Die Berichte der Sächsischen Zeitung, 14.12.2015

Wie Pegida der Innenstadt schadet

Fast jeden Montag legt das asylfeindliche Bündnis das Zentrum lahm. Das gefährdet Gewerbetreibende und Arbeitsplätze.

Von Tobias Wolf

Die Stimmung im Kellergewölbe des Restaurants am Neumarkt ist angespannt. Seit Monaten reden die Geschäftsleute fast nur noch über ein Thema, das ihnen die Umsätze verhagelt und existenzbedrohend werden könnte. "Die Grenzen der Erträglichkeit und der Belastbarkeit sind längst überschritten", fasst einer in der Runde zusammen. Und: "Wir fühlen uns allein gelassen." Allein gelassen mit der asylfeindlichen Pegida-Bewegung, die montags das Zentrum lahmlegt. Die fünf Männer und eine Frau sind Gastronomen, Händler, Gewerbetreibende. Sie und ihre Mitarbeiter leben davon, dass die Altstadt nicht nur von Einheimischen geliebt, sondern auch von Touristen besucht wird. Der Montag war mal ein umsatzstarker Tag.

Doch seit über einem Jahr läuft es am Wochenanfang immer schlechter. "Die Stadt ist ab 15 Uhr leer", sagt Tanja Widmann. "Wer kann, der flüchtet aus dem Zentrum." Mit ihrem Mann Thomas betreibt die 50-Jährige mehrere Restaurants in der Altstadt, so in der Weißen Gasse, der Kreuzstraße und am Neumarkt. Jeden Montag muss das Paar bis zu 50 Prozent Umsatzrückgang in seinen Lokalen hinnehmen, weil die früheren Mittagsgäste aus den umliegenden Büros eher Feierabend machen. Straßen werden gesperrt und Bahnen angehalten. Mitarbeiter kommen nicht nach Hause, Gäste nicht mehr in die Stadt, sobald Pegida marschiert. "Jeder soll seine Meinung frei äußern können", sagt Tanja Widmann. "Aber Dresden besteht auch aus anderen." Es könne nicht sein, dass die Demos immer zulasten der Gewerbetreibenden gehen. Das Paar muss wohl bald Mitarbeiter entlassen müssen.

Richard Fordham hat bereits zwei Angestellten gekündigt, 2016 verlieren vielleicht fünf weitere ihren Job. Fordhams Restaurant El Rodizio an der Wilsdruffer Straße macht allein wegen der schwachen Montage in diesem Jahr einen sechststelligen Verlust. "Seit zwölf Jahren machen wir speziell am Montag Angebote für Dresdner", sagt der gebürtige Südafrikaner.

Restaurants bleiben leer


Vor Pegida hätten jeden Montag 100 Gäste vorab Tische im El Rodizio bestellt. Heute käme er noch auf 30 Reservierungen, wovon zehn jedes Mal abgesagt würden, weil die Besucher erst kurz vorher merken würden, dass wieder Pegidatag ist. Laufkundschaft gebe dann auch nicht. "Ich glaube nicht, dass die Demonstranten merken, was sie der Stadt für einen Schaden bringen", sagt Fordham. Er habe Mitarbeiter, deren Eltern bei Pegida mitlaufen würden. Spätestens, wenn er sie entlassen muss, merkten die Eltern vielleicht, was sie da tun. Nicht rosiger sieht es im Restaurant Alte Meister am Theaterplatz aus. "Wir brauchen montags eigentlich nicht mehr aufzumachen", sagt Geschäftsführer Kai-Marten Graul. Vor allem die letzten drei Monate haben ihm das Geschäft verhagelt. Sieben Prozent minus hat er auf das Jahr gerechnet wegen der Demonstrationen am Montag gemacht. Die Ausschreitungen in Freital und Heidenau hätten den Ruf der Region weiter verschlechtert. "Jeder hat das Recht, auf dem Boden des Grundgesetzes seine Meinung zu sagen", sagt der 49-Jährige. "Aber Händler haben auch Rechte. Reputation und Wirtschaftskraft dieser Stadt zu schädigen, ist auf lange Sicht nicht hinnehmbar." Auch er arbeitet inzwischen mit zwei Angestellten weniger als sonst.

Vor allem ein bestimmtes Touristenklientel bleibt aus Sicht der Geschäftsleute weg: Individualtouristen, die in den besseren Lokalen speisen und Eintrittskarten für Kultureinrichtungen kaufen. So spürt auch die Semperoper am Montagabend einen deutlichen Rückgang des Publikums. Einzelhändler stöhnen unter Umsatzeinbrüchen. Ein Drittel weniger sind es bei Silbermann Fashion an der Schloßstraße, sagt Inhaber Georg Posch. "Du kannst nichts machen gegen diese Demos." Und mit Blick auf das Rathaus: "Wer an die Steuereinnahmen der Händler ran will, muss irgendwann handeln."

Hotelkonkurrenz um weniger Gäste


Auch die Hoteliers im Zentrum leiden unter Pegida. Auf Buchungsportalen im Internet liegen eher einfache Häuser wie Motel One preislich nicht mehr weit entfernt von höherklassigen wie dem Hilton an der Frauenkirche. Im Fünfsterne-Kempinksi Taschenbergpalais werden laut der Hotelwebseite von Sonntag auf den morgigen Dienstag für ein Doppelzimmer pro Nacht gerade einmal 139 Euro aufgerufen. Dabei ist die Striezelmarktzeit die wichtigste und teuerste Touristensaison des Jahres und das Kempinski die erste Adresse der Stadt.

Ein anderes Fünfsternehotel hat in diesem Dezember Kapazitäten frei, nachdem es 2014 im selben Zeitraum hätte doppelt belegt werden können, sagt der Generaldirektor. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. Zu oft würden Mitarbeiter bedroht und keiner wolle eingeworfene Scheiben riskieren. Stammgäste schreiben dem Mann Mails, in denen das Wort Boykott vorkommt - alles wegen Pegida. Die Dresdner Hotels konkurrieren inzwischen um jeden Gast, weil der Kuchen insgesamt kleiner geworden ist. Das größte Problem, sei der Imageschaden, den die Asylfeinde über Dresden gebracht haben.

Claudia Greifenhahn vom Ladencafé Aha an der Kreuzstraße reicht es jetzt. Sie hat einen offenen Brief an Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) geschrieben. Darin fragt sie, warum es in Dresden möglich ist, ungehindert an zentralen Orten zu hetzen, aufzuwiegeln und zu polemisieren. Montags sorge sie dafür, dass ihr syrischer Mitarbeiter nicht kommen muss - aus Sicherheitsgründen. Wegen des offenen Briefs hat sie auch negative Reaktionen erhalten. Manche Gäste hätten ihre Reservierungen storniert, mehr noch kämen aber genau deswegen nun ins Café. Demo-Verbote findet sie nicht richtig. Es gebe auch andere Orte als die Innenstadt. "Vier Mal im Jahr im Zentrum ist doch okay", sagt 48-Jährige. "Ich bin auch das Volk und denke anders als Pegida."

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