Khaled el MASRI: Chronologie einer Entführung und ihrer Folgen

1985

Khaled El MASRI emigriert aus dem Libanon nach Deutschland


frühe 1990er Jahre

Die CIA beginnt ihre „Rendition Programs“ – unter dem US-Präsident Bill CLINTON und lange vor den Ereignissen des 11.September 2001. Das Verschleppen von Gefangenen in andere Länder, in denen andere Gesetze gelten, ist vom Weißen Haus autorisiert. 
Dies wird erst viele Jahre später, zum ersten Mal am 6.3.2005 durch die  New York Times  bekannt


1995

10 Jahre nach seiner Einreise erhält El MASRI die deutsche Staatsbürgerschaft


Dezember 1998

Mehrere Geheimdienste teilen sich untereinander mit, dass der Kommandeur der Mudschahidin-Brigade in Bosnien Sprengstoff nach Süddeutschland schmuggeln wolle. Auch das BKA, der BND und die CIA sind alarmiert


08.01.1999

Schauplatz Europa:
Grenzbeamte finden in einem Reisebus bei einem Kurier des Kommandeurs der bosnischen Brigade tatsächlich zehn Sprengzünder, die für einen Algerier in Freiburg bestimmt sind. Die CIA nimmt daher die islamistische Freiburger Szene unter die Lupe. Der Treffpunkt der Szene verlagert sich aber nach Neu-Ulm. Dort taucht auch der Deutsch-Ägypter Reda SEYAM auf, der zeitweise in einem indonesischen Gefängnis eingesessen hatte und europaweit als einer der einflussreichsten Anhänger des „Heiligen Krieges“ gilt.
El MASRI, der in Neu-Ulm lebt, und Kontakte zu islamischen Gemeinden unterhält, kommt dabei in freundschaftlichen Kontakt zu Reda SEYAM und zu Yehaia Y., der auch als Informant für den baden-württembergischen Verfassungsschutz arbeitet. Die CIA setzt den Namen „El MASRI“ auf ihre schwarze Liste


seit September 2001

Schauplatz USA:
Nur 6 Tage nach den Ereignissen des 11.9. gibt US-Präsident George W. BUSH der CIA erweiterte Vollmachten: Sie darf Al Quaida-Angehörige überall in der Welt festsetzen und gegebenenfalls auch töten. Diese Generalerlaubnis wird erst im Jahr 2005 durch eine Reporterin der  Washington Post  bekannt, die für diese Enthüllung und ihre anderen Recherchen über Geheimgefängnisse in Osteuropa ein Jahr später, 2006, den renommierten Pulitzer-Preis erhalten wird. 
Davon und auch von den parallelen Aktivitäten der CIA weiß bisher jedoch noch niemand:
Die CIA chartert vermehrt Flugzeuge für Flüge in den Nahen Osten, um Gefangene hin- und herzutransportieren


18.12.2001

Schauplatz Schweden:
Auf dem Stockholmer Flughafen landet um 20:45 Uhr ein kleines Flugzeug, das einer Tarnfirma des CIA gehört: Zwei Asyl suchende Bewerber aus Ägypten, Ahmed AGIZA und Muhammed AL-ZERY werden auf Grund eines Beschlusses der schwedischen Regierung ausgewiesen und den vermummten Flugbegleitern aus den USA ausgeliefert. Von dort werden sie in ein ägyptisches Foltergefängnis verschleppt - MUBARAK, der ägyptische Diktator, gilt den Amerikanern als verlässlicher Verbündeter und Bruder im Geiste


21.12.2001

Über diese Ausweisung, die völlig untypisch für Schweden ist, erscheint wenige Tage später in der Tageszeitung Dagens Nyheder  ein kleiner Bericht. 
Drei Reporter des schwedischen TV-Magazins  Kalla Fakta  werden aufmerksam. Insbesondere der Hinweis, dass Ägypten versprochen habe, die Ausgelieferten „nicht zu foltern“ und diese Garantie einem eigens zu diesem Zwecke nach Ägypten gereisten stellvertretenden Minister gemacht wurde, erregt die Aufmerksamkeit der schwedischen Journalisten. Sie beginnen zu recherchieren. 
Die schwierigen Recherchen werden 2 ½ Jahre dauern, bis diese Story am 17.Mai 2004 ausgestrahlt werden kann


Januar 2002

Schauplatz USA:
US - Justizminister GONZALES befürwortet die Legalisierung von Folter von Gefangenen im „Krieg gegen den Terror“ 


Mitte 2002

Die CIA kann erfolgreich zwei erste Vereinbarungen über geheime Gefängnisse abschließen: mit Thailand und einem weiteren Land in Osteuropa, das bis heute noch nicht bekannt ist. Diese “secret black-site deals” werden erst 2005 durch die  Washington Post  bekannt


August 2002

Schauplatz Schweden
Unter Berufung auf das schwedische Informationsfreiheitsgesetz ist es den  Kalla Fakta -Reportern möglich, beim schwedischen Außenministerium Akten einzusehen. Diese dokumentieren aber nur den Entscheidungsvorgang der Auslieferung in Schweden


13.02.2003

Schauplatz Italien
In Mailand wird am helllichten Tag der Ägypter Hassan Mustafa Osama NASR entführt, der unter dem Namen Abu OMAR als Imam amtiert. Er wird von einer Crew von CIA-Leuten, die vom italienischen Geheimdienst unterstützt werden, über die deutsche US-Basis Ramstein nach Ägypten in ein Spezialgefängnis ausgeflogen. 'Frei', d.h. unter Hausarrest mit Auflagen, kommt er erst Anfang 2007 - nach 4 Jahren. Nach Italien zurück lassen ihn die Folterknechte nicht (siehe Februar 2007)


