Das "Diesel-Team" des Handelsblattes im Porträt

René Bender - Der Netzwerker

Um die Wahrheit im Dieselskandal ans Licht zu bringen, suchte René Bender den Kontakt zu denen, die mittendrin steckten. Beschuldigte, Strafverfolger oder Anwälte – Benders Netzwerk zahlte sich für das Team stets aus.

René Bender ist seit Juni 2018 Redakteur im Investigativ-Team des Handelsblatts. In die Aufdeckungen rund um den Dieselskandal konnte er sein Wissen aus seinem Spezialgebiet, dem Wirtschaftsrecht besonders einfließen lassen, zudem seine Netzwerke und Verbindungen.

Dass eine gewaltige Recherche wie die zur Volkswagen Diesel-Affäre nicht alleine zu schaffen sei, stellt René Bender im Gespräch sofort klar: „Haufenweise Akten kamen an, dann hat jeder erstmal einen dicken Stapel bekommen. So haben wir uns das zunächst aufgeteilt.“

Jeder der neun Journalisten, im Team der „Diesel-Gate“- Recherchen, musste mehrere zehntausende Seiten Akten und Protokolle bearbeiten. Durch so viel Material müsse man sich erst durchwühlen, um eine Idee zu bekommen, wie eines zum anderen passt, erzählt Bender.

Zunächst gibt sich Bender im Gespräch über Auffälligkeiten und Unglaublichem während der Recherchen und Aufdeckungen zurückhaltend, wirft dann aber sichtlich amüsiert, einen Satz in die Runde: „Also die E-Mails haben den Vogel schon abgeschossen!“. Von seinen „Diesel-Mitspielern“ erhält er laute Zustimmung. An dem ominösen Erotik-E-Mail-Verkehr zwischen einem der Volkswagen-Vorstände und seiner Sekretärin am Tage des publik werden des wohl größten Skandals der Volkswagen-Geschichte, könne man erkennen, wie der Konzern ticke. 

Außergewöhnlich und sensationell zu gleich seien die „ungeschminkten" Aufzeichnungen gewesen, die dem Team vorlagen, erzählt Bender, der neben Rechtswissenschaft auch Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Bonn studierte. 

Man habe dadurch Einblicke in die höchsten Strukturen von VW bekommen und einen ganz anderen Blick erhaschen können. Das Studieren der Akten habe eine Menge Recherchearbeit erspart und die Geschichte so „menschlich“ werden lassen. Was dann „nur noch“ zu tun war: „Es lag alles auf dem Tisch - das musste nur noch zusammen gefasst werden“, sagt Bender souverän. 

Wie man die vorliegenden Informationen und die parallellaufenden Recherchen am besten veröffentlichet, beschäftigte das Team zunehmen. Man habe sich für die „Salami-Taktik“ entschieden, sprich die erstklassigen Nachforschungen und verfügbaren Informationen „nach und nach“ an den Leser gebracht, erklärt Bender, der im hellen, locker-legeren Hemd am Konferenztisch sitzt und in Mitten seiner lautstarken Kollegen einen gefestigten Ruhepol gibt. 

Einige Ermittlungen, wie das Durchforsten der Unmengen an VW- und Ermittlungsakten sowie Gerichtsurteilen, erforderten einen hohen Zeitaufwand, habe aber zu herausstechenden Erkenntnissen geführt. „Man muss genau da gucken, wo VW nicht gewonnen hat“,verrät Bender, denn so finde man heraus, wie das Unternehmen mit der Last des Skandals und den Geschädigten umgehe. 

Gefragt, wie wichtig es sei, dass ein Team gemeinsam an einem Strang ziehe und zusammen durch Turbulenzen komme, antwortet Bender, dass das „Team zur Kontrolle des Einzelnen diene“. Man könne sich so gegenseitig schützen und eine gute und sichere Arbeit gewährleisten und anschließend abliefern. 

Über die Auszeichnung mit dem Wächterpreis habe man sich gemeinschaftlich sehr gefreut und es sei eine Bestätigung der intensiven Arbeit gewesen. Für René Bender ist es der erste Wächterpreis - und womöglich auch nicht der letzte, denn die nötigen brisanten Geschichten warten tagtäglich auf den Journalisten. (Kera Fee Biswal)

 


Martin Murphy - Der Allrounder

Skandale sind sein Wohnzimmer. Martin Murphy spürte parallel zur Dieselaffäre auch Stahlkartellen und dubiosen Rüstungsgeschäften nach. Manchmal ergaben sich erstaunliche Querverbindungen.

Martin Murphy wirkt sehr lässig, hat ein weißes Hemd an, die Beine übereinandergeschlagen, lehnt er sich zurück in seinem Konferenzsessel. Doch er ist ständig aktiv, unter Feuer, hat sein Smartphone im Blick, schaut immer wieder nach, will nichts verpassen, immer im Bild sein, was Neues passiert, immer aktuell sein. Sonst säße er gar nicht hier.

