoren davonkommen lassen wollte das Züricher Obergericht den Angeklagten nicht, der immerhin maßgeblich mit dazu beigetragen hat, dass das Schweizer Bankgeheimnis de facto nicht mehr existiert - siehe dazu www.ansTageslicht.de/Bankgeheimnis. Letzteres war immerhin eines der wichtigsten Geschäftsmodelle der Schweiz.
So konzentrierte sich der Gerichtsvorsitzende und Kammerpräsident Peter MARTI auf die Nebenkriegsschauplätze der Staatsanwaltschaft und verurteilte ELMER wegen Drohung, versuchter Nötigung und Urkundenfälschung gegen seinen früheren Arbeitgeber zu 14 Monaten bedingter Haft und einer dreijährigen Bewährungszeit. ELMER muss demnach nicht (mehr) ins Gefängnis. Dafür verhängte Richter Peter MARTI eine andere Strafe:
Um Whistleblowing ging es in dem Verfahren nämlich nicht. Peter MARTI direkt zu ELMER parat: "Sie sind kein Whistleblower, sondern ein ganz gewöhnlicher Krimineller. Ein richtiger Whistleblower steht zu dem, was er gemacht hat, und beruft sich auf Rechtfertigungsgründe."
Und: ELMER habe in seiner Position jahrelang an vorderster Front Offshore-Geschäfte mitorganisiert und gut daran verdient. Er habe die vertraulichen Daten nicht etwa wegen einer inneren Umkehr publik gemacht, sondern aus Wut auf seinen damaligen Arbeitgeber – weil er nicht befördert worden sei. Es handle sich um einen Rachefeldzug gegen die Bank.
Auf den Werdegang zum Whistleblower geht Richter MARTI nicht ein. Bevor man Alaramschlagen kann, muss man nämlich das System, in das man eingebunden ist, erst verstehen, bevor man die Missstände publik machen kann. Und deswegen werden 'System'-Mitarbeiter üblicherweise zwar funktional integriert, aber eben nur in ihren jeweiligen Teilbereichen und nicht über alles Restliche informiert. So funktionieren auch Geheimdienste. ELMER wurde nach und nach befördert und bekam erst nach und nach Einblick in das, was bei Julius BÄR auf Cayman Island eigentlich geschah.
Weil die Schweizer Justiz in Gestalt des Züricher Obergericht von Whistleblowing nicht viel hält, aber ELMER nur auf Nebenkriegsschauplätzen abstrafen kann, hat sich Richter MARTI eine besondere Strafe ausgedacht: ELMER muss den größten Teil der Gerichts- und Ermittlungskosten tragen. Rund 350.000 Franken, wie MARTI vorgerechnet hat. Das soll offenbar ein unmissverständliches Signal an andere potenzielle Whistleblower sein.
Andererseits hat der Richter - wohl unbeabsichtigt - ein Signal in eine ganz andere Richtung gegeben: Steuerflüchtlinge, die ihre Gelder in Ablegern schweizerischer Banken auf Steueroasen bunkern, können nicht mehr davon ausgehen, dass sie durch das Schweizerische Bankgeheimnis geschützt sind.
ELMER wird nun erneut in Berufung gehen. Und vors Schweizerische Bundesgericht ziehen. Auch die Schweizer Justiz weiß, wie man unbotmäßige Landsleute maßregeln kann: übers Geld. So gesehen funktioniert ein anderes Geschäftsmodell der Schweiz noch immer. Auch den Rechtsanwalt und Bankenkritiker der 80er Jahre, Dr. Erich DIEFENBACHER hat die Schweiz damit zwar nicht kleingekriegt, aber ins Exil getrieben: www.ansTageslicht.de/Diefenbacher.
Mehr zum ELMER-Prozess in der NZZ und im Blick.