31.12.2003

Schauplatz Deutschland - Mazedonien:
El MASRI fährt nach einem Ehestreit mit dem Bus von München nach Mazedonien, um dort Urlaub zu machen. Er wird an der Grenze abgefangen, nach Skopje ins Hotel „Skopski Merak“ gebracht und tagelang verhört


23.01.2004

Schauplatz Europa, Afghanistan
Der SPIEGEL  wird knapp zwei Jahre später, am 12.12.2005, die Ereignisse dieses Tages so beschreiben:
„El Masri wird zum Flughafen gebracht und einem Team schwarzvermummter Amerikaner übergeben. Diese hätten ihn gewaltsam entkleidet, fotografiert und gefoltert, bevor sie ihn mit verbundenen Augen und zugestöpselten Ohren zu einen Jet gebracht hätten. An Bord, so recherchierten später spanische Ermittler, befanden sich 13 US-Amerikaner mit Diplomatenpässen. Die private Maschine trug die Kennung N313P und war auf die Firma "Premier Executive Transport Services Inc." in Dedham, Massachusetts, zugelassen, angeblich eine Tarnfirma der CIA. Die Maschine startete wieder gegen Mitternacht und flog nach einer Zwischenlandung in Bagdad sofort nach Kabul weiter. Als Masri aus der Narkose erwachte, mit der man ihn für den Flug willenlos gemacht hatte, fand er sich in einem schmutzig-kalten Betonloch wieder, dessen Wände mit Kritzeleien in Arabisch, Urdu und Farsi bedeckt waren. Nach Überzeugung seines Anwalts war Masri in der "Salzgrube" gelandet, einer verlassenen Ziegelfabrik im Norden Kabuls, die der CIA als Gefängnis für Terrorverdächtige diente."

Dies ist der Flugplan der fraglichen CIA-Maschine, wie er - ebenfalls später - von dem Europaparlamentsabgeordneten Dick MARTY rekonstruiert werden wird:

Die Maschine hatte vorher Zwischenstation auf Mallorca gemacht, die professionellen CIA-Kidnapper ein kleines Erholungspäuschen.


Januar – Mai 2004

Fünf Monate lang wird El MASRI in einem afghanischen Internierungslager eingesperrt und, nach eigener Aussage, unter Drogen gesetzt und gefoltert


März 2004

El MASRI geht in den Hungerstreik, den er 35 Tage lang durchhält. Nachdem man ihm mitteilt, dass es die Amerikaner nicht interessiert, ob er lebt oder tot ist, hört er mit Hungern auf 


Mai 2004

Einem offiziellen US-Regierungs-Statement zufolge erfolgt die Freilassung El Masris auf direkten Befehl der US-Außenministerin Condoleeza RICE, nachdem sie im April 2004 erfahren hat, dass es sich bei dem gefangen gesetzten El MASRI nicht um das gesuchte gleichnamige Al Quaida-Mitglied handelt. 
El MASRI wird von einem Mann namens „Sam“ abgeholt, der ihn auch im Gefängnis besucht und ihn ausgefragt hatte


17.05.2004

Schauplatz Schweden
Knapp 2 ½ Jahre nach dem Vorfall, enthüllen drei Reporter des schwedischen Fernsehmagazins  Kalla Fakta ", Frederic LAURIN, Sven BERGMAN und Jachim DYFERMARK, beim Sender TV4 die Wahrheit über die „Abschiebung“ der beiden Ägypter Ahmed AGIZA und Muhammed AL-ZERY am 18. Dez. 2001. 
Die Sendung legt offen, daß die Abschiebung im Rahmen des "extraordinary renditions" Programm der USA geschah. Den Reportern liegen Orginaldokumente vor, die die in der Sendung präsentierten Zeugenaussagen bestätigen: Beide Männer wurden in der ägyptischen Gefangenschaft systematisch gefoltert. Die Reporter haben ihre Recherchen detailliert beschrieben: in der "Internationalen Zeitschrift für Journalismus" namens  message , Heft 1/2006. Mit freundlicher Genehmigung der  message  -Redaktion können wir Ihnen dieses  Rechercheprotokoll  hier präsentieren (Informationen über die Zeitschrift finden Sie unter  www.message-online.com )


24.05.2004

In einem zweiten Bericht sendet  Kalla Fakta  ein Interview mit dem einzigen zur fraglichen Zeit auf dem Flughafen Stockholm anwesenden uniformierten Polizisten. Dieser bestätigt, dass die beiden Abgeschobenen amerikanischen Agenten übergeben worden waren. Daraufhin macht die schwedische Staatsregierung in ihrer Darstellung eine komplette Kehrtwende und räumt ein, dass die beiden Asylsuchenden in Ägypten möglicherweise gefoltert worden seien. Bekannte Institutionen wie Human Rights Watch und Amnesty International fordern eine breite, internationale, unabhängige Untersuchung unter Leitung der UN


29.05.2004

Schauplatz Afghanistan, Balkan, Deutschland:  
El MASRI wird aus Afghanistan ausgeflogen und landet an einem unbekannten Ort auf dem Balkan


31.05.2004

Der bundesdeutsche Innenminister Otto SCHILY, SPD, wird vom in Berlin stationierten US-Botschafter Daniel COATS von der irrtümlichen Entführung eines Deutschen durch die CIA informiert. SCHILY verspricht, wie von den USA erbeten, darüber nichts verlauten zu lassen.
Später wird SCHILY – auf die Frage, weshalb er der Staatsanwaltschaft keinerlei Informationen gegeben habe – argumentieren:  „Ich bin nicht der Erfüllungsgehilfe der Staatsanwaltschaft.“


