Die Berichte der Sächsischen Zeitung, 10.11.2015

6 000 Dresdner protestieren gegen Pegida

Pegida demonstrierte am Jahrestag der Reichspogromnacht auf dem Theaterplatz. Darum hatte es im Vorfeld eine heftige Debatte gegeben.

    
Bis zu 8 500 Menschen haben laut der Studentengruppe "Durchgezählt" gestern an der Pegida-Demonstration auf dem Theaterplatz teilgenommen. Erstmals in diesem Jahr liefen die Demonstranten schweigend durch die Innenstadt. Pegida-Chef Lutz Bachmann hatte zu einem Mahn-Spaziergang aufgerufen. Tatjana Festerling sagte: "Wir erklären am 9. November 2015 den deutschen Schuldkomplex offiziell für beendet [...] Lasst die Vergangenheit in Ruhe".

Parallel fand eine Kundgebung der Inititaive "Herz statt Hetze" mit bis zu 6 000 Teilnehmern statt. Hanno Schmidt, ein früherer Pfarrer, sagte mit Blick auf Pegida: "Hitler war nicht an allem schuld, sondern die, die ihm damals hintergelaufen sind."

Nora Goldenbogen, die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, erklärte, noch nie ein so erschreckendes Gefühl an diesem Gedenktag verspürt zu haben, weil bei der nicht weit entfernten Pegida-Demo schlimme Worte fallen würden, wie Volksverräter und Volksschädling. Dies sei die Sprache der Nazis und Sprache spiegele immer den Geist. Neben der Demo "Herz statt Hetze" zeigten die Künstler Gregor Merten und Carmen Dietrich vor dem Pegida-Aufmarsch eine besondere Form des Protests. Die Initiatoren der Aktion "Engel der Kulturen" legten tausend 50-Cent-Münzen zu einem großen "Schämt Euch"-Schriftzug auf dem Theaterplatz aus, einer Parole der Pegida-Teilnehmer. Dass die asylfeindliche Demo ausgerechnet am Jahrestag der Reichspogromnacht am Theaterplatz stattfand, hatte für Kritik gesorgt. Kunstministerin Eva-Maria Stange (SPD) schrieb an OB Dirk Hilbert (FDP), er möge alle Möglichkeiten prüfen, "um weiteren Schaden von den Kultureinrichtungen, aber vor allem von der Stadt Dresden und dem Land Sachsen abzuwenden". Das Versammlungsgesetz lasse nur begrenzt Einschränkungen zu, dennoch habe sie den Eindruck, dass diese in Dresden nicht ausreichend geprüft und genutzt würden. Die Musikgruppe Banda Comunale verzichtete wegen der von der Stadt auf dem Theaterplatz genehmigten Pegida-Demo auf die Verleihungsfeier des Sächsischen Förderpreises für Demokratie.

Auch die Grünen kritisierten die Entscheidung, Pegida den Theaterplatz zu überlassen. "Angesichts des heutigen Datums wäre mehr Feingefühl angebracht gewesen", so Fraktionschefin Christiane Filius-Jehne. Das Rathaus weist die Vorwürfe zurück. "Was von der Bühne herab gesagt wird, widert mich genauso an, wie viele andere in diesem Land", sagte OB Hilbert mit Blick auf die Pegida-Redner. Er werde aber das Grundgesetz nicht wegen eines moralischen Schadens oder Imageverlust außer Kraft setzen. Die Demokratie sei in der Lage, auch diese Auswüchse zu ertragen. Außerdem hätten jene, die jetzt ein Demo-Verbot gefordert haben, bereits vor Wochen selbst eine Kundgebung auf dem Theaterplatz anmelden können.

Ordnungsamtschef Ralf Lübs ergänzte, dass sich die Behörde mit "Herz statt Hetze" einvernehmlich auf die Route über den Neumarkt und die Synagoge geeinigt hätte. Dass in Leipzig nur eine stationäre Demo erlaubt war, liege daran, dass es dort eine Einigung mit dem Pegida-Ableger Legida gegeben habe. Die Stadt München hatte versucht, die dortige Pegida-Demo an der Münchner Freiheit zu verbieten. "Hetzerische Thesen und antisemitische Provokationen" wurden befürchtet, außerdem sollte an diesem Gedenktag "die Würde der Opfer des NS-Regimes" geschützt werden. Das Verwaltungsgericht kippte das Verbot. Pegida durfte auch dort demonstrieren.