Whistleblower in Luxembourg: unerwünscht
September 2014 - August 2016
Im Land des Jean-Claude JUNCKER (inzwischen EU-Kommissionspräsident) sind Menschen, die für Sicherheit und Gesundheit oder Transparenz und Steuergerechtigkeit einstehen, nicht gerne gesehen. JUNCKER prägt das Land seit über 30 Jahren wie kein anderer. 1982 zum Staatssekretär für Arbeit und soziale Sicherheit ernannt, von 1989 bis 2009 Finanzminister, unter dessen Ägide weltweite Großkonzerne 'private' Steuerdeals mit dem Ministerium aushandeln konnten, dazu dann von 1995 bis 2013 Premierminister des winzigen Landes, das weniger als 600.000 Einwohner zählt. Aber sich als stiller und beliebter Hort des Steuer- und Bankengeheimnisses bestens zu vermarkten weiß.
In Luxembourg domiziliert auch die Frachtfluggesellschaft Cargulux, die u.a. das längste Flugzeug der Welt besitzt: eine Boeing 747-8F - 77 Meter lang. Am 30. September 2014 kam es auf dem Flughafen Seattle zu einem Vorfall, der seitens der Piloten als 'Sport' gesehen und mit "Wing Wave" bezeichnet wird: Der Pilot schwenkt das Flugzeug beim Starten nach Links und Rechts - als Abschiedsgruss. An diesem Tag jedoch geriet die Wing-Wave-Verabschiedung fast zur Katastrophe, als die linke Tragfläche fast den Boden berührte und es beim Gegensteuern fast zum Trudeln der Maschine kam: Mehr als blanker Leichtsinn.
Planespotter haben das gefilmt und unter YouTube ins Netz gestellt: Cargolux 747-8 freighter (CLX789) delivery- crazy take off and wings swing-bye.
Diesen Vorfall nahm die Leiterin der Luxembourger Luftfahrtbehörde DAC, Christiane WEIDENHAUPT, zum Anlass, dieser Praxis nachzugehen. Sie war zu diesem Zeitpunkt erst 2 Monate im Amt. Mit ihren Ermittlungen machte sie sich allerdings keine Freunde. Insbesondere nicht mit dem luxembourgischen Superbeamten Tom WEISGERBER, dem ersten Regierungsrat im Verkehrsministerium. Der saß nicht nur in den meisten Aufsichts- und Verwaltungsräten aller relevanten staatlichen und halbstaatlichen Infrastrukturgesellschaften des luxembourgischen Flugbetriebs, sonder hatte sich damit auch ein dichtes Netz an zuverlässigen Seilschaften aufgebaut. Mit dem wehrte er sich gegen die Ermittlungen der jungen Amtsleiterin. Erst recht als sie - auch wegen anderer Vorfälle - die Staatsanwaltschaft einschaltete.
Folge: Christiane WEIDENHAUPT wurde als erstes als Präsidentin der Alsa (Agence luxembourgeoise pour la sécurité aérienne) abgewählt, einer Einrichtung, die Sicherheit des Flugverkehrs, die Zertifizierung der Piloten und die Konformität des Flughafenbetriebs zu kontrollieren. Diesen Job hatte WEIDENHAUPT bis dahin zusätzlich inne, verblieb aber nach der Abwahl dort als einfaches Mitglied. Damit nicht genug: Man setzte sie weiter unter Druck. Bis sie im Februar 2015 selbst um Versetzung in eine andere Behörde bat. Jetzt ist sie im Familienministerium untergebracht, wo sie für den Informationsaustausch zwischen unterschiedlichen Gremien zuständig ist.
Sie empfindet dies als Degradierung. Ebenso den Umstand, dass bis heute zwei Disziplinarverfahren gegen sie laufen. Letzteres ist bekanntlich ein probates Mittel für Behörden, unbotmäßige Mitarbeiter zu disziplinieren - weniger um sie zu bestrafen. Erst recht im JUNCKER-Land Luxembourg.
Diesen Vorgang berichtet DER SPIEGEL in seiner Ausgabe 33 v. 13. August 2016, S. 64-65.