03.06.2004

El MASRI gelangt wieder nach Deutschland


Juni 2004

Der Rechtsanwalt El MASRI’s, Manfred GNJIDIC, bittet das Bundeskanzleramt um Hilfe. Im Auftrag der Regierung prüft der Bundesnachrichtendienst die Vorwürfe.
Ganz offiziell ermittelt die Staatsanwaltschaft München I. Von der Unterrichtung des Bundesinnenministers SCHILY durch den US-Botschafter (31.Mai) erfährt die Staatsanwaltschaft erst 1 1/2 Jahre später - im Dezember 2005.
Rechtsanwalt GNJIDIC erstattet außerdem Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung


29.06.2004

Die Bundesanwaltschaft prüft die Angelegenheit nach eigenen Angaben im Juni 2004 zwei Mal ausführlich, entscheidet aber am 29. Juni endgültig, die Sache nicht zu übernehmen


11.08.2004

Das Bundesamt für Verfassungsschutz bittet den US-Geheimdienst um Hinweise. Eine Antwort erfolgt nicht


29.10.2004

Auch das BKA bittet das FBI um Hinweise. Eine Antwort gibt es nicht. Auch auf eine erneute Nachfrage Anfang Dezember werden die US-amerikanischen Verbündeten den deutschen Behörden einfach nicht antworten


November 2004

Schauplatz Ägypten:
Der von den Schweden im Jahre 2001 an CIA-Agenten Asyl suchende Ägypter AL-ZERY ist endgültig frei. Die ägyptische Regierung hatte nach der  Kalle Fakta -Sendung der schwedischen Regierung mitgeteilt, dass sämtliche Vorwürfe fallen gelassen worden seien. AL-ZERY war zwar schon ein Jahr zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden, stand aber unter Hausarrest. Der andere Ägypter hingegen wurde von einem Militärgericht zu 15 Jahren Haft verurteilt


09.01.2005

Schauplatz USA und Deutschland:
Das Thema und der Fall werden jetzt auch in Deutschland öffentlich - vor allem durch 3 Medien:

1) Die  New York Times (NYT)  bringt das Schicksal von Khaled El MASRI als erste ans Tageslicht - in ihrer Sonntagsausgabe:  German's Claim of Kidnapping Brings Investigation of U.S. Link
Die Journalistin, Souad MEKHENNET, Mitverfasserin des Buches "Die Kinder des Dschihad. Die neue Generation des islamistischen Terrors in Europa", hatte die Geschichte von El MASRI erfahren


14.01.2005

Wenige Tage später greift  2) die  Süddeutsche Zeitung (SZ)  die Geschichte der  NYT  auf: Reise in die Dunkelheit


01.02.2005

3) Die  ZDF -Redaktion  Frontal21  entscheidet sich ebenfalls, El MASRI’s Geschichte zu machen, will aber einen Teil seiner Erzählungen selbst überprüfen, bevor sie damit auf Sendung geht. Dazu

  • fliegen die Reporter nach Mazedonien, um den Vorfall vor Ort zu überprüfen
  • unterhalten sich selbst mit El MASRI
  • führen zusätzliche Gespräche mit einer ehemaligen CIA-Agentin und Kenneth ROTH, dem Direktor von Human Rights Watch.

Außerdem bekommen sie - auf gezielte Anfrage bei einigen Informanten - einen Flugplan jenes Flugzeugs, mit dem El MASRI von Skopje nach Kabul entführt wurde.
Jetzt sind die Fakten wasserdicht und die Geschichte kann über den Bildschirm gehen:  Ein Deutscher und die Geheimdienste
Über diese Recherchen berichten die beiden Autoren in einem  Interview  mit uns


02.02.2005

Nur einen Tag später trifft Bundesinnenminister SCHILY den CIA-Direktor Porter GOSS und spricht ihn auf den Fall El MASRI an.  "Inhalt und Ergebnis des Gesprächs sind der Bundesregierung nicht bekannt" , wird diese später dazu lapidar mitteilen


14.02.2005

Jane MAYER veröffentlicht im Magazin  The New Yorker  ein Interview mit Maher ABAR, ebenfalls einem Opfer einer CIA Entführung. In diesem Bericht wird das "extraordinary rendition" Programm beschrieben:  Outsourcing Torture
Das Thema und der Vorgang wird aber auch von  www.democracynow.org  dokumentiert.
In Deutschland ist es vor allem die  Süddeutsche Zeitung , die ab jetzt kontinuierlich das Thema auf der Tagesordnung hat. Sie wird 2007 dafür einen "Wächterpreis der Tagespresse" zuerkannt bekommen:  CIA und Guantanamo in Deutschland


22.02.2005

Frontal21  bringt bereits einen zweiten Beitrag:  Weitere Ermittlungen im Fall El Masri . Die Redakteure berichten, dass die Bundesregierung - ausgelöst durch die Informationen der Medien - ein offizielles Rechtshilfeersuchen an die mazedonische Regierung auf den Weg gebracht hat.
Offizielle Stellen in Mazedonien geben nun erstmals ihre Mitwirkung an der Verschleppung zu. Berlin will sich nicht zu dem Vorfall äußern. Die deutschen Ermittlungen werden in Mazedonien aufmerksam beobachtet.
Parallel dazu macht die  Süddeutsche Zeitung  bekannt, dass die CIA seit September 2001 Verächtige in ausländische Gefängnisse verschleppen "darf"


April 2005

Die Staatsanwaltschaft München lässt El MASRI’s Haare untersuchen. Die Ergebnisse bestätigen seine Angaben, er habe in Afghanistan in einem Gefängnis eingesessen