Murphy arbeitet seit 2008 beim Handelsblatt und seit 2015 exklusiv als Chefreporter im Ressort Unternehmen und Märkte.Er ist ein Mann für Geschichten, bei denen es brennt. Seine Schwerpunkte sind Korruption und Kartelle. Neben seinen 8 anderen Teammitgliedern des Wächterpreisteams wird auch er neben seinem längst gewonnenen Preis, dem Hugo-Junkers-Preis, mit dem unabhängigen Wächterpreis ausgezeichnet. Nicht immer arbeitet er im selben Team. Lächelnd betont er, dass andere Experten immer auch neue Kontakte mitbringen, auch deshalb ist ihm wichtig, immer wieder neue Leute kennenzulernen. Nur eines muss für ihn immer gelten: ,,Wir brauchen vor allem Leute, die Ahnung haben.“ 

Er wollte den VW-Konzern besser kennen lernen und die Hintergründe verstehen. Seiner Meinung nach ergibt sich eine Arbeitsteilung im Rechercheteam von alleine. 

,,30 Milliarden Euro Schaden“. Martin Murphy wirft sein Wissen in den Meetingraum und zeigt, er ist eindeutiger VW-Experte.  

An dem Fall der VW-Dieselaffäre arbeiten so viele Personen mit unterschiedlichen Fachgebieten und Wissen mit, da laut Murphy ,,genug Fleisch am Knochen ist“. Der VW-Konzern im ,,Complaince-Fall“ so wie ihn Murphy betitelt, reagiert nur auf äußeren Druck und nur auf Nachfrage. Seiner Meinung nach bleibt das Diesel-Thema noch mindestens fünf Jahre bestehen, da aktuell die größte Konkurrenz in diesem Thema besteht. 

Er möchte die Leute mit seinen Geschichten packen, weil „Veränderungen gehören zum modernen Journalismus dazu, wenn man weiß was man tut.“ Mit der Recherche waren wir ,,relativ flott durch“, da alle das benötigte Wissen mitgebracht haben. Er bekam auch immer genügen Informationen von angefragten Personen, da die Leute wussten, dass das Recherche-Team des Handelsblattes vernünftig mit den gegebenen Informationen umgehen wird. Murphy überraschte die Aufdeckung um den Eichler-Fall sehr und hätte niemals gedacht, so tief eintauchen zu können. 

,,Bestimmt“. Der in London geborene Redakteur glaubt, dass er Diesel-Fahrer nach Lesen der eigenen Serie zur Anzeige bewegt hat. Kontrollieren kann er dies aber leider nicht. 

Eine Diskussion gehört für Martin Murphy immer dazu, da das Thema seiner Meinung nach sonst nicht gut genug wird. Er bevorzugt es konstruktiv zu diskutieren, um am Ende den richtigen Weg finden zu können. Fehler gehören für ihn auch dazu, da diese immer wieder passieren können. "Ich muss leider wieder zurück nach Frankfurt", verabschiedet sich der sehr beschäftigte Journalist und eilt zum nächsten Termin. (Louisa Diederichs) 


Volker Votsmeier - Der Geschichtenfinder

Wenn Volker Votsmeier wieder mal eine neue Ermittlungsakte auf seinen Tisch zauberte, verbrachte er Stunden und Tage mit der Suche nach Details. Damit ausgerüstet, verlockte er Beteiligte zum Reden. Selbst solche, die vorher stets geschwiegen hatten.

Vertieft in die Arbeit seiner Recherche in seinem Büro wird er aus den Gedanken gerissen. Er schreibt seine letzten Gedanken zu Ende und schon steht ein neuer Termin mit seinen sechs anderen Teammitgliedern auf dem Plan. Mit seinem grauen Anzug, dem dazu passendem weißen Hemd und einem Zettel und Stift ist Volker Votsmeier bestens vorbereitet. Er nimmt noch einen Schluck von seinem Kaffee bevor er komplett startklar für seinen Termin ist. 

Volker Votsmeier arbeitet seit 2015 als Redakteur im Investigativ-Team des Handelsblattes. Er wirkt nachdenklich, macht Pausen bevor er eine Frage beantwortet und hat sein Handy genau im Blick, will offensichtlich nichts verpassen. 