LuxLeaks: Whistleblower Antoine DELTOUR und Raphael HALET in Luxembourg verurteilt
29. Juni 2016
Dass Großkonzerne wie Apple, Amazon, Disney, Skype + Google, Pepsi, Ikea und Deutsche Bank und rund 340 andere weltweit bekannte Namen mit den Luxembourger Steuerbehörden sog. Sweethart Deals ausmachen, womit sie ihre Steuerlast auf internationale Einkünfte auf teilweise biw zu unter 1% drücken können, weiß man dank der beiden Whistleblower Antoine DELTOUR und Raphael HALET. Sie hatten 28.000 Dokumente an den französischen Journalisten Edoard PERRAIN weitergegeben, aus denen 548 solcher Sweethart Deals hervorgehen. PERRAIN hatte sie im November 2014 erstmals veröffentlicht. Dann entwickelte sich daraus eine internationale Journalistenkooperation, an der das ICIJ, der NDR und die SZ teilnahmen:
- https://www.icij.org/project/luxembourg-leaks
- http://www.ndr.de/nachrichten/Luxemburg-Leaks,luxleaksindex100.html
DELTOUR und HALET waren Angestellte der WP-Gesellschaft PriceWaterhouseCoopers (PwC), die - ähnlich wie die anderen WP-Gesellschaften auf der einen Seite ihre Kunden beraten, auf der anderen Seite diese 'kontrollieren' (sollen). Wir gut diese nicht vorhandene Aufgabentrennung (nicht) funktioniert, zeigt sich auch - mal wieder - an diesem Beispiel. Bis zu 30 Spezialisten arbeiten in Luxembourg für PwC allein an solchen Deals, die sie dann ihren Kunden vorschlagen.
Rein juristisch sind diese Deals wohl nicht illegal - das Großherzogtum gehört schon seit Langem zu den Steuerparadiesen der Welt und hat auch darfür die gesetzlichen Grundlagen und akzeptierten Praktiken geschaffen - ohne dass die EU oder andere europäische Staaten dies bisher je moniert hätten. Zuständiger Finanzminister und lange Jahre Premier von Luxembourg: der heutige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude JUNCKER (der natürlich von diesen Deals nichts wusste, wie er sagt).
Als moralisch mehr als fragwürdig allerdings darf man diese Praktiken der Konzerne und der luxembourgischen Steuerbehörden, inkl. des dortigen Finanzministeriums wohl bezeichnen. Vermutlich auch als illegitim.
Dies sahen auch die beiden Whistleblower so. Und machten die Welt auf diese verlogenen Praktiken aufmerksam. Von PwC wurden beide auf der Stelle gekündigt. Und PwC stellte Strafanzeige gegen die beiden Whistleblower und den französischen Journalisten.
Nun hat das Gericht entschieden. Die beiden Whistleblower wurden heute wegen Geheimnisverrats und Diebstahls zu Bewährungsstrafen verurteilt sowie 1.500 € bzw. 1.000 € Strafgeld. Für das in Geld- und Steuerfluchtsachen sehr verschwiegene Luxembourg ein glimpfliches Urteil. Der Journalist wurde freigesprochen.
Zu Ende ist die juristische Aufarbeitung noch nicht. PwC hat gegen beide Ex-Mitarbeiter bzw. Whistleblower eine Schadensersatzklage eingereicht. Die beantragte Schadensersatzsumme in beiden Fällen: je 1 (in Worten: einen) Euro. Damit soll aus Sicht der WP-Gesellschaft klargestellt werden, dass beide Whistleblower - juristisch - falsch gehandelt haben.
Die Wirkung(en) dieses Verfahrens sind wohl groß. Auch wenn das aktuelle Strafmaß und die ggfs. eingeklagte Schadensersatzssumme sehr gering ausfällt. Aber: Mit derlei Maßnahmen kann man potenziell andere Whistleblower abschrecken, über mehr als unmoralische Praktiken auszupacken.
