Man mag es nicht glauben, aber es ist so und dies bereits schon immer: die meisten Rundfunkratsgremien, die die Interessen der Allgemeinheit vertreten (sollen), tagen in geübter und tradierter closed-shop-Manier hinter verschlossenen Türen. Konkret: nicht öffentlich.
Dass dies den rund 500 Vertretern selbst noch nicht aufgefallen ist oder dass sie zumindest dieses elementare Prinzip nach außen hin nie als Problem thematisiert haben, spricht für das mehrheitliche Selbstverständnis dieser Gremien. Auf letzteres gehen wir im Abschnitt „Vertreter“ ein. Hier geht es um das Thema Öffentlichkeit. Man kann den Umstand der Nicht-Öffentlichkeit offen als öffentlich-rechtlichen Anachronismus bezeichnen.
Spricht man über „Öffentlichkeit“ und „Transparenz“ im „öffentlich-rechtlichen“ Rundfunkwesen, so sind zwei Ebenen damit angesprochen. Zum einen die interne Ebene. Sie bezieht sich auf den Informations- und Kommunikationsfluss zwischen den Kontrollgremien und den von diesen zu kontrollierenden Aufgaben und Bereiche. Die andere Ebene bezieht auf den Runfunkrat und die Kommunikation nach außen: zu jenen, die diese Gremien vertreten (sollen) bzw. zu jenen, die letztlich alles finanzieren.
Zunächst zur internen Transparenz. Dass sich z.B. ein ARD-gemeinsames Beteiligungsunternehmen – in diesem Fall die Produktionsfirma Bavaria München – weigern konnte, einem Rundfunkratsgremium sowie einem parlamentarischen Ausschuss eines Landtags – in diesem Fall des Rundfunkrats des MDR, der an der Bavaria selbst beteiligt ist, bzw. dem Medienausschuss des Sächsischen Landtags – Auskunft bzw. Berichte zu übergeben, die die Bavaria über ihr eigenes Problem Schleichwerbung erstellt hatte, repräsentiert ein typisches Beispiel für den öffentlich-rechtlichen Anachronismus bzw. für das Selbstverständnis des öffentlich-rechtlichen Sektors.
Weil dem so ist und auch intern weitgehend nach dieser Closed-Shop-Methode gearbeitet wird, hat es auch entsprechend lange gedauert, bis die nicht nur fragwürdigen, sondern schlicht und ergreifend illegalen Methoden von Schleichwerbungspraktiken bei der Bavaria bekannt geworden sind. Es waren nämlich nicht interne Transparenz- und/oder -Controllingmechanismen, die zur Abstellung bzw. zur Aufdeckung dieser eklatanten Missstände führten, sondern externe ‚Kontrolleure’. Im konkreten Fall war es ein Medienjournalist, der im Rahmen seiner journalistischen Watch-Dog-Funktion einschlägigen Hinweisen nachgegangen war. Bis zur Veröffentlichung seiner Recherchen hatte es allerdings zweieinhalb Jahre gedauert, weil die ertappten Akteure ersteinmal gerichtliche Gegenmaßnahmen durchsetzen konnten.
Der Fall Bavaria und die Serie "Marienhof" - eine kleine Rückblende:
Konkret hatte der epd-medien-Redaktionsleiter Volker Lilienthal nach ersten Hinweisen im Sommer 2002 auf Schleichwerbungspraktiken in der ARD-Sendung „Marienhof“, produziert von der ARD-eigenen Bavaria, Recherchen angestellt, die für die Verifikation auch eine verdeckte Recherche notwendig machten. Im Nachgang hierzu klagte eine bei diesen Praktiken eingeschaltete Placement-Agentur auf Unterlassung, was einem faktischen Recherchier- und Publikationsverbot für den Journalisten gleichkam. Lilienthal nutze die darauf folgenden 1 ½ Jahre, indem er die Sendungen zusätzlich systematisch auf entsprechende Praktiken hin auszuwerten begann. Erst ein Urteil des OLG München Anfang 2005 führte zur Aufhebung der Unterlassungsklage, woraufhin Lilienthal seine Geschichte ans Tageslicht bringen konnte. Sie löste im öffentlich-rechtlichen Sektor ein mittleres Erdbeben aus.
LILIENTHAL hat inzwischen die Rudolf-AUGSTEIN-Stiftungsprofessur "Qualitätsjournalismus" an der Uni Hamburg inne.
