Süddeutschen Zeitung 2014/2015, 17.01.2014

von Bastian OBERMAYER, Uwe RITZER

Pannenhilfe beim Festakt

Der ADAC verleiht den „Gelben Engel“ und liefert viele Zahlen. Auf die Frage aber, wie viele Mitglieder 
sich bei der jährlichen Wahl zum Auto des Jahres beteiligen, schweigt der Club 

München – Die Allerheiligen-Hofkirche in der Münchner Residenz ist ein schmucker Bau, und sie wurde auch geschaffen, um zusätzliche Pracht nach München zu holen, die es hier bisher nicht gab: „Solch eine Schlosskapelle will ich haben“, rief der Kronprinz Ludwig von Bayern aus, nachdem er 1823 die Christmette in der Palastkapelle von Palermo besucht hatte. 
  Palermo in München also. So entstand zwischen 1826 und 1837 diese Kirche im Herzen der Stadt. Der rechte Ort, um auch in diesem Jahr dort wieder den „Gelben Engel“ zu vergeben, einen Preis, der bis vor Kurzem noch der ganze Stolz des ADAC war, des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs. Seit zehn Jahren zeichnet der ADAC mit dem „Gelben Engel“ die Autos des Jahres aus, dieses Mal in neun Kategorien. Und so waren auch am Donnerstag wieder viele Spitzenmanager der deutschen Autoindustrie zugegen, um sich und ihre Wagen zu feiern und feiern zu lassen. Die Männerquote unter den 400 Gästen lag ebenfalls so hoch wie immer. 
  Doch so ausgelassen fröhlich wie in früheren Jahren, als ADAC-Präsident Peter Meyer und Kommunikationschef Michael Ramstetter, der Initiator des Wettbewerbs, die Gäste überschwänglich und mit Dauerlächeln begrüßten, war die Stimmung diesmal nicht. Denn die Süddeutsche Zeitung hatte am Dienstag darüber berichtet, dass der ADAC bei der Autoengel-Wahl womöglich schummelt. Und die Geschichte war bei der Preisverleihung das große Thema, das in der Allerheiligen-Hofkirche viele Gespräche beherrschte. 
  Internen Unterlagen des ADAC zufolge, die der SZ vorliegen, stimmen in Wahrheit weit weniger Mitglieder bei der Wahl zum Auto des Jahres ab, als der Verband behauptet. Der VW-Golf zum Beispiel, zum neuen Lieblingsauto der Deutschen gekürt, erhielt demnach statt der ADAC-intern schon verbreiteten 34 299 Stimmen nur 3409 Stimmen. 
  ADAC-Chef Meyer betont die Transparenz und Offenheit des ADAC und erzählt, dass viele ihm gesagt hätten: „Wir stehen zu euch.“ Ramstetter gibt sich wortkarg: „Ich sage nichts zu dem Thema.“ 
  Stattdessen bezeichnet Geschäftsführer Karl Obermair den Bericht als „kompletten Unsinn“. Er spricht von „Unterstellungen und Unwahrheiten“ und einem „repräsentativen Ergebnis“. 
  Dann nennt er viele Zahlen: Mehr als 50 000 mal seien die ADAC-Rettungshubschrauber 2013 abgehoben, 4,2 Millionen Einsätze hätten die Pannenhelfer gehabt, die in fast 86 Prozent der Fälle liegen gebliebene Fahrzeuge an Ort und Stelle wieder flott gekriegt hätten. Zudem seien 1,1 Millionen Menschen in den ADAC eingetreten, der bald 19 Millionen Mitglieder zähle. 
  Die wichtigsten Zahlen allerdings nennt Karl Obermair auch auf Nachfrage von Moderatorin Nina Ruge nicht: Wie viele Stimmen bei der Abstimmung tatsächlich für welches Auto gezählt wurden. 
  So geht das seit Tagen. Auf das Dementi, der ADAC habe nicht manipuliert, folgte die Erklärung des Verbandes, man werde die Zahlen zur Wahlbeteiligung diesmal nicht herausgeben. Erst hieß es, man habe das von jeher nicht getan. Dann korrigierte ein Sprecher, man habe die Zahlen früher nur „sporadisch“ veröffentlicht, es gebe „keine Kontinuität“. 
  Tatsächlich teilte der ADAC bisher immer ein offizielles Abstimmungsergebnis mit. Nur diesmal nicht und das ohne Begründung. In den letzten drei Jahren wurden sogar Resultate der fünf Erstplatzierten veröffentlicht. Seit dem SZ-Bericht am Dienstag drohen auf der Facebook-Seite des ADAC Mitglieder mit Austritt. Inzwischen veröffentlichte der Club ebendort eine Erklärung. Die Preise, heißt es da, beruhten „auf sauberen, statistisch repräsentativen Auswertungen der Stimmen“. 
  Der ADAC bleibt dabei: Seine „Gelbe Engel“-Abstimmung „ist und bleibt DER Maßstab in Deutschland, und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern“. Auch Wolfgang Porsche, einer der mächtigen Männer hinter Volkswagen, schlägt sich auf die Verbands-Seite. „Schade, dass immer nach etwas Negativem gesucht wird“, sagt der Porsche-Aufsichtsratschef, „für mich sind die Zahlen nicht so relevant.“ 
  Andere sind vorsichtiger. Volkswagen-Boss Martin Winterkorn betont die große Bedeutung des ADAC mit seinen fast 19 Millionen Mitgliedern. Zahlenschummelei? „Das kann ich mir nicht vorstellen“, sagt er knapp. 
  Audi-Chef Rupert Stadler formuliert klarer. „Diese Thematik sollte der ADAC intern regeln“, rät er, „aber wenn statt 300 000 nur 3000 abgestimmt haben, dann ist das schon relevant.“    


Geschäftsführer Obermair 
spricht von „Unterstellungen 
und Unwahrheiten“ 


Dauerlächeln für die Branche: ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair und Nina Ruge bei der Verleihung des Gelben Engels in München.