Kronzeuge von Dopingagentur verladen
Britische Dopingagentur UKAD verweigert(e) sich: 2015 bis 5. April 2016
Dan STEVENS, ein britischer Rad.Amateur, weiß, dass er nicht sauber ist. Bzw. war. Er wurde auf Doping positiv getestet. Um seine absehbare Strafe zu reduzieren, bot er sich der UKAD als Kronzeuge an. Die wollte seine Hinweise nicht. Und auch nicht die Namen von über 100 Sportlern, die dopen würden. Darunter bekannte Namen.
STEVENS ließ nicht locker. Er ging zu einer der großen Tageszeitungen, der Sunday Times. Die sprang sofort auf das Thema an, beauftragte einen ihrer Journalisten, der - als Manager getarnt - zusammen mit einem Sportler zu dem von STEVENS der UKAD genannten Sportarzt ging: Dr. Mark BONAR.
Heimlich mitgedreht und mitgeschnitten war der Dopingspezialist ausgesprochen redselig, wollte sich offenbar seiner Dienste rühmen, bestätigte unumwunden, dass er viele dope und in welcher Apotrheke man seine Rezepte ohne Probleme einlösen könne. Und er rühmte sich, dass 150 Kunden auf seiner Liste stünden. Der Reporter und sein Lockvogel bekamen auch auf der Stelle Epo und Testosteron verschrieben.
Am 3. April 2016 dann die Veröffentlichung in der Sunday Times (Paywall!). Der Guardian griff das Thema sofort auf: Inquiry ordered after top footballers ‘doped’ by British doctor (keine Paywall). Zeitgleich berichtete auch die ARD in Deutschland.
Jetzt war der Aufschrei groß bei der UKAD. Denn jetzt gibt es eine staatliche Untersuchung. Und jetzt gerät der Fokus auch auf mehrere Top-Fussballer und Fußballvereine, z.B. den FC Chelsea und Leicester City. Dopingarzt BONAR hatte auch hier in seiner Redseligkeit Namen genannt.
Lessons learnt:
- Staatliche Behörden und sonstige Aufsichtsorgane versagen (sehr) oft.
- Was weiterhilft sind Medien und Öffentlichkeit.
Doping in Russland: Whistleblowerin darf wieder an Leichtathletik-Wettbewerben teilnehmen
Dezember 2014, 1. Januar 2016
Für Julia STEPANOWA, innerhalb eines Jahres insgesamt 7 Male umgezogen bzw. aus Moskau geflüchtet und jetzt in Berlin wohnhaft, beginnt das Neue Jahr 2016 gut: Sie darf jetzt wieder mitmachen. Nach zweijähriger Sperre.
2013 war die international erfolgreiche russische Läuferin bei einem Wettkampf aufgeflogen und wurde für 2 Jahre gesperrt. Sie sah ihr Fehlverhalten ein, ging zurück nach Moskau und machte zum Schein weiter als sei nichts gewesen. Zusammen mit ihrem Ehemann Witali STEPANOW, Mitarbeiter bei der russischen Anti-Doping-Agentur Rusada, sammelte sie Informationen und Dokumente und filmte heimlich, wie Doping inoffiziell offiziell praktiziert wurde. Und gab ihre Unterlagen an die Welt-Ant-Doping-Agentur Wada weiter. Die allerdings konnte und wollte damit nichts anfangen - die Anti-Doping-Funktionäre verwiesen Julia SPETANOWA an das Deutsche Fernsehen. Hajo SEPPELT, Investigativjournalist beim WDR und langähriger Aufklärer in Sachen Doping, machte eine Dokumentation daraus, die am 3. Dezember 2014 zu sehen war: Geheimsache Doping. Wie Russland seine Sieger macht.
Der Whistleblowerakt, verbunden mit der Flucht aus Russland, und die Veröffentlichung im deutschen TV, die anschließende Debatte in den deutschen und internationalen Medien, löste dann doch noch ein Erdbeben aus. Unzählige russische Sportler wurden gesperrt, der russische Cheftrainer musste abtreten sowie einige Rusada-Funktionäre ebenfalls. Nicht genug der Folgen: Jetzt steht sogar die Teilnahme der russischen Leichtathletikmannschaft bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro im August dieses Jahres zur Diskussion.