Der Volkswirt hat hervorragende Verbindungen zu Staatsanwaltschaft und Anwälten. Damit war er im Rechercheteam eine wichtige Stütze und half über die ein oder andere Hürde. Er nimmt einen Schluck Kaffee, überlegt kurz und sagt dann: ,,Manchmal bekommt man auch Steilvorlagen. Manchmal muss man Zitate zum richtigen Zeitpunkt nur aus der Schublade ziehen“. Mit dem Verbinden des Sachlichen durch viele Informationen mit dem Persönlichen, was herausgefunden wurde, kann die Thematik durch Votsmeier und die anderen Teammitglieder noch jahrelang weitergeführt werden. Immer wieder werden Fragen und Probleme in dem Fall auftauchen. Votsmeier begleitet Geschichten als seine Aufgabe und versucht sie voranzutreiben, damit die Geschichten nicht zu einseitig und langweilig sind. 

Der 2016 zum Wirtschaftsjournalisten des Jahres gewählte Absolvent der Kölner Journalistenschule lächelt nach Aussagen seiner Teamkollegen, dass sich bei dem VW-Skandal eine aufwendige Recherche ausgezahlt hat und sagt, dass Sie an ,,Ermittlungsakten dicht rangekommen“ sind. Neben dem Hugo-Junkers-Preis 2018 bekommt er mit seinem Team dieses Jahr einen weiteren unabhängigen Preis verliehen, den Wächterpreis. 

Auch Volker Votsmeier, der sehr gut in der Thematik von der VW-Dieselaffäre involviert ist, fragt sich wie es mit dem Unternehmen in Zukunft weiter geht und was aus den wichtigen Personen Stadler, Winterkorn und der generellen Wirtschaft um den VW-Konzern insgesamt wird. Er hätte ebenfalls nicht gedacht, dass das gesamte Team so nah an die Problematik rankommen und den Fall Eichler aufdecken könnte. 

Volker Votsmeier schenkt sich ein Glas Wasser ein und betont, dass er durch das Aufdecken des Falls ein Lernbeispiel für andere entwickelt hat. Auch Außeinandersetzungen gehören immer dazu, allerdings werden dadurch Ressourcen gefressen. Volker Votsmeier hätte nichts anders gemacht, auch wenn es zwischenzeitlich trotz Absegnung durch die Justizabteilung durch die Nennung eines Namens zu rechtlichem Ärger gekommen ist. ,,Fehler und Probleme gehören einfach dazu, das ist ganz normal.“ (Louisa Diederichs) 


Jan Keuchel - Der Ermittler

Seine Spurensuche in Sachen Diesel begann mit guten Kontakten in die Polizei, Kriminalämter und Staatsanwaltschaften. Dass Jan Keuchel nebenbei Rechtsanwalt ist, machte ihm die Sache leichter. 

Jan Keuchel ist seit 1999 beim Handelsblatt als Redakteur tätig. Der erfolgreiche Journalist ist seit Jahren auch als Rechtsanwalt zugelassen. Im Zuge der aufwendigen, jahrelangen Recherchen har Keuchel besonders die juristischen Zusammenhänge des Volkswagen-Abgasskandals dokumentiert. Dabei habe ihm seine weitreichende Vernetzung stets geholfen, erzählt er. 

Obwohl die gesamte „Diesel-Equipe“ über immense Netzwerke und Kontakte verfügt, sogar bis in die Führungsebene bei Volkswagen, Audi und Co., bleiben einige „Wunschkandidaten“ doch noch offen: Oben auf der Liste „Noch zu Sprechen“ steht Martin Winterkorn. „Natürlich würden wir gerne mit Winterkorn sprechen - der will aber nicht mit uns sprechen!“, antwortet Keuchel schmunzelnd, stellvertretend für die Runde. „Bislang."

Keuchel trägt Brille und einen dunkelgrünen Wollpullover über dem Hemd, sitzt entspannt in Mitte seiner Kollegen und lässt anders als diese seine Hände vom Handy. 

Keuchel beteiligt sich lebhaft am Gespräch und erläutert, welche Momente des Stilstandes es während den Recherchen gegeben habe. Es passiere durchaus öfter mal, dass man mit einem Ermittlungsansatz nicht weiterkomme. „Manchmal aber bekommt man zufällig eine Telefonnummer, wo man nicht unbedingt viel von erwartet, man dann aber per Zufall den richtigen Mann hat, der einem alles erzählt“, sagt Keuchel freudig und nimmt sich einen Keks von der aufgetischten Kaffeetafel. Verlässliche Kontakte seien außerdem enorm wichtig, davon hänge der Erfolg der Recherche ab.

Jan Keuchel stand während der Recherchen immer wieder in Kontakt mit wichtigen Juristen, mit den Staatsanwaltschaften und der Polizei. Bedeutende Informationen hat die neunköpfigen „Diesel-Mannschaft“ von informationsschweren Leuten aus dem In- und Ausland erhalten und konnte sich somit notwendige Vorteile in der hart umgekämpften Diesel-Skandal-Berichterstattung verschaffen.