23.04.2005

Nach und nach werden weitere Details bekannt. In Deutschland ist es vor allem die täglich erscheinende  Süddeutsche Zeitung  bzw. ihr investigativer Reporter Hans LEYENDECKER, der Informationen aus den USA übersetzt, aber auch aufgrund seiner eigenen Kontakte Aufklärung betreibt. So wird z.B. bekannt, dass das Weiße Haus regelmäßig über das Verschleppungs-Programm informiert wurde. Ebenso wird publik, dass El MASRI’s Freilassung auf persönliche Order der US-Aussenministerin Condoleeza RICE erfolgt war, nachdem sie im April 2004 erfahren hatte, dass es sich „leider“ um eine Verwechslung gehandelt habe Frontal21  sendet zum dritten Mal in Sachen El MASRI:  Terrorverdächtige vom CIA verschleppt? . Laut Verhörprotokollen, die  Frontal21  vorliegen, berichten schwedische Geheimdienstmitarbeiter, über den Ablauf der Übergabe von zwei ägyptischen Asylbewerbern auf dem Stockholmer Flughafen Bromma Ende 2001. Die geheimen CIA-Maschinen tauchen nach Recherchen der Redaktion überall in Europa auf. 
Sozialdemokraten im EU-Parlament fordern Aufklärung, der Anwalt EL MASRIS fordert Entschädigung für seinen Mandanten


Mai 2005

Schauplatz Europa:
Inzwischen hat  der britische Journalist Stephen GREY  im Zusammenhang mit seinen seit 2003 andauernden Recherchen über die vielen heimlichen Flüge Kontakt mit einem Journalisten auf der Urlaubsinsel Mallorca aufgenommen. GREY hatte herausgefunden, dass die CIA-Flieger dort oft Zwischenstation machen: Mallorca ist hübsch, es ist warm, das Meerwasser klar und in den besseren Hotels lässt es sich angenehm ausspannen - professionelles Kidnapping und die anschließende Deportation von Menschen in andere Länder reibt schließlich auch die hartgesottensten Nerven auf.
Der spanische Journalist Matias VALLES  hat darüber für seine eigene Zeitung  Diario de Mallorca  berichtet. Die Polizei, die ebenfalls Zeitungen liest, setzt daraufhin Ermittlungen vor Ort in Gang, u.a. in dem fraglichen Golfhotel "Mariott Son Antem", lässt sich beispielsweise Kopien der Hotelmeldezettel mit den Namen und den Passnummern aushändigen, sammelt die FLugdaten auf dem Airport ein usw. Alles findet Eingang in einen 88seitigen Bericht, an den wiederum zunächst der spanische Journalist gelangt - die Spanier sind nicht sehr begeistert, dass die CIA ausgerechnet ihre Insel zur Drehscheibe illegaler Menschentransporte macht. Hier der vollständige Ermittlungsbericht (ES):

VALLES reicht eine Kopie des Polizeiberichts an Stephen GREY weiter

Schauplatz USA:
Stephen GREY macht daraus einen Artikel für die  New York Times  - über die geheimen CIA-Flieger und die Schicksale von El MASRI und anderen Verschleppten:  C.I.A. Expanding Terror Battle Under Guise of Charter Flights

Diese Informationen werden später zur Grundlage für den Report des Europaparlamentsabgeordneten Dick MARTY, der die geheimen Flüge und Foltergefängnisse aufklären soll. Aber auch für den deutsch-amerikanischen Journalisten John GOETZ, der sich wenig später auf die Spur der Kidnapper setzen wird und sie letztlich auch 'stellen' wird (vgl. 21.September 2006)


Juli 2005

Schauplatz Europa:
In Europa ermitteln zu diesem Zeitpunkt (mindestens) drei Staatsanwaltschaften in Sachen Menschenjagd und Entführung heimischer Staatsbürger: Schweden, Deutschland, Italien. 
In Italien liegen konkrete Haftbefehle vor - die Staatsanwaltschaft hat auf 211 Seiten minutiös die Entführung von Hassan Mustafa Osama NASR rekonstruiert und die direkte Beteiligung der CIA nachgewiesen (vgl. 17.Februar 2003):


01.11.2005

Der Rechtsausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Europarates beauftragt den Schweizer Parlamentarier und ehemaligen Staatsanwalt, Dick MARTY, in der Frage „angeblicher Geheimgefängnisse in Mitgliedsstaaten des Europarates“ zu ermitteln. In einem Schreiben appelliert Dick MARTY an die zuständigen Behörden in den USA, in Rumänien und Polen, alle Quellen, die seinen Ermittlungen dienlich sein könnten, zugänglich zu machen. 
Dies geschieht (natürlich) nur in sehr beschränktem Maße, teilweise überhaupt nicht


02.11.2005

Schauplatz USA:
Die  Washington Post -Reporterin Dana PRIEST beschreibt detailliert das weltweite Gefängnissystem der CIA („Black Sites Prison System“):  CIA Holds Terror Suspects in Secret Prisons . Unter anderem auch für diese Recherchen erhält sie 2006 den begehrten Pulitzer-Preis


03.11.2005

Jetzt schaltet sich auch das Internationale Rote Kreuz ein und fordert von den Europäischen Regierungen wie von der US-Administration Informationen über das geheime Gefängnissystem


13.11.2005

Der Resident des BND in Washington informiert seine Zentrale in Pullach darüber, dass die US-Behörden generell keine Auskunft über den Fall erteilen würden


November 2005

Schauplatz Europa, USA:
In Europa wie in Amerika setzt eine Debatte über die Folter ein. Der US-Senat will die Misshandlung von gefangenen Terrorverdächtigen unterbinden. Europäische Ermittler wollen wissen, welche Länder zu leichtfertig weggesehen haben