Ein Jahr später, im Dezember 2015, lässt die Sportlerin und Whistleblowerin die Geschehnisse nocheinmal Revue passieren: in einer Sendung der Sportschau und einem Gespräch mit der FAZ. Sie seien "neue Wege im Whistleblowing gegangen", so Julia STEPANOWA. Eine Übersicht der vielen Beiträge von Hajo SEPPELT gibt es auf der Website der Sportschau: Geheimsache Doping.
US-Drohnen töten vor allem Zivilisten
Oktober 2015: TheIntercept veröffentlicht Drohnendokumente
Glenn GREENWALD's Internetseite The Intercept hat von einem Whistleblower aus dem Geheimdienstbereich geheime "Drohnenpapiere" zugespielt bekommen:https://theintercept.com/drone-papers. Aus denen geht hervor, dass bei den völkerrechtlich illegalen Drohnenkillerkommandos v.a. Zivilisten zum Opfer werden. Beispiel: Im Zusammenhang mit einer Operation namens "Operation Haymaker" sind zwischen Januar 2012 und Februar 2013 bei Angriffen mit Kampfdrohnen mehr als 200 Menschen getötet. Darunter waren 'nur' 35 gezielte Tötungen geplant. Die Opfer werden, gezielt oder bewusst in Kauf genommen, in der Militärstatistik als "im Kampf getötete Feinde" gezählt.
Bereits 2012 hatte der US-Journalist Daniel KLAIDMANN in seinem Buch "Kill or Capture" derlei Details dieses Programms ans Tageslicht gebracht, das von George W. BUSH initiiert worden war. Unter Präsident OBAMA, dem Friedensnobelpreisträger des Jahres 2009 ("für seine außergewöhnlichen Bemühungen, die internationale Diplomatie und die Zusammenarbeit zwischen den Völkern zu stärken") wurden diese Einsätze bis heute ver - 4 - facht, wie der Berliner Tagesspiegel den Experten für Menschenrechtsfragen in der internat. Sicherheitspolitik vom Deutschen Institut für Menschenrechte, Wolfgang S. HEINZ, zitiert.
Die Schweiz: auf dem Weg zum Whistleblower-Schutz?
Juli 2015
Im Kanton Zug, wo Hunderte weltweit tätige Holdings ihren Sitz bzw. Briefkasten haben, wurde zum 1.1. 2014 das Personalgesetz geändert. NEU: mit den jetzt veröffentlichten Ausführungsbestimmungen wird das Recht für öffentlich Bedienstete geschaffen, "verwaltungsinterne Missstände" zu melden - mit Schutz für die Meldenden.
Man wird sehen, ob dieses interne Whistleblowing funktionieren wird: für die Beseitigung der Misstände und die Whistleblower. Der Kanton Zug ist einer von insgesamt 26 teilsouveränen Kantonen. Das Whistleblower-Netzwerk wird die Entwicklung im Auge behalten
Mai 2015:
Die schweizerische NGO "Ethics and Compliance Switzerland" (ECS), die von Unternehmen wie ABB, Bayer Consumer Care, Basel Institute on Governance, KPMG, Nestle, Landy + Gyr, Swisscom und Zürich Versicherung getragen wird und sich der Entwicklung von Compliance-Regeln verschrieben hat, hat Empfehlungen zu einer Vorlage zum Whistleblowerschutz gemacht, den das Schweizer Parlament im Mai 2015 vorgelegt hat.
Der Arbeitskreis ECS erhebt in seinem White Paper Forderungen, die zukunftweisend sein könnten. So wird beispielsweise kritisiert, dass potenzielle Whistleblower beim Vorhandensein eines internen Hinweisgebersystems nicht die Möglichkeit haben, sich an eine externe Behörde zu wenden. Und es ihnen auch nicht gestattet ist, sich im Fall einer erfolglosen Meldung an eine offizielle Stelle an die Medien gehen zu dürfen.