Internationalen Journalismus konnte Jan Keuchel während seiner Zeit als Japan- und Koreakorrespondent kennenlernen und praktizieren, da er für einige Jahre in Tokio gelebt hat.

Gefragt nach dem für ihn ganz Besonderen in der Recherche, was ihm speziell in Erinnerung blieb, antwortet Keuchel nach einer kurzen Denkpause begeistert: „Durch die Ermittlungsakten kamen die Personen ganz ungeschminkt zum Vorschein. (…) Die Leute werden von den Staatsanwaltschaften vernommen, da lernt man so einen Sachverhalt nochmal ganz anders kennen“.

Die Auszeichnung mit dem Wächterpreis sei für das gesamte „Diesel-Team“ eine freudige und aufregende Begleiterscheinung der Berichterstattung über Volkswagen und die Dieselaffäre. Ob man damit gerechnet und darauf hingearbeitet hat? Nein, sind sich alle in der Runde einig. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf könne man keine gute Recherchearbeit leisten.

Als dann aber die besondere Artikelsammlung vorlag, musste man nicht lange über die Einreichung für den Wächterpreis grübeln, erzählt Keuchel stolz. 

Trotz des Erfolges musste die Diesel-Crew jedoch auch mit Turbulenzen kämpfen, berichtet Keuchel, der 2015 schon einmal den Wächterpreis erhalten hatte, mit ernstem Blick. Man habe im Team eigenbestimmt arbeiten können, doch „von oben“ war nicht immer so viel Verständnis vorhanden. „Die Chefredaktion hat man schon gespürt. Die wollten uns nicht immer so viel Platz geben. Da mussten wir auch kämpfen“, sagt der in Düsseldorf arbeitende Jurist. 

Eine gute Teamleistung sei das gewesen, mit richtiger Aufgabenverteilung, die immer noch andauert, denn für ihn ist die Geschichte noch nicht ganz zu Ende: das Telefonat mit Martin Winterkorn steht ja schließlich noch aus. (Kera Fee Biswal) 


Stefan Menzel - Der Insider

Stefan Menzel ist seit drei Jahren Reporter im Mobilitätsteam des Handelsblattes und hat seit 15 Jahren Erfahrung in der Autobranche. Fragen, zu denen er keine Ansprechpartner finden, gab es im Dieselskandal nicht.

Stefan Menzel zählt zu den alten Hasen beim Handelsblatt. Er glänzt aber nicht nur durch jahrelange Berufserfahrung, sondern auch als Experte des milliardenschweren Unternehmen Volkswagen. Dementsprechend war es nicht verwunderlich, dass er mit seinen 8 Kollegen seit September 2015 an der Aufdeckung des Diesel- Skandals arbeitet. Nach zahlreicher Recherche, Treffen, Telefonaten etc. sind herausragende Artikel entstanden. Die herausragende Arbeit wurde belohnt. Stefan Menzel und seine Kollegen haben den ersten Preis des Wächterpreises gewonnen. 

Der VW-Experte gilt als As im Automobiljournalismus und baute sich in den vergangenen 15 Jahren ein riesiges Netzwerk auf. „Es gehört zu meiner Jobbeschreibung, dass ich einen engen Kontakt zu dem Unternehmen unterhalte, über das ich berichte“, erzählt er.  

Fragen zum Dieselskandal die unbeantwortet blieben, gab es und gibt es somit nicht. 

Im Konferenzraum erschien Menzel leicht verspätet, weil er noch an einem Text saß – über VW. Nicht über den Dieselskandal. Diese Geschichte hält er zurzeit für im Prinzip abgeschlossen.  

Im Prinzip deshalb, weil die juristische Aufarbeitung noch aussteht. Die Verfahren dauern lange, zu lange, findet Menzel. Erst nach Jahren gehen die Hauptverfahren los. Er gehe davon aus, dass vor allem Mitarbeiter aus der Entwicklungsabteilung zur Verantwortung gezogen werden. Denn dort sind die Manipulationen an den Fahrzeugen erdacht und umgesetzt worden. Das werde ein weiterer Pik in der Berichterstattung, auch deswegen sei das Thema noch nicht tot. 

Der VW-Experte lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sagte nachdrücklich, dass der neue Manager der Volkswagen AG Riess jetzt verantwortlich sei. Für Stefan Menzel geht es nun um neue wichtige Themen. Die Elektrifizierung. Zum Beispiel. Diese müsse jetzt vorangebracht werden, denn die Automobilindustrie steht derzeit im Wandel. So ist Stefan Menzel überzeugt, dass VW das schaffen wird „Als weltgrößtem Autokonzern wird es Volkswagen vielleicht sogar gelingen, Industriestandards bei diesen neuen Technologien zu setzen, die dann die gesamte Branche übernimmt“. 

