Die Chronologie der Geschichte 'Manipulierte Abrechnungen beim ASB"
Rückblende 1
Ab 19. November 1999:
Michael Kasperowitsch veröffentlichte in den Nürnberger Nachrichten (NN) seine Recherchen zu einem Immobiliengeschäft des Arbeiter-Samariter-Bunds Bayern (ASB) . Es ging um ein Anwesen in Behringersmühle im Landkreis Forchheim. Das Gebäude sollte in eine aufwändige Tagungsstätte ausgebaut werden. Das Geschäft war ohne Zustimmung der zuständigen ASB-Gremien gemacht worden. Auch das Projekt selber wurde zur Pleite. Dabei türmte sich ein Schuldenberg auf, den der Landes-ASB und seine regionalen ASB-Gliederungen tilgen müssen. Bis heute.
Rückblende 2
7. Oktober 2011:
Kasperowitsch veröffentlichte einen ersten Artikel zu Gustl Mollath, der einen Stein ins Rollen brachte und einen Justizskandal offenbarte. Mollath hatte offenbar Schwarzgeldschiebereien angezeigt, befand sich in einem „Rosenkrieg“ mit seiner Frau und zu beidem kam ein wohl sehr schnell gefälltes Urteil im Sommer 2006 hinzu. Er wurde „weggesperrt“ und in diverse psychiatrische Einrichtungen eingewiesen. Ein Bekannter, den er noch von der Journalistenschule in München kannte, gab Kasperowitsch entscheidende, weitere Informationen. Kasperowitsch recherchierte weiter. Auch als Folge seiner Recherchen und Veröffentlichungen ordnete die bayerische Justizministerin Beate Merk ein Wiederaufnahmeverfahren an. Es zeigte sich, dass hier ein Justizskandal vorliegt. Im August 2013, nach sieben Jahren, kam Mollath wieder frei.
Sich mit dieser Geschichte um den Wächterpreis zu bewerben, hatte KASPEROWITSCH damals vergessen. Den bekamen Redakteure der Süddeutschen Zeitung. Da er maßgeblich an der Aufklärung dieses Justizskandals beteiligt war, hatte ansTageslicht.de bei der Aufarbeitung dieser Geschichte auch seine Arbeit detailliert dokumentiert: www.ansTageslicht.de/Mollath.
Der Abrechnungskanal
Januar 2019:
Kasperowitsch erhält Besuch von Informanten in der Redaktion. Sie kennen seine Arbeit zu Gustl Mollath. Sie hat beeindruckt, wie Kasperowitsch Jahre zuvor die schwerwiegenden Fehler der Behörden bei diesem Fall aufgedeckt hatte. Die Informanten erzählen ihm, dass sie schon vor Monaten bei der Polizei Anzeige erstattet hätten gegen gewisse ASB-Mitarbeiter. Zu Ermittlungen sei es allerdings nie gekommen.
Kasperowitsch fragt bei der Polizei nach, ob das alles so stimmt. Es wird ihm bestätigt.
Mit Unterstützung der Informanten, schildert Kasperowitsch, begann er, die umfangreichen Abrechnungsunterlagen zu sichten, die sie ihm gegeben hatten. Nach wochenlanger Fleißarbeit hatten sie den Nachweis erbracht, dass in der Erlanger ASB-Landesgeschäftsstelle die Rettungsdienstabrechnungen manipuliert worden waren. Kasperowitsch beschrieb, wie das ging: „Die Bilanzen, die von den einzelnen bayerischen ASB-Regionalverbänden in der Erlanger Zentrale eingingen, wurden nach einem ausgeklügelten System an jeweils wechselnden Einzelpositionen erhöht, mal um kleinere Beträge mal um stattliche. Diese manipulierten Abrechnungen wurden dann an die Krankenkassen und die Zentrale Abrechnungsstelle (Zast) in Bayern weitergeleitet.“ Aufgefallen sei das all die Jahre niemandem.
Kasperowitsch wandte sich an die ASB-Landesgeschäftsstelle sowie an den ASB-Landesvorstand, um ihre Position zu diesem Fall zu erfragen. Seine Anfragen blieben jedoch unbeantwortet oder sie wurden allenfalls abwehrend und ausweichend formuliert.
Anfang April 2019:
Jarno Lang folgt auf Thomas Klüpfel als ASB-Landesvorsitzender.
6. April. 2019:
Die NN macht in dem Artikel „Die wundersame Mehrung im Töpfchen des ASB“ publik, der Verband habe offenbar über Jahre hinweg von den Krankenkassen in Millionenhöhe zu viel abkassiert. Was mit dem Geld geschah, sei unklar. Offenbar damit es nicht auffällt, wurden in Erlangen die Ausgaben der einzelnen Rettungswachen im Land unauffällig erhöht. Posten wie sonstige Personalkosten, Fortbildung, Schutzkleidung, Kfz Treibstoffe oder Geschäftsbedürfnisse waren davon betroffen. Am Ende gab es für jeden ASB-Regionalverband zwei Fassungen der Aufgabenaufstellung: Eine korrekte der ASB-Leute vor Ort sowie eine in der Erlanger Landesgeschäftsstelle, die kräftig nach oben „korrigiert“ wurde. Weder der zentralen Abrechungsstelle in Bayern (Zast) noch den Krankenkassen, so deren Aussage, sei etwas aufgefallen.
