Die Berichte des Tölzer Kurier, 24.03.2017

von Christiane MÜHLBAUER

Kläranlage läuft verkleinert

Genehmigung vom Wasserwirtschaftsamt Weilheim – „Der deutliche Rückgang ist uns nicht erklärlich“

Benediktbeuern/Bichl/Sindelsdorf – Die Kläranlage von Benediktbeuern, Bichl und Sindelsdorf läuft seit wenigen Tagen im verkleinerten Betrieb. Das bestätigt das Wasserwirtschaftsamt (WWA) in Weilheim auf Nachfrage unserer Zeitung. „Uns wurde ein rechnerischer Nachweis vorgelegt, dass die Kläranlage mit einer Belastung von bis zu 8500 Einwohnergleichwerten die geforderten Ablaufwerte einhalten kann“, teilt Baudirektor Johannes Riedl mit. Die Anlage läuft jetzt, so nennt man es im Fachjargon, „einstraßig“. Sie wurde aber für einen zweistraßigen Betrieb gebaut und bislang auch so unterhalten.

Wie berichtet, ist es in der Kläranlage und in der Kämmerei im Rathaus Benediktbeuern in den vergangenen Jahren allem Anschein nach zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Weil mehrere Schlüssel in Umlauf waren, soll es zu unkontrollierten Fäkalien- Fremdeinleitungen gekommen sein. Der ehemalige Klärwerksleiter wurde versetzt. Mittlerweile kümmert sich eine externe Fachfirma um den Betrieb der Anlage. Der Tölzer Kurier hat jetzt beim WWA einige Vorgänge kritisch hinterfragt. Es geht darum, ob die im Jahr 2010 eingeweihte neue Kläranlage möglicherweise zu groß gebaut wurde.
Um die Sache verstehen zu können, muss man sich mit sogenannten Einwohnergleichwerten beschäftigen.

Sie sind in der Wasserwirtschaft ein Referenzwert für die Schmutzfracht. Für diese Kläranlage (bezogen auf 6900 Einwohner aus Benediktbeuern, Bichl und Sindelsdorf) liegt der Einwohnergleichwert (EW) derzeit bei 14 500. Das ist sehr hoch. Zwei Beispiele zum Vergleich: Für Kochel- Schlehdorf (5276 Einwohner) gelten 8400 EW. Für Oberammergau (5400 Einwohner) gelten 13 000 EW – und zwar inklusive Festspielbesucher.

Wie hat das Wasserwirtschaftsamt vor einigen Jahren die Einwohnergleichwerte für diese Anlage ermittelt? Baudirektor Riedl erklärt das anhand eines Beispiels: „Das Abwasser, das ein Einwohner pro Tag erzeugt, hat einen biochemischen Sauerstoffbedarf (CSB) von 120 Gramm Sauerstoff (O2). Wird nun am Zulauf der Kläranlage ein CSB von 1800 Kilogramm O2 pro Tag gemessen, entspricht das 15 000 EW“, rechnet Riedl vor, indem er 1800 durch 0,120 teilt (= 15 000). Maßgebend für die Auslegung der Kläranlage sei aber nicht der höchste gemessene Wert, sondern ein Wert, der in 85 Prozent aller Messungen unterschritten werde. „Die Auswertungen ergaben je nach Parameter Belastungen zwischen 11 000 und 15 000 EW“, so Riedl weiter. „Die Ausbaugröße wurde mit 12 000 EW festgelegt und mit dem Anschluss von Sindelsdorf auf 14 500 EW erhöht.“
Allerdings: Der an der Anlage gemessene biochemische Sauerstoffbedarf (CSB) von 1.800 Kilogramm Sauerstoff am Tag ist sehr hoch. Warum wurde das Amt damals nicht skeptisch und hat diesen Wert hinterfragt? Riedl: „Die hohen und sehr schwankenden Werte bei verschiedenen Parametern wurden von uns kritisch hinterfragt.“ Das WWA erklärt sich die hohen Werte mit hohen Ablagerungen im flachen Kanalnetz, die bei Regenwetter als Spülstoß ankommen. „Diese Erklärungen waren und sind für uns plausibel.“

Wie lange hat das Amt die Bemessungen im Zulauf zur Anlage eigentlich durchgeführt? Laut Riedl wurden vom damaligen Ingenieurbüro Betriebsauswertungen aus den Jahren 1999, 2000, 2001 und 2004 herangezogen. „Die Auswertungen liefen über mehrere Monate, bis zu einem Jahr. Ergänzend dazu wurde ein Intensiv-Messprogramm über zwei Wochen durchgeführt.“ Die Ergebnisse, so Riedl weiter, „erschienen uns zunächst auch sehr hoch und wir haben lange gerätselt, woher diese Werte aus den Betriebsaufzeichnungen rühren“. Dass die Probenahme in Ordnung war, hätten Ingenieurbüro und Betriebspersonal bestätigt. Allerdings: Kläranlagen unterliegen der Eigenüberwachung der Kommune. „Die Ermittlung der Betriebsparameter erfolgt in eigener Verantwortung“, sagt Riedl. Seit dem Jahr 2011 werden laut Riedl in dieser Anlage im Jahresdurchschnitt Belastungen zwischen 6500 und 8700 EW gemessen. „Der deutliche Rückgang ist uns nicht erklärlich“, sagt der Baudirektor. „Mit dem Austausch der Schlüssel und der Unterbindung von Fremdzutritten kann dies eher nicht in Verbindung gebracht werden, da Fremdeinleitungen mit der Zulaufmessung nicht erfasst werden.“

Nach Recherchen unserer Zeitung hat es in den vergangenen Jahren dort aber technische Probleme gegeben. Der Probenehmer am Zulauf war über einen längeren Zeitraum nicht betriebsfähig. Was sagt das WWA dazu? „Der Betreiber einer Kläranlage ist verpflichtet, die verwendeten Messgeräte regelmäßig zu überprüfen beziehungsweise überprüfen zu lassen“, sagt Riedl. „Verantwortlich hierfür ist das Kläranlagenpersonal.“ Die amtliche Überwachung am Ablauf werde mit eigenen Probenehmern durchgeführt. Und wie geht es jetzt weiter? Wenn die Kläranlage auch im kleineren Stil betrieben werden kann, sind dann zum Beispiel Rückbau-Maßnahmen erforderlich? Riedl verneint. „Unserer Einschätzung nach fallen für die Umstellung keine Kosten an, sondern es werden eher Kosten für die Belüftung des zweiten Beckens eingespart.“