ECS fordert nun, dass einem Whistleblower alle Wege offen stehen müssen. Und dass Sanktionen oder sonstige Vergeltungsmaßnahmen "Null und Nichtig" ("null and void") sein sollten. Die Forderungen sind in dem ECS-Entwurf allerdings auf den "privaten Sektor" begrenzt. Möglicherweise eine Strategie, um später funktionierende Regelungen auch auf den öffentlichen Sektor übertragen zu können?
USA: Land der Whistleblower-Regelungen. Ausnahmebereiche: Militär und Nationale Sicherheit
Automobil-Konzern General Motors: 13 Jahre lang keine Whistleblower - jetzt sind Whistleblower erwünscht
Kaum im Amt als General Motor's Vorstandsvorsitzende war Mary BARRA im Frühjahr 2014 wenige Wochen später unter Druck geraten: Der Branchenriese musste sich seiner Verantwortung stellen, seit 2001 defekte Zündschlösser in seine KFZ's eingebaut zu haben. Das Problem: Unbeabsichtigtes Berühren z.B. mit dem Knie ließ den Zündschlüssel auf "Aus" zurücksetzen. Folge: Der Motor setzte auf der Stelle aus und ebenso die Bordelektronik. Damit versagten hyraulische Lenkung, Bremsen und auch der Airbag. Anschlussfolgen: 109 Autofahrer nebst Insassen verunglückten tödlich. Knapp 150 sind (nur) verletzt. So die bisherige Statistik des von GM beauftragten Rechtsanwalts Kenneth FEINBERG. Insgesamt sind bei GM über 4.000 Entschädigungsforderungen eingegangen (Stand Juni 2015).
General Motors (GM) musste mehrere Rückrufaktionen starten und Zündschlösser ersetzen: in 30.400.000 Autos (30,4 Millionen). Auslöser der Aktion: Ein Staatsanwalt aus Texas hatte mitbekommen und öffentlich gemacht, dass GM Zündschlösser in ungewöhnlich großen Mengen nachbestellt hatte. Er hatte damit eine Lawine losgetreten, denn jetzt wurde auch die US-amerikanische "National Highway Traffic Safety Administration" (NHTSA) auf das Problem aufmerksam. Automobilunternehmen und Zulieferer sind verpflichtet innerhalb 5 Tagen Meldung zu erstatten, wenn Sicherheitsprobleme bekannt werden. GM hatte nicht gemeldet.
Bisherige Schadensbilanz:
Die Rückrufaktionen schlagen mit rd. 3 Mrd. Dollar zu Buch. Das Justizministerium prüft eine Strafzahlung von über 1 Mrd. Dollar. Das Bußgeld an die NHTS nimmt sich dagegen vergleichsweise bescheiden aus: (nur) 35 Millionen. Dazu gesellen sich über 230 zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche. Kalkuliert wurden bisher (nur) 600 Millionen. Grund: Um einen (erneuten) Konkurs zu verhindern, hat ein Bundesrichter nach Chapter 11 des US-amerikanischen Insolvenzrechts im Mai 2015 entschieden, dass GM nur noch für die beschädigten Fahrzeuge haften muss. Der Konzern stehe nach wir vor unter dem Schutz vor Konkurs. Zur Einnerung: 2009 hatte die US-Regierung den Autokoloss (Tochter-Produkte: Opel, Saab) als Folge der Finanzkrise mehrheitlich übernommen, inzwischen aber wieder privatisiert. So kann sich GM - nach derzeitigem Stand der Dinge - die meisten Schadenssersatzansprüche umgehen.