Twitter. Das ist eine der Plattformen, auf der Menzel informiert. VW und der Dieselskandal sind somit die Themen für ihn . Einen eigenen Hashtag auf Twitter hat Stefan Menzel von einem sogenannten „Stalker“ erhalten.#Dieselmenzel. Alle lachten bei der Geschichte, sogar Menzel. Wobei der Hashtag gar nicht so positiv behaftet war. Der sogenannte Diesel-Menzel musste sich des Öfteren Kritischen Stimmen entgegensetzen, die behaupteten es sei langsam mal genug oder er sei zu spät dran mit der Berichterstattung über VW. Menzel lässt sich aber nicht von solch einer Stimme unterkriegen. Als er dies erzählte, winkte er den Diesel-Menzel mit der Hand ab, obwohl er weiterhin davon überzeugt ist, dass der #Dieselmenzel aktiv bleiben wird. 

Er berichtet weiter über die Automobilindustrie und vor allem über Volkswagen. Positiv wie negativ. (Celina Kruysen)


Mona Fromm & Alina Liertz - Die Analystinnen

Mona Fromm und Alina Liertz recherchierten in kürzester Zeit hunderte Gerichtsurteile zum Dieselskandal und erstellten eine Datenbank. Die waren mitunter sehr schwierig zu finden. Anschließend erstellten sie eine Datenbank und analysierten die Urteile auf regionale Unterschiede und herausstechende Zitate. Dabei fiel auf: Schon zu Beginn des Dieselskandals bezeichneten Gerichte das Verhalten von VW als "arglistig", "vorsätzlich" oder "betrügerisch".

Mona Fromm

„Ich würde mich als ehrgeizig und hard-working bezeichnen“, sagt Mona Fromm. Vermutlich trugen diese Eigenschaften dazu bei, dass sie Mitglied des neunköpfigen Recherche-Teams der Wirtschafts-Tageszeitung Handelsblatt wurde. Das Team hat den ersten Platz des Wächterpreises bekommen, weil es den Dieselskandal von Volkswagen aufdeckte.

Die 21-jährige Journalistin ist Studentin und Redakteurin zugleich. Als sie am Diesel-Skandal arbeitete, absolvierte sie ihr Volontariat im Investigativ-Team der Zeitung in Düsseldorf. Parallel studiert sie Journalismus und Volkswirtschaftslehre an der TU Dortmund, mittlerweile im 8. Semester. Sie macht beides parallel, weil sie das Journalismus-Handwerk praktisch und theoretisch lernen will.

Mona Fromm, erzählt, sie sei immer neugierig gewesen und hinterfrage viele Dinge in ihrem Alltag. „Es macht mir Spaß, mich intensiv in ein Thema einzulesen und dann darüber einen Text zu schreiben, in dem ich einen komplexen Sachverhalt einfach erklären muss.“ 

Für das Volontariat beim Handelsblatt entschied sie sich, weil sie Wirtschaftsjournalismus wichtig findet. „Viele, auch viele in meinem Alter, finden Wirtschaft langweilig, aber diese Themen stecken in so vielen Lebensbereichen, das finde ich spannend.“ Und genau das steht beim Handelsblatt im Mittelpunkt, dort haben alle Themen einen wirtschaftlichen Bezug. „Für mich ist das genau das Richtige. Ich möchte diese komplexen Dinge einfach darstellen können“, erklärt sie ihre Motivation.

Deshalb lernt sie auch Chinesisch. Sie möchte sich mit den komplexen Schriftzeichen auseinander setzen. Es dauere, bis man ein Schriftzeichen gelernt habe, aber sie finde das faszinierend.

Zusammenhänge verstehen, erwies sich als Hauptaufgabe bei der Recherche zum Diesel-Skandal: „Wir haben viel Arbeit darauf verwendet, die Hintergründe eindeutig und verständlich zu erklären. Alle Details sollten öffentlich werden, wir wollten aufklären, wer die Verantwortlichen waren“. Das ging nur in Teamarbeit.

Ihr Part an der Aufklärung? Gemeinsam mit ihrer Kollegin Alina Liertz, die in der Zeit ein Praktikum beim Handelsblatt machte, wühlte sie sich durch sämtliche Gerichtsurteile über Volkswagen. Sie erstellten eine Datenbank, mit allen Urteilen, die es zu dem Zeitpunkt in Deutschland gab. Am meisten überrascht, hat es Mona Fromm, wie lange der Konzern versucht hat, das Ausmaß der Manipulation zu vertuschen. „Wenn ich weiß, dass ich etwas falsch gemacht, oder, dass ich betrogen habe, dann würde ich versuchen zu kooperieren. Aber ich war natürlich noch nie im Vorstand eines Unternehmens. Ich kann mich nicht in die Lage der betroffenen Personen hineinversetzen - ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte.“ Die hartnäckige Recherche des Journalistenteams bewirkte, dass dieses Vertuschen ein Ende nahm.