24.11.2005

Frontal21  zum Vierten:  Verstoß gegen Grundrechte


25.11.2005

Dick MARTY ersucht das Satellitenzentrum der EU um Satellitenaufnahmen der angeblichen Geheimgefängnisse und bittet die Europäische Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol um ausführliche Informationen hinsichtlich angeblicher Flüge von CIA-Flugzeugen. Der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Franco FRATTINI, sagt seine volle Unterstützung zu


30.11.2005

Die US-Außenministerin Condolezza RICE ist auf Europa-Tour. In diesem Zusammenhang wird bekannt, dass der Ex-Innenminister Otto SCHILY bereits 2004 von dem Vorgang wusste, aber darüber kein Wort verlauten ließ, nicht einmal seinen Kabinettskollegen gegenüber. Dies hatte die  Washington Post  in Erfahrung gebracht. Viele Politiker betrachten den Umstand, dass dies genau zu diesem Zeitpunkt bekannt wird, als gezielte Retourkutsche der US-Regierung als Reaktion auf die anhaltende Kritik an den menschenverachtenden Wild-West-Methoden der BUSH-Regierung


03.12.2005

El MASRI versucht, mit seinem Anwalt Manfred GNIDJIC in die USA einzureisen. Sie wollen dort eine Pressekonferenz abhalten.
Dieses Vorhaben scheitert: GNIDJIC und El MASRI werden von den Zollbeamten bei der Visakontrolle abgefangen und sofort des Landes verwiesen.
Die Pressekonferenz wird wenige Tage darauf via Satellit nachgeholt: alle US-Fernsehsender berichten darüber


06.12.2005

Frontal21  sendet den fünften Beitrag:  El MASRI verklagt Ex-CIA-Chef . 
MASRI’s Rechtsanwalt GNJIDIC richtet die Klage gegen

  • den früheren CIA-Chef George TENET
  • sowie gegen alle an der Entführung Beteiligten
  • und gegen drei private Fluggesellschaften, die beim Transport von El MASRI nach Afghanistan und zurück geholfen haben sollen.

Hier ist die  Klageschrift  zu lesen


07.12.2005

Ex-Innenminister Otto SCHILY, SPD, bestätigt öffentlich, dass er bereits im Mai 2005 vom US-Botschafter über den Fall El MASRI informiert worden war; er habe dem Botschafter „versprochen“, nichts weiterzusagen


Dezember 2005

Die Bundesregierung bereitet einen Bericht zum Fall vor – die Opposition im Bundestag droht mit der Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, falls der Bericht nicht alle vom Bundestag gestellten Fragen zufriedenstellend beantwortet. 
Polens Ministerpräsident Kazimierz MARCINKIEWICZ ordnet eine Untersuchung zu einem angeblichen CIA-Geheimgefängnis in seinem Land an – Polen wird als eines jener osteuropäischen Länder vermutet, in dem es Geheimgefängnisse und somit rechstfreie Zonen gibt


14.12.2005

Die  Süddeutsche Zeitung  meldet, dass die Bundesregierung es ablehnt, und zwar „aus Gründen der Luftverkehrssicherheit“, im Bundestag die Zahl der vermuteten CIA-Flüge in Deutschland bekannt zu geben. 
Außenminister Frank-Walter STEINMEIER bestreitet sogar die Involvierung der Bundesregierung im Fall "El MASRI", wie dies im  stenografischen Protokoll des Deutschen Bundestags  (ab S. 372) nachzulesen ist


15.12.2005

Die sogenannte Venedig-Kommission wird als Expertengruppe des Europarates für rechtliche Fragen ersucht, ein Gutachten über die Rechtmäßigkeit von Geheimgefängnissen im Lichte der völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedsstaaten zu erstellen. Dabei sollen vor allem die Bestimmungen der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte Berücksichtigung finden. Das Gutachten soll am 17. oder 18. März 2006 vorliegen.
Die US-Regierung hat dem von der CIA entführten Deutsch-Libanesen Khaled el-MASRI nach eigener Darstellung eine Entschädigung gezahlt. Dafür habe sich MASRI zum Stillschweigen verpflichtet, berichtete Bundesinnenminister Wolfgang SCHÄUBLE im Innenausschuss des Bundestags.
Michael SCHEUER, ein bekannter CIA-Aussteiger, der das "Rendition"- Programm der CIA mit aufgebaut hat, wirft den Europäern wegen ihrer  Kritik an dem CIA-Programm  Unehrlichkeit vor:  "Denn alle Informationen aus den Verhören und Dokumenten, alles, was mit Spanien, mit Italien, mit Deutschland, mit Frankreich, mit England zu tun hatte, wurde doch weitergegeben."  
Die Deutschen seien Nutznießer der Methode gewesen. Das gesamte Programm sei zu 90 Prozent ein  "Riesenerfolg und nur zu 10 Prozent"  ein Desaster


12.01.2006

Die  Süddeutsche Zeitung  stützt sich auf einen Bericht der  Chicago Tribune , nach dem die CIA mindestens 19.494 Flüge in insgesamt 65 Flugzeugen zurückgelegt habe. Die Zahl der Verschleppten, die nach Syrien, Marokko, Ägypten, Jordanien und möglicherweise Osteuropa gebracht wurden, wird mit etwa 100 bis 120 angegeben. 
Die  Süddeutsche Zeitung  und das  ARD -Fernsehmagazin  panorama  kooperieren: Die überregionale Tageszeitung weist auf einen Fernsehbeitrag hin, der abends ausgestrahlt wird:  Bomben auf Bagdad - Deutsche Agenten am Irakkrieg beteiligt .
Die Bundesregierung (CDU/CSU-SPD-Koalition unter Angela MERKEL) wird diese Information bzw. diesen Bericht ersteinmal (wie üblich) als falsch zurückweisen