Der Paradigmenwechsel:
Mary BARRA, die erste Frau an der Spitze des Traditionsunternehmens, musste schnell handeln, um die Altlast zu managen. Vor dem Kongress gab sie sich in einem dazu angesetzten Hearing ausgesprochen wütend über die Fehler und insbesondere die Wegschaukultur bei GM. Sie hatte sofort auch eine interne Untersuchung in Auftrag gegeben und damit nicht die eigene Revisionsabteilung beauftragt, sondern Anton R. VALUKAS, einen bekannten Rechtsanwalt, der zeitweise auch als US-Bundesanwalt tätig war und beispielsweise die Pleite des Bankhauses Lehman Brothers 2009 untersucht hatte. Der hatte in einer 325seitige Analyse viele Schwachstellen, Probleme und Fehler ausgemacht, die sich zusammengefasst so komprimieren lassen:
- Bürokratische Probleme in der Organisationsstruktur,
- die es Mitarbeitern erschweren, Fehler und Sicherheitsprobleme zu benennen, weil sie verunsichert sind.
- Individuelles Fehlverhalten, trotzdem keine Hinweise auf potenzielle Sicherheitsprobleme weiter gegeben zu haben.
Und dies entspräche der traditionellen GM-Kultur: Immer alles abnicken ("GM-Kopfnicken"), nicht negativ auffallen und deshalb keinerlei 'unangenehmen' Hinweise an die übergeordneten Vorgesetzten weitergeben. In Arbeitsbesprechungen, Meetings, Konferenzen usw. waren sich alle immer einige, dass etwas getan werden müsse. Und darüber, dass man selbst keine Eigeninitiative ergreifen müsse. "Niemand war daher für eine Entscheidung verantwortlich", so VALUKAS.
Kurz danach, im Juni 2014, also vor einem Jahr, rief Mary BARRA, die Belegschaft zusammen. Und verkündete in einer viel beachteten Ansprache eine völlig neue Unternehmenskultur:
- Hinweisgeber sind erwünscht, weil notwendig.
- Wenn notwendig, kann, darf, soll, muss jeder auch sie selbst direkt ansprechen.
- Dazu gebe es ab sofort das Programm "Speak-uo-for-Safety" bzw. eine entsprechende Hotline. Für die sind jetzt 300 (!) MItarbeiter im Einsatz: für wütende Kunden, die sich über die Rückrufaktion ärgern, aber auch für die Mitarbeiter, wenn die doch lieber irgendetwas anonym melden wollen.
- Und ab sofort wird die Qualitätssicherungsabteilung direkt dem Vizepräsidenten für Fahrzeugsicherheit untergeordnet - mehrere 'Etagen' höher als bisher - und mit 60 Produkttestern besetzt.
Um Nägel mit Köpfen zu machen, mussten alle 300 Top-Manager von GM Rapport erstatten, welche bisherigen Regelungen und Kommunikationsstrukturen dieser neuen Kultur im Wege stehen. Und: In Meetings, Teambesprechungen, Konferenzen soll jetzt immer alles auf den Tisch kommen - ein Paradigmenwechsel der Kultur, die Zeit benötigt. Sofortmaßnahmen sind notwendig, aber meist nur eine Notlösung. Die Umstellung auf das nachhaltigere Konzept, einen Kulturwandel, dauert - leider - länger, denn er muus in den Köpfen der Menschen stattfinden. Ob das gelingen kann, ist auch Gegenstand eines größeren Beitrags im Harvard Business Review: Can GM Make it Safe for Employees to Speak Up?, in dem auch die bekannte Managementprofessorin Amy C. EDMONDSON zu Wort kommt, der sich mit Untersuchungen zum Thema Sicherheit und Qualität befasst.