„Dass wir für diese wichtige Arbeit auch noch mit einem Preis belohnt werden, ist umso schöner,“ kommentiert die Redakteurin den Wächterpreis. Recherche und Aufklärung des Diesel-Skandals gehen weiter, denn nur so können die Verantwortlichen auch zur Verantwortung gezogen werden. „Wir haben schon sehr viele Details herausgefunden, aber es gibt noch viele weitere.“

Sie selber arbeitet als Redakteurin gerade zwar an anderen Themen, wird aber den Fortgang der Dieselskandal-Geschichte weiterhin genau mit verfolgen.

Alina Liertz

„Mir war zu jeder Zeit bewusst, dass das ein Thema ist, das man mit extrem viel Ehrfurcht behandeln muss, weil es so immense Auswirkungen, auf die Menschen, die Betroffenen, auf die deutsche Wirtschaft und auf den Konzern hat. Volkswagen, ein riesiger Name in Deutschland und der Welt.“ Alina Liertz ist 27 Jahre alt, Journalistin und Journalistik-Studentin der HMKW in Köln. 

Es ist Mitte Mai und die Sonne scheint. Zum Treffen-, bei einer Tasse Kaffee in einem Café in Düsseldorf kommt die Journalistin im grauen Wollpullover, der bei dem Wetter zu warm scheint. Sie krempelt die Ärmel hoch. Ihre braunen, mittellangen Haare steckt sie mit der Sonnenbrille nach hinten: „Ist besser so ohne, oder?“

Die gebürtige Neusserin schreibt an ihrer Bachelorarbeit über Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Ansehen im Journalismus und arbeitet beim Lokalradio Antenne Düsseldorf, als Nachrichtensprecherin.

Die Radioreporterin absolvierte ihr sechsmonatiges Praxissemester bei der Wirtschafts-Tageszeitung Handelsblatt. „Mit Wirtschaft hatte ich mich vorher noch nicht großartig befasst, doch das Praktikum dort war für mich genau das Richtige, weil ich für die investigative Recherche brenne und ich mich gut für neue Sachen begeistern lassen kann.“ 

Beim Handelsblatt wird sie durch ihr Geschick in der Datenverarbeitung rasch zu einer Frau für die digitale „Wühlarbeit,“ wie sie es selbst bezeichnet. Das hat Folgen. So ist sie letztlich eine wichtige Kraft in gleich drei Rechercheteams, für die die Redaktion in den vergangen zwei Jahren Preise erhielt.

Eine dieser Recherchen betraf die Diesel-Affäre. 

Überrascht hat es sie schon, als sie von der Auszeichnung mit dem 1. Platz des Wächterpreises erfuhr. „Ich wusste gar nicht, dass die Artikel eingereicht wurden, ich arbeite ja nicht mehr dort“, erzählt sie, denn da war ihr Praktikum längst zu Ende. Sie trinkt von ihrer Rhabarber-Schorle.

Mit dem Wächterpreis ausgezeichnet zu sein, sei „natürlich ein gutes Gefühl.“ Es würdige die eigene Arbeit und bedeute, dass diese gut war. Aber sie sei nur ein kleines Stück des Weges mitgegangen: „Die anderen Kollegen des Teams, die die Kontakte haben, die sind schon seit Jahren an der Aufarbeitung des Diesel-Skandals dabei.“

Wie kam es zu dem Praktikum beim Handelsblatt? 2017 war Alina Liertz mit einer Dozentin ihrer Uni in Russland beim deutsch-russischen Medienforum. „Dort habe ich gemerkt, wie wichtig die freie und investigative Presse ist.“ Sie liebt die Herausforderungen- und auch, sich mit Dingen zu beschäftigen, die sie nicht direkt begeistern. Beim Medienforum in Russland, lernt sie Sönke Iwersen kennen, den Leiter des Investigativ-Teams des Handelsblattes, und fragt ihn, ob sie ein Praktikum beim Handelsblatt machen kann. Es klappt.

Von Oktober 2017 bis März 2018 arbeitet sie in Düsseldorf. Iwersen wählt sie und Mona Fromm, Redakteurin beim Handelsblatt, für sein Recherche-Team aus und beauftragt sie, für die Aufarbeitung des Diesel-Skandals eine Datenbank zu erstellen und eine Chronologie, wann was wie und wo passierte. Zunächst überlegten sie sich auf welche Aspekte, sie genauer achten wollten, dann erstellten sie eine Excel-Tabelle. 

