Die Berichte der Sächsischen Zeitung, 04.11.2014

Ein Spaziergang für die Rettung des Abendlandes

In Dresden entsteht offenbar eine neue Bewegung. Sie warnt vor Salafisten. Gegner werfen ihnen Rassismus vor.


Es geht um die Erhaltung der abendländischen Kultur an der "Käseglocke" auf dem Dresdner Postplatz. Hier trafen sich gestern Abend nach Polizeiangaben etwa 1 000 Anhänger einer Initiative, die sich Pegida nennt - "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Gewaltfrei und vereint wolle man sich gegen "Glaubens- und Stellvertreterkriege auf deutschem Boden" einsetzen. Das sagt der Sprecher Lutz Bachmann zu Beginn des dritten Abendspaziergangs, wie er die Demo nennt, auf der man "friedlich, schweigsam und andächtig" bleiben wolle.

Aber ganz ohne Worte geht es auf keiner Demo zu, auch gestern Abend nicht. "Wir sind das Volk" - der Satz, der vor 25 Jahren Mitauslöser großer gesellschaftlicher Veränderungen auch in Dresden war, fällt schon in der Eröffnungsrede fast ein halbes Dutzend Mal. Die Rede ist von "bedauernswerten Flüchtlingen" und "kriminellen Ausländern", die raus sollen. Und es geht darum, dass man sich offenbar total falsch verstanden fühlt von den Medien. Deshalb die Empfehlung an die Teilnehmer: keine Interviews, "denn die drehen Euch das Wort im Munde um". Unter den Teilnehmern waren nach Polizeiangaben zahlreiche Hooligans.

Worum geht es den Pegida-Anhängern? Sie machen ihrem Unmut Luft über die in ihren Augen verfehlte Asylpolitik von Bundesrepublik und EU. Schon mehr als 3 300 Facebook-Mitglieder folgen der Pegida-Seite. Darunter sind lediglich etwa 120 Personen, die gleichzeitig auch der Facebook-Seite der sächsischen NPD folgen.

Auf der Pegida-Präsenz im Internet melden sich einige Anhänger nicht nur mit islamisten- und salafistenfeindlichen Sprüchen zu Wort. Dass manche dezidiert rassistische, ausländer- und islamfeindliche Pauschal-Schmähungen wie etwa "widerliches Muselmanenpack", "ich bin für Zwangskastration", "Dreckspack" oder "intolerante Koranscheißer" auf den Webseiten posten, war für Pegida bislang offenbar kein Problem. Sie wurden nicht gelöscht, es gab auch von anderen Anhängern kaum Widerspruch. Zwar geht es Pegida nach eigener Aussage um den "Schutz" des "christlich-jüdischen Abendlandes". Doch außer in ihrem Logo, wo unter anderem ein Hakenkreuz in den Mülleimer wandert, grenzt sich die Gruppe nicht klar ab gegen Rechtsextremismus. Die Übergänge scheinen fließend. Womöglich haben die Organisatoren auch unterschätzt, dass ihre Slogans wie "Für Euch. Für Eure Familie. Für Euer Vaterland" problemlos kompatibel sind mit gängigen Forderungen von Rechtsextremisten. Auf mindestens einer der vorherigen Kundgebungen marschierten dann auch mehrere Neonazis mit.

Ebenfalls in der Dresdner Innenstadt hatten sich zeitgleich rund 300 Pegida-Gegner zu einer Kundgebung versammelt. Die Initiatoren - Antifa und Studentenrat - warnten vor "rassistischen und menschenverachtenden Hintergründen" der Pegida. Zu den Teilnehmern zählten auch Grünen-Abgeordnete sowie Jugendvertreter von Gewerkschaften und der Linken. Die Demonstranten forderten auf Plakaten "Flüchtlingen helfen" und "Neonazis entgegentreten".

Die Pegida-Spaziergänger hatten den Postplatz gerade verlassen, da wechselte das Publikum. Herren mit Fliege und Damen im langen Kleid eilten zum Großen Haus, um die "Drei Schwestern" von Anton Tschechow zu genießen. Zum Glück: Auch das ist das Volk.


(SZ/ts/or/lex/ale)