Luxembourg als Briefkasten und Geldwäscheanstalt für Großkonzerne: "LuxLeaks"
2014: Antoine DELTOUR, Mitarbeiter PwC (Pricewaterhouse Coopers), Luxembourg
Dass auch in Europa Großkonzerne wie Amazon, Apple, Coca Cola, Deutsche Bank, E.ON oder google und andere seit November 2014 ebenfalls als Steuerhinterzieher ins öffentliche Gerede kamen und eine grenzüberschreitende Diskussion über Steuergerechtigkeit und Staatsverschuldung auslösten, geht auf Antoine DELTOUR zurück, einem (derzeit) 28jährigen engagierten Mitarbeiter bei der weltweit agierenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC. DELTOUR wollte sich weiterbilden, nahm sich dazu Originalunterlagen seines Arbeitgebers vor, stieß auf die merkwürdigen Absprachen der von seinem Unternehmen betreuten Konzerne mit den Luxembourger Behörden und kopierte auch diese Dokumente. Sein Gerechtigkeitsgefühl signalisierte ihm, dass dies nicht fair sein könne. Dies war im Jahr 2010.
Ein Jahr später wurde er von dem französischen Journalisten Edouard PEERIN kontaktiert. DELTOUR vertraute ihm die Dokumente an, der diese wiederum im Mai 2012 im französischen TV-Format "Cash Investigation" für seinen TV-Bericht "Tax Havens: The litte secret of big companies" benutzte. Inhalt: Unter dem ehemaligen luxembourgischen Finanzminister, späteren MP von Luxembourg und heutigen Präsidenten der EU-Kommission, Jean-Claude JUNCKER, gewährte der Kleinstaat großen Kunden enorme Geld- und Steuervorteile durch fragwürdige Vereinbarungen und Zugeständnissen mit den Konzernen. PwC stellte daraufhin Anzeige. Die öffentliche Wahrnehmung dieses Vorgangs blieb auf Frankreich begrenzt.
Der Journalist Edouard PERRIN reichte die Unterlagen an die internationale investigative Journalistenorganisation ICIJ (International Consortium of Investigative Journalists) weiter, die durch die Veröffentlichungen über Offshore-Leaks im April 2013 weltweit bekannt geworden war. Damals hatten 86 Journalisten aus 46 Ländern Dokumente ausgewertet und eine internationale Debatte über Steuerflucht, Steuergerechtigkeit und Staatsverschuldung in Gang gesetzt. Und insbesondere auch konservative Politiker, die eher Freunde als Kritiker großer Unternehmen sind, zum Handeln gezwungen.
Nun, seit April 2014 nahmen sich 80 Journalisten aus 26 Ländern die rund 28.000 Dokumente vor, um sie auszuwerten - Unterlagen, die von Antoine DELTOUR, aber inzwischen auch von anderen Whistleblowern stammten. Im November 2014 dann die zeitgleiche Publikation weltweit unter dem Label LuxLeaks, in Deutschland getragen von NDR, SZ und WDR. Sie setzten erneut eine öffentliche Diskussion über den dringenden Harmonisierungsbedarf von internationalen Steuerregeln in Gang, in deren Mittelpunkt aber auch die (angekratzte) Glaubwürdigkeit und Integrität des gerade eben erst ernannten EU-Kommissars Jean-Claude JUNCKER stand. Der hat die Kritik (bisher) überstanden.
Anders Antoine DELTOUR. Er ist inzwischen in Luxembourg des Verrats von Geschäftsgeheimnissen angeklagt. Seit April 2015 steht nun auch Edouard PERRIN im Visier: als Co-Autor der Enthüllungen will in die Justiz nun ebenfalls auf die Anklagebank bringen.
In Deutschland wäre zumindest der Journalist strafrechtlich geschützt: Mit dem juristischen Trick von Staatsanwälten, konkret mit dem Vorwurf des Tatbestands "Beihilfe", etwa zum Geheimnisverrat, dürfen Journalisten nicht mehr belangt werden, so das Bundesverfassungsgericht.
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Dies ist die aktuelle Chronik, in der wir alle relevanten Ereignisse und Vorgänge dokumentieren: alles zusammengefasst, was Sie t.w. detaillierter in den anderen Unterseiten finden. Konkret: Hier der Überblick, der eine Art Seismograph darstellt, dort dann mehr Einzelheiten und Hintergrund.
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