In Fall "Marienhof" waren es die Aufsichtsgremien gleich von vier Rundfunkanstalten, die in einer ihrer wesentlichsten Funktionen vollständig versagt hatten.
Detailfragen zu gängigen Usancen solch öffentlich-rechtlicher Verschleierung bzw. zu der damit verbundenen Problematik werden wir im nächsten Kapitelabschnitt „Controlling“ vorstellen. Hier soll es zunächst um die prinzipiellen Fragen gehen.
Die beziehen sich vor allem auf die Kommunikationsfähigkeit nach außen hin. Es geht also vor allem um die Außentransparenz. Und dies betrifft vor allem das Selbstverständnis dessen, was man unter „öffentlich“ bzw. „öffentlich-rechtlich“ versteht.
Es gibt einige Ausnahmen. Radio Berlin-Brandenburg (RBB) tagt z.B. im Prinzip öffentlich. Wirklich „öffentlich“ wird aber immer nur das, was auch tatsächlich kommuniziert und/oder beworben wird. Wer nicht weiß, dass es einen Rundfunkrat gibt, wem nicht bekannt ist, was dessen Funktion ist und wer dann auch nicht mitgeteilt bekommt, dass dieser öffentlich tagt und was denn auf der Tagesordnung steht und welche Bedeutung dies für jeden Einzelnen hat, für den ist eine solche Öffentlichkeit letzten Endes nicht öffentlich.
Egal wie: Lässt man die mühsame Entwicklung der gesellschaftlichen Partizipation bzw. die historische Genese der Mitsprache von Menschen an all den Dingen Revue passieren, die von eben diesen Menschen getragen, z.B. finanziert werden und die nicht nur deshalb direkte Rückwirkung auf deren Befindlichkeit haben, so scheint es einigermaßen unverständlich, dass zu Beginn des 21. Jahrhunderts Transparenz im so genannten öffentlich-rechtlichen Sektor nicht selbstverständlich ist. Vergleicht man die wachsende Partizipation von Bürgern in immer mehr Bereichen, die immer auch mit zunehmender Transparenz einhergehen (öffentliche Haushalte und so genannte Neben- bzw. Schattenhaushalte, Sozialversicherungswesen, Spendenbranche u.a.m.), so verkörpert der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein Relikt aus ‚überholten’ Zeiten.
Es gibt Vorschläge. Im Rahmen einer fachöffentlichen Debatte, die politisch durch EU-Vorgaben aus Brüssel initiiert und von dem Branchendienst „epd medien“ 2007 aufgegriffen und publiziert wurden, haben sich viele der dort zu Wort gekommenen Experten mit sehr konkreten Ideen hervorgetan.
Dass ein Rundfunkratsgremium per se nach Transparenz und Öffentlichkeit verlangt, war durchgehend Konsens. Darüberhinaus reichen die Vorschläge von in allen Bundesländern einheitlichen Regularien etwa bei Programmbeschwerden (analog zur Freiwilligen Selbstkontrolle bei den Printmedien durch die Institution des Deutschen Presserats) über Fragerechte der Gremienmitglieder (analog zum Fragerecht von Abgeordneten in Parlamenten) bis hin zu Überlegungen, analog zu anderen Bereichen dem Ver-tretergremium das eigenständige Recht einzuräumen, unabhängige Tätigkeitsberichte herausgeben zu dürfen.
Da im Zusammenhang mit der Neuordnung des Dualen Systems im Internet die EU medienpolitische Vorgaben gemacht hat, die in absehbarer Zeit umgesetzt werden müssen, ist die Chance groß, dass sich hier einiges zum Besseren, sprich zum Selbstverständlichen wenden wird. Auffällig aber auch hier: Die Veränderungen gehen nicht vom öffentlich-rechtlichen System aus. Auch nicht von jenen, die kraft ihrer Funktion dafür eigentlich berufen wären.
Ganz offensichtlich muss man den Öffentlich-Rechtlichen Nachhilfe geben: Transparenz hat etwas mit Kommunikationswilligkeit und Kommunikationsfähigkeit zu tun. Kommunikation wiederum hat – zumal mit den eigenen ‚Kunden’ – Einfluß auf die Akzeptanz. Die wiederum wird langfristig über die Nachhaltigkeit des öffentlich-rechtlichen Systems entscheiden.