Der ASB äußert sich widersprüchlich: ASB-Sprecher Moritz Wohlrab erklärte zunächst: „Der ASB erwirtschaftet aus den Rettungsdienstabrechnungen keine Überschüsse.“ Daraufhin mit konkreten Zahlen konfrontiert, drehte er den Spieß um: „Die ausgewiesenen Überschüsse verdankt der Landesverband dem Zufluss von Mitgliedbeiträgen.“
Der ASB-Landesvorsitzende Hans-Ulrich Pfaffmann blieb bedeckt: „Die Zahlen sind Betriebsgeheimnis.“
9. April. 2019:
Weitere Medien greifen den Fall auf, darunter Nordbayern.de und die Süddeutsche Zeitung. So berichtet Nordbayern, dass der ASB eine Wirtschaftsberatungsfirma beauftragt hat, die die Vorgänge untersuchen sollte.
12. April 2019:
Die NN enthüllt neues Datenmaterial und zeigt, wie der ASB seine Abrechnungen manipuliert hat; die Dateien umfassen über 350 Megabyte: Im Zeitraum von zehn Jahren wurden demnach über 5 Millionen Euro zu viel ausgezahlt. Wofür das Geld ausgegeben wurde, ist weiterhin offen. Manipuliert wurden diese Abrechnungen in Erlangen anscheinend von einem Trio; unterzeichnet hat sie offenbar Thomas Klüpfel, der ehemalige Landesgeschäftsführer des ASB. Die Manipulation erreichte 2013 ihre Spitze mit einer Million Euro „Zusatzgeld“.
Das bayerische Gesundheitsministerium schaltet sich ein und bittet die Krankenkassen um eine „zeitnahe Stellungnahme“ zu den Vorwürfen gegen den ASB.
nordbayern.de zitiert Jarno Lang, der den Skandal herunterspielt: Verschiedene Beträge, zum Beispiel Kfz-Versicherungen, seien im Nachhinein auf die lokalen ASB-Verbände aufgeteilt worden. Man werde eine renommierte Nürnberger Wirtschaftsprüfungsgesellschaft einschalten, um die Vorwürfe zu widerlegen.
https://www.nordbayern.de/region/erlangen/abrechnungs-affare-datenmaterial-erhoht-druck-auf-asb-1.8797105 (25.6.2020)
27. April 2019:
Die NN berichtet, dass die Krankenkassen juristische Unterstützung einschalten. Der ASB-Landesvorsitzende Pfaffmann behauptet, alle Vorwürfe könnten entkräftet werden.
29. Juni 2019:
Die NN berichtet, dass der ASB weiterhin schweigt.
Die NN bleibt an der Geschichte dran, aber auch andere Medien greifen immer wieder die neuen Entwicklungen auf und berichten. Einige Stationen:
18. August 2019:
Die vom ASB eingeschaltete Wirtschaftsberatungsfirma entlastet diesen nicht, sondern bestätigt den Millionenbetrug.
https://www.sueddeutsche.de/bayern/arbeiter-samariter-bund-bayern-millionenbetrug-1.4567244
31. August. 2019:
Die NN berichtet, dass der ASB versuchen muss, die Insolvenz abzuwenden. Die falsch abgerechnete Summe muss zurückerstattet werden. Unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Krankenkassen könne dies eventuell in Raten erfolgen. Der ASB trennt sich von den Hauptverantwortlichen für den Skandal.
06. September. 2019:
Thomas Klüpfel, der ehemalige ASB-Landesgeschäftsführer klagt gegen seine Kündigung.
https://www.br.de/nachrichten/bayern/ehemaliger-asb-geschaeftsfuehrer-klagt-gegen- kuendigung,RbIaiJX (25.6.2020)
10. Oktober 2019:
Der ASB-Landesvorsitzende Hans-Ulrich Pfaffmann tritt zurück. Er wolle den Weg für einen Neuanfang freimachen.
https://www.br.de/nachrichten/bayern/wegen-betrugsskandal-asb-landesvorsitzender- tritt-zurueck,ReOvz4G (25.6.2020)
02. Dezember. 2019:
Der Regionalverband Erlangen-Höchstadt des ASB beantragt Insolvenz – auch weil nach der Affäre der Landesverband ihn nicht mehr über Kredite unterstützen könne.
4. März 2020:
In den NN erklärt Jarno Lang, der ASB habe sich mit den sechs Millionen Euro nicht selber bereichert. Zum Beispiel sei ein großer Teil des Geldes für rettungsdienstnahe Leistungen verwendet worden. Das sei aber keine Entschuldigung; der ASB trage für die falsch abgerechneten Summen die volle Verantwortung. Der Verband habe die Controlling-Instrumente verstärkt, in der Landesgeschäftsstelle sei eine Betriebsordnung eingeführt worden, in der auch die Buchungsabläufe geregelt sind. Mit Maßnahmen wie diesen will man das verloren gegangene Vertrauen der Allgemeinheit zurückzugewinnen.
7. März 2020:
Auf der ASB-Landeskonferenz wird der Vorstand neu gewählt. Der neue Vorsitzende Gerhard Körner soll das Image des Vereins aufpolieren helfen. „Wir werden nicht in der Vergangenheit herumgraben, aber wir können die Vergangenheit auch nicht völlig außen vor lassen", sagt er bei seiner Antrittsrede.
April 2020:
Kasperowitsch wird für seine Recherche über die Manipulation der Abrechnungen des Arbeiter Samariter Bundes zum zweiten Mal mit dem Wächterpreis ausgezeichnet.
https://www.sueddeutsche.de/medien/waechterpreis-bluttest-recherche- ausgezeichnet-1.4871075
(hochschule macromedia köln)
Online am: 02.06.2020
Aktualisiert am: 07.01.2021
Inhalt:
Manipulierte Abrechnungen beim bayerischen Arbeiter-Samariter-Bund
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Auszeichnungen:
"Wächterpreis der Tagespresse" 2020