Die Berichte des Tölzer Kurier, 25.10.2017
Kläranlage: Staatsanwalt ermittelt wieder
Zeugen werden vernommen – Gutachten ist fertig, wird aber noch nicht veröffentlicht – Kritik an Kalkulation
Benediktbeuern/Bichl/Sindelsdorf – Nach den umfangreichen Recherchen unserer Zeitung zu Unregelmäßigkeiten auf der Kläranlage von Benediktbeuern, Bichl und Sindelsdorf hat die Staatsanwaltschaft München II bereits vor einiger Zeit wieder die Ermittlungen aufgenommen. Wann mit einem Ergebnis zu rechnen ist, lässt sich derzeit nicht sagen.
Wie im März berichtet, hatten Personen und Firmen jahrelang auch außerhalb der Öffnungszeiten und ohne Aufsicht Zugang zu dieser Anlage.
Wie die Benediktbeurer Rathausspitze im Gespräch mit unserer Zeitung einräumte, waren 13 Schlüssel in Umlauf. Allem Anschein nach ist es zu unkontrollierten Einleitungen von Fäkalien gekommen. In der Anlage gab es in den vergangenen Jahren ungewöhnlich hohe Mengen an Klärschlamm.
Auch bei der Vergabe der Aufträge für die Entsorgung des Klärschlamms war es zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Wie die Recherchen des Tölzer Kurier ergaben, hat es in zurückliegenden Jahren von Seiten des Rathauses unter Altbürgermeister Georg Rauchenberger mehrfach keine Ausschreibung gegeben. Außerdem fehlt in mehreren Fällen der notwendige Beschluss, den Auftrag an die Firma zu vergeben. Ein solcher Beschluss muss von den Mitgliedern der Verwaltungsgemeinschaft (Gemeinderäte aus Benediktbeuern und Bichl) gefasst werden. Es handelt sich um Klärschlamm- Entsorgungsaufträge im Wert von jeweils mehreren zehntausend Euro. Die Gemeinde holte die Angebote nach eigener Aussage telefonisch ein, ohne genaue Details, zum Beispiel die Menge, festzulegen. Eine Firma aus Baden-Württemberg erhielt jahrelang den Auftrag.
Die Staatsanwaltschaft ermittelte bereits von August 2015 bis Mai 2016 in dieser Angelegenheit. Sie stellte diese dann ein mit der Begründung, dass „ein Tatnachweis nicht zu führen war“. Wie der Tölzer Kurier erfahren hat, hat die Staatsanwaltschaft diese Ermittlungen nun wieder aufgenommen und mehrere Zeugen erneut vernommen.
Der Klärwärter, der die Anlage jahrelang betreute, wurde mittlerweile versetzt. Um die Anlage kümmert sich nun eine externe Fachfirma. Die Menge des Klärschlamms ist seither erheblich zurückgegangen. „Der deutliche Rückgang ist uns nicht erklärlich“, sagte Baudirektor Johannes Riedl vom Wasserwirtschaftsamt Weilheim (WWA) im März unserer Zeitung (wir berichteten). Seit Frühjahr läuft die Anlage verkleinert (im Fachjargon spricht man von „einstraßig“) – und das WWA ist mit den Werten zufrieden: „Nach unserer Kenntnis und den Überwachungswerten läuft die Kläranlage sehr gut“, teilte Riedl jetzt auf Nachfrage mit. Wie berichtet, wurde die Anlage 2009 für 3,7 Millionen Euro neu gebaut, womöglich viel zu groß.
Zug um Zug kommen weitere Details an Licht. So hat die überörtliche Staatliche Rechnungsprüfung nun die beiden Gemeinden Benediktbeuern und Bichl sowie deren Verwaltungsgemeinschaft (VG) für den Zeitraum 2010 bis 2015 intensiv geprüft. Details zur VG wurden noch nicht öffentlich vorgestellt, aber zur Gemeinde Benediktbeuern. In der Ratssitzung vergangene Woche wurde aus dem Bericht zitiert. Demzufolge hat die Gemeinde bei der Wasser- und Abwasserkalkulation „zu wenig gemacht“, sagte Bürgermeister Hans Kiefersauer. Weitere Details waren auf Nachfrage nicht zu erfahren.
Auf Druck der Gemeinde Bichl hatte die VG im Frühjahr einen Gutachter beauftragt, die Kläranlage zu untersuchen (wir berichteten). Das Gutachten ist seit Sommer fertig, öffentlich vorgestellt wurde es bis heute nicht. Auf Anfrage teilte Kiefersauer Anfang Oktober mit, dass derzeit eine Stellungnahme des ehemaligen Klärwerksleiters „bewertet und gegebenenfalls eingearbeitet werde“. Wann die nächste VG-Sitzung stattfindet, ist noch offen. Dem Wasserwirtschaftsamt Weilheim liegt das Gutachten nacheigenen Angaben nicht vor.
Siehe auch den dazugehörigen "Kasten" Causa Kläranlage: Eine Entwicklung im Strudel von Verwaltung und Spar-Anordnungen, der zu diesem Bericht gehört, aber hier als eigenständiger Artikel gespeichert ist
Online am: 25.10.2017
Aktualisiert am: 30.05.2018
Inhalt:
- Wie sich Missstände abstellen lassen: Öffentlichkeit durch eine Tageszeitung. Eine kleine Chronologie
- Wie die "Schmutzige Geschichte" entstand: das Making-of des Tölzer Kurier
- Was nach dem Gutachten von 2018 ("Es passt nicht alles zusammen") geschieht
- Was eine "saubere Verwaltung", Effizienz, Qualitätssicherung und Whistleblowing miteinander zu tun haben
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