31.01.2006

Das Bundeskanzleramt teilt der Staatsanwaltschaft München auf Anfrage mit, der BND habe zum Fall El MASRI Informationen erhalten, die jedoch  "für eine Weitergabe an Strafverfolgungsbehörden aus Gründen des Quellenschutzes nicht geeignet" seien


20.02.2006

Die Staatsanwaltschaft Neu-Ulm beginnt (erneute) Untersuchungen, inwiefern Deutschland als stiller Partner der USA im Falle EL MASRI fungierte. Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob “Sam“, der El MASRI mehrfach besucht und ausgefragt hat, ein Deutscher ist


23.02.2006

Die Bundesregierung gibt ihren Bericht über die BND-Aktivitäten und ihre eignenen Kenntnisse über geheime Folterkenntnisse bis auf 30 Seiten frei. 
Eine so weitgehende Veröffentlichung der streng geheimen Inhalte der parlamentarischen Kontrollgremiums hat es bisher noch nie gegeben:  Bericht der Bundesregierung


März 2006

Polen, Mazedonien, Italien und Bosnien haben dem vom Europäischen Parmalent beauftragten Dick MARTY bisher keine hinreichenden Auskünfte über ihre Rolle bei der Verschleppung von Terrorverdächtigen durch US-Geheimdienstler vorgelegt.
Nachdem in Deutschland

  • am 12. Januar das öffentlich-rechtliche Fernsehmagazin  panorama  (NDR) einen Bericht mit dem Titel  Bomben auf Bagdad - Deutsche am Irakkrieg beteiligt  gesendet hatte und die aktuelle Bundesregierung (Große Koalition) in Erklärungsnot geraten ist
  • und seit Anfang Januar erst die  NewYork Times  und dann in dichter zeitlicher Folge die  Süddeutsche Zeitung sowie das ZDF-Magazin  Frontal21  über den Fall des entführten Deutsch-Libanesen El MASRI berichten und
  • die Bundesregierung, insbesondere auch Kanzlerin Angela MERKEL um das Schicksal des auf Guantanamo eingekerkerten Murat KURNAZ wissen
  • außerdem durch den Journalisten John GOETZ die Existenz des irakischen BND-Informanten mit dem Decknamen "Curveball" enthüllt wurde,

werden die Aktivitäten in der Hauptstadt Berlin immer hektischer: Die Parlamentarier wollen wissen, ob das alles stimmt und wie das alles zusammenhängt.
An diesem Tag stimmen 157 Abgeordnete des Deutschen Bundestages für die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (BND-PUA). 154 Stimmen bzw. 25% aller Parlamentarier wäre notwendig gewesen. Die LINKE stimmt geschlossen für den Antrag, bei der FDP sind es 58 von insgesamt 61, bei den GRÜNEN gibt es eine (einzige) Enthaltung: Joschka FISCHER, seinerzeit Außenminister, ist gegen einen solchen Ausschuss.
Über die vielfältigen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Vorfällen und die mediale Berichterstattung, die letztlich die öffentliche Diskussion vorantreibt und den Druck auf die Politik erhöht hat, gibt die nachfolgende Grafik einen kleinen Überblick:

Ziel ist es auch, "die politischen Vorgaben für das Handeln" der Geheimdienste und Sicherheitsbehörden zu untersuchen. Dabei solle auch geklärt werden, wie "die politische Leitung und Aufsicht ausgestaltet und gewährleistet wurde" und wer die "politische Verantwortung" für die in der Kritik stehenden Vorgänge hatte, so der  Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses , der von vielen Abgeordneten quer durch alle Parteien gefordert wird.


18.04.2006

Bundesjustizministerin Brigitte ZYPRIES, SPD, unterzeichnet mit ihrem US-Kollegen Alberto R-GONZALES zwei weitere Vereinbarungen für Rechtshilfe. Die Behörden beider Länder würden "seit vielen Jahren bei der Strafverfolgung eng und vertrauensvoll" zuammenarbeiten, konstatiert die deutsche Justizministerin.


26.04.2006

Ein EU-Parlamentsausschuss sieht in seinem ersten Berichtsentwurf rechtswidrige Gefangenenflüge des US-Geheimdienstes in Europa als erwiesen an. Von diesen Aktivitäten müssten die Regierungen mehrerer EU-Staaten gewusst haben.


12.05.2006

Schauplatz USA:
In den USA wird die Klage El MASRI’s abgewiese.


02.06.2006

Schauplatz Deutschland, Europa:
Die  Süddeutsche Zeitung  meldet, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) entgegen bisheriger Darstellung bereits unmittelbar nach der Entführung des Deutsch-Libanesen Khaled EL MASRI durch den US-Geheimdienst CIA hiervon erfahren hat – durch einen ‚kleinen Angestellten’ vor Ort.


07.06.2006

EU-Ermittler Dick MARTY wirft in seinem Abschlussbericht 14 europäischen Regierungen vor, den US-Geheimdienst CIA bei Verschleppungen und heimlichen Gefangenenflügen unterstützt oder solche Machenschaften geduldet zu haben.
Hier ist der  Bericht  von Dick MARTY.


05.07.2006

Schauplatz Italien
Die Mailänder Staatsanwaltschaft lässt 2 italienische Geheimdienstmitarbeiter verhaften, die am 17. Februar 2003 CIA-Agenten geholfen haben sollen, den Mailänder Imam Abu OMAR auf offener Strasse zu entführen und heimlich nach Ägypten auszufliegen. Unter den Verhafteten befindet sich auch der Vizechef des italienischen Geheimdienstes Sismi, Nicola POLLARI


07.09.2006

Schauplatz USA
Um im langsam beginnenden Wahlkampf zu punkten, gibt US-Präsident George W. BUSH erstmals die Existenz von geheimen Gefängnissen zu: 14 Top-Terroristen würden aus diesen jetzt nach Guantanamo verbracht, damit ihnen der Prozess gemacht werden könne.