„Eine analytische Arbeit, die sehr aufwendig war und recht stumpf. Dann stellt man aber die ersten Sachen fest, zum Beispiel, dass im Landgericht Braunschweig eher pro Volkswagen entschieden wurde, das lässt ein erstes Geschmäckle zurück,“ erklärt die Journalistik-Studentin.

Wörter, wie „sittenwidrig“, „arglistig“ oder „vorsätzliche Täuschung“, tauchten während ihrer Recherchen immer wieder auf. „Das waren ganz klare Aussagen, wie VW sich verhalten hat, verhält und wie sie mit dem Skandal umgehen,“ so Alina Liertz.

Sie interpretiert das so, dass Menschen, die einen Volkswagen besaßen und nun entdeckten, dass sie offenbar betrogen worden sind, das Gefühl hatten, gegen einen riesigen Konzern komme man nicht an. „Aber, wenn du dann veröffentlichst, wo sich Anwaltskanzleien für betrogene VW Kunden einsetzen, dann gibt das, dem ein oder anderen, der das liest, das Gefühl, okay, ich kann mich vielleicht doch dagegen wehren.“ Belegen kann die Journalistin dies nicht, aber sie hält es für möglich. „Das ist meine Verpflichtung als Journalistin, aufdecken und informieren.“

Nach dem Bachelorabschluss im September will sie ein Volontariat machen.

„Irgendwann möchte ich mal so den Journalismus praktizieren, wie meine Kollegen, des Recherche-Teams zum Diesel-Skandal,“ sagt die Journalistin entschlossen. Die auch mit diesem Projekt nochmals erweiterte Routine im Auswerten von Daten komme ihr dabei sicher auch zugute. (Charlotte Teigelkamp)


Sönke Iwersen - Der Drehbuchschreiber 

1000 Details sind noch keine Geschichte. Sönke Iwersen puzzelte die zahllosen Einzelteile des Dieselskandals zu immer neuen Krimis zusammen. Sein Faible für Hollywood mag dabei eine Rolle gespielt haben. 

Sönke Iwersen hat schon zahlreiche Preise für seine journalistische Arbeit bekommen und nun zum dritten Mal den Wächterpreis. Er wirkt locker und freundlich, blauer Anzug, weißes Hemd – ein bescheiden auftretender Preisträger. Gemeinsam mit sieben von neun Arbeitskollegen erzählt er im Konferenzraum des Handelsblatts, was sie alles umgetrieben hat, seit sie im September 2015 begannen, zum Diesel-Skandal von Volkswagen und Audi zu recherchieren. Mit dem Preis habe er nicht gerechnet, aber ihm sei bewusst gewesen, dass sie viel geleistet haben. 

Sönke Iwersen leitet das Investigativ-Rechercheteam: „Was wir herausfanden, erschreckte uns selber immer wieder aufs Neue“. Besonders erstaunte ihn ein E-Mail-Verkehr eines ehemaligen VW-Managers mit seiner Sekretärin, der der Redaktion zugespielt worden war. Zu einem Zeitpunkt als der Skandal einen Höhepunkt erreicht hatte, trieben den Manager andere Dinge weit mehr um: „Also, wenn ich Dir jetzt beschreibe, was ich in meiner Phantasie alles mit Dir anstelle, dann kann ich mich nachhaltig für den Rest des Tages nicht mehr auf meinen Job konzentrieren.“ Zum Beispiel.  

Schlafzimmergeschichten sind eigentlich für das Handelsblatt kein Thema. Hier ging es darum, aufzuzeigen wie der Volkswagen-Konzern intern arbeite und sich in einer Krise mehr um die Phantasien für die Sekretärin schere, als sich um die Skandale im Konzern zu kümmern. 

Sein Blick zeigt alles. VW bietet viel Stoff zur Berichterstattung. Deshalb sagt Iwersen selbst: „Da ist genug Fleisch am Knochen“.  

Jedoch ist der Diesel-Skandal weit mehr als nur sexuell eindeutige E-Mails, welcher trotzdem ein absoluter Glücksgriff war. Um Struktur in den Skandal zu bekommen, wälzen Iwersen und seine Kollegen hunderte von Akten. Zwischendrin, ist auch reines Gold zu finden.  

Die Arbeit wurde belohnt, indem sie den E-Mail-Verkehr auf höchster Ebene durchforsteten. Dabei stieß Sönke Iwersen mit seinen Kollegen auf zwei Wörter: „Bescheiß-Software“. Einer der VW-Manager benutzte schwarz auf weiß, die Wörter „Bescheiß-Software“. 

Das war ein Gewinn für das Team. Sönke Iwersen lachte bei der Bescheiß-Software ungläubig und erklärte verschmitzt, dass solch Aussagen in der Schublade landen und zu gegebenen Anlass gerne wieder rausgeholt werden. Für Sönke Iwersen und seine Kollegen ist der Fall Dieselskandal bei weitem noch nicht ad acta zu legen. Die Berichterstattung folgt für mindestens noch 7 Jahre.  

