Was sich danach verändert

Der Schock am zweiten Tag des Neuen Jahres 2006 sitzt tief. Die Schockwellen erfassen das ganze Land. Man möchte aus den Versäumnissen lernen.

 

 

1. SOFORTMASSNAHMEN

  • In Bayern veranlasst das Innenministerium im März, dass alle Gebäude mit so genannten Kämpfträgern wie in der Eislaufhalle in Bad Reichenhall landesweit überprüft werden. Es sind 16 Gebäude und Kirchen. In allen diesen Gebäuden wurde aber nie die zulässige Höhe dieser Kämpfträger (1,20 m) überschritten. In 14 (!) Fällen wird die Überprüfung aber trotzdem entweder mit einer Sanierung oder dem Abriss des Dachtragwerks abgeschlossen. Mehrere Kirchen, darunter die Herz Jesu Kirche in Nürnberg, aber auch Kirchen in Bad Wörishofen, Bodolz in Diedorf müssen für längere Zeit gesperrt werden.
  • Im August 2006 schreiben die zuständigen Baubehörden in Bayern vor, dass bei großen Sonderbauten wie Versammlungs- und Sportstätten eine generelle Überwachung der Bauausführung durch ausgewiesene Experten durchgeführt werden muss
  • Im September veranlasst das Innenministerium die Überprüfung aller 59 Eishallen in ganz Bayern. Diese entsprechen den Normen, allerdings werden in 9 Fällen konkrete Prüfmaßnahmen wie regelmäßiger Check der Schneelasten abgesprochen

Dem Beispiel Bayerns folgen andere Bundesländer.

2. GRUNDSÄTZLICHE VERÄNDERUNGEN

Auf Bundesebene reagiert auch der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: mit der Überarbeitung der RÜV - "Richtlinie für die Überwachung der Verkehrssicherheit von baulichen Anlagen des Bundes":

Dieser Arbeitsgang ist im Juli 2008 abgeschlossen. Die Vorschriften beziehen sich auf alle Gebäude, die im Bundesbesitz sind. Gleichzeitig übernimmt Bayern dieses Regelwerk. Andere Bundesländer folgen.

Die Neuerungen bei der RÜV:

  • Alle Gebäude werden in 2 Gefährdungskategorien eingeteilt:
    • Kategorie 1: Versammlungsstätten mit mehr als 5.000 Personen, Beispiel Fußballstadien
    • Kategorie 2: Bauliche Anlagen mit über 60 m Höhe (z.B. Hochhäuser), Gebäude bzw. Gebäudeteile mit Stützweiten größer 12 Metern und/oder Auskragungen, die größer als 6 Meter sind, sowie großflächige Überdachungen. Beispiele: Eishallen und Hallenbäder, Kauf-, Mehrzweck-, Sport- oder Produktionshallen, Kinos, Theater und Schulen
  • Es werden konkrete Zeitintervalle vorgeschrieben, innerhalb derer eine
    • Begehung
    • Prüfung
    • Gutachterliche Untersuchung
    stattfinden muss.
    Bei Eishallen beispielsweise muss eine Begehung alle 2 Jahre, eine Prüfung alle 4-5 Jahre und eine Gutachterliche Untersuchung (nicht mit Teleobjeketiv!) durch einen ausgewiesenen Fachmann alle 12-15 Jahre erfolgen.

Hätte es diese Richtlinien bereits vorher gegeben, so wäre bei der Eislaufhalle in Bad Reichenhall mindestens 2 Mal eine konkrete Untersuchung der Dachkonstruktion erfolgt.

3. VERBLEIBENDE SCHWACHSTELLEN

Die neuen Vorschriften gelten verbindlich für alle Gebäude, die in Bundesbesitz sind. Der Freitstaat Bayern hat dies für seine eigenen Immobilien übernommen. Dort sind diese Regeln ebenfalls Pflicht.
Allerdings nicht für die Gebäude der Kommunen oder anderer Bauherren. Für die gelten diese Richtlinien nur als "Empfehlung" bzw. als "Hinweise" bzw. als "Orientierungswerte". Der Freistaat kann dies den Gemeinden und Städten nicht vorschreiben. Deswegen obliegt es den Betroffenen, den gewählten Vertretern des Volkes in den Stadtparlamenten und Rathäusern, ob und wie sie mit diesen Erfahrungen aus Fehlern umgehen.

4. ERINNERUNGS- UND ALARMIERUNGSSYSTEME

Das Bayerische Innenministerium ist dazu übergegangen, im Winter bei Schneefall die Kommunen und Besitzer von gefährdeten Großgebäuden regelmäßig daran zu erinnern, Schneelasten zu ermitteln und gegebenenfalls Dächer zu räumen. Dieses Erinnerungssystem ist inzwischen Bestandteil anderer Alarmierungssysteme (z.B. Lawinengefahren etc), die über die regionalen Behörden funktionieren.
Das klingt nach Verwaltung und Bürokratie, gehört aber angesichts des damit verbundenen Vermeidungspotentials von Schäden für Menschen und Sachen zu den sinnvollen administrativen Vorkehrungen, die sich als 'staatliche Aufgabe' denken lassen.

 

(JL)