21.09.2006

Schauplatz Deutschland - USA
Das ARD-Magazin  panorama  legt die Klarnamen von mehreren CIA-Mitarbeitern offen, die unmittelbar an der Entführung El MASRI's beteiligt waren, darunter der Pilot der CIA-eigenen Maschine. Die Entführer, gegen die die Münchner Staatsanwaltschaft bisher erfolglos ermittelt, hatten es sich zuvor in dem Luxus-Golfhotel "Mariott Son Antem" auf Mallorca gemütlich gemacht. Auch nach der Rückkehr dieser Entführung machte die verschwiegene Mannschaft dort wieder Station. Der TV-Bericht legt zudem offen, wie der  Journalist John GOETZ  bei diesen Recherchen gearbeitet hatte: 
El Masri-Entführung: Auf der Spur der CIA-Kidnapper


22.09.2006

Schauplatz USA
Ein neuer Gesetzentwurf in den USA erlaubt es dem Präsidenten, am Umgang mit (vermeintlichen) Terroristen festzuhalten.
Der republikanische Senator John McCAIN, der selber in vietnamesischer Kriegsgefangenschaft gefoltert wurde und seit längerem für alle Gefangenen die Anwendung der Genfer Konvention fordert, konnte sich in seinem parlamentarischen Streit mit George W. BUSH nicht wirklich durchsetzen. Zwar sollen die Anwendungsregeln etwas enger ausgelegt werden, aber welche Verhörmethoden angewendet werden (können/sollen), bleibt "aus Gründen der nationalen Sicherheit" geheim. McCAIN geht allerdings davon aus, dass Praktiken wie z.B. simuliertes Ertränken ("water boarding") nun nicht mehr möglich seien. Kritiker bezweifeln das.


Im Herbst 2006 geschehen mehrere Dinge

  • Der El-Masri-Komplex im parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Berliner Bundestages ("BND-Ausschuss" - siehe dazu  Der BND-Ausschuss - eine kurze Chronologie ) gilt nach der Anhörung des Ex-Innenministers Otto SCHILY als mehr oder weniger abgeschlossen. 
    SCHILY bestätigt seine ursprünglichen Angaben, dem US-Botschafter gegenüber Stillschweigen zugesichert zu haben. Ein bei diesem Gespräch (31.5.2004) anwesender Unterabteilungsleiter indes machte tags drauf seinem direkten Vorgesetzten gegenüber Meldung von dieser Vereinbarung, woraufhin beide sowohl den Vizepräsidenten des BKA als auch das Bundesamt für Verfassungsschutz vom Vorgang  El MASRI  zu informieren. Ob irgendwelche bundesdeutschen Behörden bereits zum Zeitpunkt der Entführung von El MASRI's Schicksal wussten, konnte im Ausschuss nicht zweifelsfrei geklärt werden.

  • SCHILY beantwortet auch die Fragen des Münchner Staatsanwalts SCHMIDT-SOMMERFELD, der das Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Freiheitsberaubung führt. SCHILY antwortet nicht gerade sehr detailliert über sein Treffen mit dem US-Botschafter COATS im Jahre 2004, als dieser sich für die Entführung als "Fehler" entschuldigt" hatte.

  • Hier die  Fragen des Staatsanwalts an Otto SCHILY

  • hier die  Antworten von Otto SCHILY

  • und hier der  Entwurf für das Vernehmungsprotokoll des Zeugen Otto SCHILY  - fast alles als "geheim" eingestuft, trotz der teilweise unpräzisen Antworten.
  • SCHILY verhält sich wie seinerzeit Kanzler Helmut KOHL, als dieser von Staatsanwälten nach der Herkunft der schwarzen Parteispendengelder gefragt wurde: Er habe Stillschweigen vereinbart und dies auch so versprochen.
  • Derweil machen zwei weitere Fälle von sich reden: Der aus Bremen stammende  Murat KURNAZ  mit türkischem Pass war im Gefangenenlager Guantanomo 4 1/2 Jahre lang eingekerkert - entrechtet und mißhandelt. Er war auf einer Reise in Pakistan als "feindlicher Kämpfer" festgenommen und gegen ein Kopfgeld an das US-Militär verkauft worden. Der "CIA-Ausschuss" im Europäischen Parlament glaubt seinen Angaben.

  • Auch der muslimische Buchverleger  Abdel-Haliem KHAFAGY , geboren in Ägypten und seit 1979 mit Frau und Kindern in München wohnhaft, wurde Ende 2001 in Bosnien gefangen genommen und US-Militär übergeben, die den 70jährigen in ein berüchtigtes ägyptisches Foltergefängnis flogen. Zuvor sollte er noch in Tuzla (Bosnien) von 2 eigens dorthin gereisten BKA-Beamten vernommen werden, die sich aber weigerten, ihn zu verhören, weil er - wie andere Gefangene auch - bereits im US-Geheimgefängnis ganz offensichtlich misshandelt worden war. Die BKA-Beamten flogen wieder zurück und erstatteten einen ausführlichen Bericht im BKA und an das Bundesinnenministerium. Dies bestätigt sich auch im Berliner Untersuchungsausschuss. Somit war zumindest Otto SCHILY's Ministerium seit Ende 2001 über illegale Verschleppungen und Misshandlungen durch US-Militär und CIA informiert.