Jedoch ist dem Journalisten nicht nur wichtig, die größten Geschichten zu enthüllen. Abschließend erzählte er lächelnd, dass es auch bereitwillig einen Artikel über Magnesium-Schrauben schreibt. Anstatt sich dabei die Haare zu raufen, schätzt er es, etwas über die Materie zu lernen. Ihm ist es nicht nur wichtig, die größten Geschichten zu enthüllen, sondern auch ganz normale Dinge zu behandeln, wie zum Beispiel Magnesium-Schrauben. (Celina Kruysen)


Markus Fasse – Der Herr der Vier Ringe

Als München-Korrespondent hat Markus Fasse den Automobilhersteller Audi seit mehr als 15 Jahren fest im Blick. Er begleitete den großen Aufstieg und den großen Fall der Marke mit den vier Ringen. Mit kaum einem anderen Manager sprach Fasse so häufig und so intensiv wie mit dem geschassten Audi-Vorstandsvorsitzenden Rupert Stadler.

„Made in Germany” bezeichnete Ende des 19. Jahrhunderts deutsche Produkte und oftmals Plagiate aus Großbritannien und war eine Warnung vor minderer Qualität. Heute ist diese Zuschreibung eine Auszeichnung. Im Made-in-Country-Index 2017 liegt Deutschland auf dem ersten Platz. Das heißt, weltweit stehen deutsche Produkte für beste Qualität. Deutsche Automarkten zählten lange Zeit zu den hochangesehenen. Der Dieselskandal hat Volkswagen, aber auch Audi einen großen Imageschaden zugefügt. Das Manager Magazin bezeichnet Audi als "Sanierungsfall", eine Leserbefragung des Magazins Auto Motor und Sport (Motorpresse Stuttgart) beschreibt einen weiteren Abwärtstrend: 37 Prozent der Befragten und damit vier Punkte weniger als im Vorjahr mögen die Marke“. Doch auch das ist noch nicht die ganze Geschichte. 

Markus Fasse, der Automobilexperte des Handelsblatts, sagt, er habe vorher noch nie einen vergleichbar folgenreichen Fall erlebt wie den Dieselskandal. „Der Siemens-Schmiergeld-Skandal 2008 hatte nicht annähernd solche Auswirkungen“, erinnert er sich. „Der Dieselskandal ist der Auslöser für den Umbau einer ganzen Industrie. Weg vom Verbrenner, hin zum Stromauto“. Das sei auch ein Grund dafür, dass VW-Chef Herbert Diess jetzt voll auf die Elektromobilität setze. 

Fasse baute sich in den vergangenen fünfzehn Jahren ein riesiges Kontakte-Netzwerk  in der Automobilindustrie auf und gilt in der Redaktion des Handelsblatts als der Audi-Experte. Fasse erzählt, dass er besonders zu dem damaligen Audi-Vorstandsvorsitzenden Rupert Stadler regelmäßig Kontakt hatte, zuletzt im Frühjahr 2018, kurz bevor Stadler vorläufig festgenommen wurde. Der Grund: Verdunklungsgefahr. Rupert Stadler soll versucht haben, Zeugen zu beeinflussen. Markus Fasse beschreibt das Verhältnis zu Stadler als professionell distanziert und kritisch. Grundlegend für ihre vielen Gespräche war, dass Stadler ihm vertraut habe, sagt Fasse: „Es gab eine gewisse Vertrauensbasis, nicht alles sofort zu schreiben, was gesagt wurde.“ 

Bei Stadler sei es wahrscheinlich, dass er angeklagt werde, vermutet Fasse. Auch bei anderen führenden VW- und Audi-Managern. Wenn diese Prozesse beginnen, werde diese die Diskussionen rund um den Dieselskandal neu anheizen. In der Sache aber ist für Fasse der Dieselskandal weitgehend abgehakt. „Die Unternehmen sehen den Diesel langfristig als Auslaufmodell und bereiten sich massiv auf die Einführung des Elektroautos vor. Der VW-Konzern, Brennpunkt der Dieselkrise, hat die ehrgeizigsten Pläne zu Einführung von Elektroantrieben.“ Nicht nur der Skandal, auch der Wandel der Branche ist ein Thema, an dem der Automobilexperte des Handelblatts dranbleiben wird. (Celina Kruysen) 

Online am: 22.05.2019
Aktualisiert am: 11.06.2019


Inhalt:

Der VW-Abgasskandal - eine Recherchereihe


Tags:

Umwelt | wirtschaftliche Macht

Auszeichnungen:

"Wächterpreis der Tagespresse" 2019