  • Es kommt zu einem Treffen zwischen Staatsanwaltschaft München und Mailänder Strafverfolgern, die in einem anderen CIA-Entführungsfall ein eigenes Ermittlungsverfahren betreiben. Man tauscht Erfahrungen aus. Und sie sprechen sie mit dem Berichterstatter des EU-Europarats Dick Marty, der monatelang Recherchen über CIA-Flüge in Europa angestellt hat. Aus Sicht der Ermittler gibt es ein Problem: Haben die Masri-Entführer, die mit einer Maschine aus Mallorca nach Skopje flogen, um el Masri nach Afghanistan zu bringen, die Maschine verlassen oder nicht? Wenn sie nicht mazedonischen Boden betreten haben, sind die CIA-Agenten vermutlich juristisch nicht zu packen. Ermittlungen in Mazedonien zeigen, dass die Entführer ihr Flugzeug verlassen haben und zum internationalen Teil des Flugplatzes in Skopje gegangen sind. Also können die  Haftbefehle  formuliert werden. Dies soll jetzt geschehen.

27.11.2006

Das  ARD -Magazin  report  aus Mainz dokumentiert in einem Filmbeitrag, dass die Kindnapping-Planungen von deutschem Boden ausgingen: von dem US-Hauptquartier EUCOM mit Sitz in Stuttgart-Vaihingen. Dort arbeiten auch 2 deutsche Verbindungsoffiziere. Waren diese in die Pläne eingeweiht? Fragen, die zur Zeit offen sind. Der Filmbeitrag von  Report Mainz  ist online nicht merhr verfügbar - die Redaktion sieht sich nicht als Bestandteil des Öffentlichen Gedächtnis.


31.01.2007

Die Staatsanwaltschaft München meint es ernst: Sie erlässt Haftbefehle gegen 13 mutmaßliche CIA-Agenten, die vermutlich an der Entführung El MASRI's beteiligt waren.


Februar 2007

Der im Februar 2003 entführte Mailänder Imam Abu OMAR wird nach vierjähriger Folterhaft in einem ägyptischen Spezialgefängnis 'freigelassen', aber unter Hausarrest gestellt. Die Mailänder Staatsanwaltschaft hat zu diesem Zeitpunkt Anklage gegen 26 CIA-Agenten erhoben. Die Staatsanwaltschaft in München tut dies auch in Sachen El MASRI, aber mit weit weniger Entschlossenheit: sie kenne doch nur die Decknamen der beteiligten CIA-Kidnapper.
Auf einer anderen Ebene ist die deutsche Justiz aktiver: sie hört - rechtswidrig - Telefonate des El-MASRI-Anwalts, Manfred GNJIDIC, ab und auch ein Gespräch mit der  stern -Redaktion, die in diesem Fall recherchiert. Viele der  CIA-Decknamen  werden am 1. Februar von der schweizerischen Boulevardzeitung  Blick   enthüllt


26.04.2007

El MASRI's Rechtsanwalt schreibt an Bundeskanzlerin Angela MERKEL: 

"Es mehren sich die Anzeichen, dass mein Mandant zusammenbricht. ... Ich bitte Sie, zu veranlassen, dass mein Mandant die bestmögliche Psychotherapie erhält." 

Das Bundeskanzleramt leitet das Schreiben an die Bayerische Staatsakanzlei weiter, diese wiederum übersendet es an das bayerische Innen-, Gesundgheits- und Sozialministerium.
El MASRI wird nach Psychologen nicht mit seinem posttraumatischen Entführungs- und Foltererlebnis fertig, weil er auf der einen Seite als Zeuge vor öffentlichen Gremien aussagen soll, auf der anderen Seite seine Erlebnisse eigentlich nur 'intern' mit Psychologen aufarbeiten müsste.


17.05.2007

Die ungelöste posttraumatische Belastungssituation eskaliert:

  • Im April hatte El MASRI 'nur' seinen Ausbilder verprügelt, nachdem dieser ihm vorgeworfen hatte, mehrere Ausbildungsstunden (LKW-Führerschein) versäumt zu haben
  • Jetzt streitet er sich mit der Fa. Metro wegen des Kaufs eines nicht funktionierenden i-pods.

Weil sich der Großmarkt offenbar wenig kulant zeigt, rastet El MASRI aus: Er legt mit einem Benzinkanister Feuer im Neu-Ulmer Metro Markt. MASRI wird daraufhin in eine psychatrische Anstalt eingeliefert.


26.06.2007

Der Europarat fordert eine Rehabilitierung von El MASRI und eine finanzielle Entschädigung durch die USA bzw. die CIA - z.B. um eine Therapie damit finanzieren zu können.


09.10.2007

Das höchste Berufungsgericht der USA, der Oberste Gerichtshof, lehnt es ab, sich mit einer Klage von El MASRI zu befassen. Damit ist der Rechtsweg in den USA ausgeschöpft, konkret am Ende.


2008 + 2009

El Masri verklagt nun die Bundesrepublik Deutschland, um die Auslieferung der 13 CIA-Mitarbeiter zu erzwingen, und das Land Mazedonien auf Schmerzensgeld. Ohne die zumindest passive Mitwirkzung der mazedonischen Behörden wäre seine Entführung dort nicht möglich gewesen.


11.09.2009

El MASRI rastet erneut aus. Weil er nicht direkt zum Oberbürgermeister von Neu-Ulm, Gerold NOERENBERG, vorgelassen wird, stürmt er unkontrolliert in dessen Amtszimmer und schlägt dem Stadoberhaupt mehrmals ins Gesicht - er habe einen Gebetsraum von Muslimen "entweihen" lassen.


2010

El MASRI wird deswegen vom Amtsgericht Memmingen erneut verurteilt: diesesmal ohne Bewährung. Er muss für 2 Jahre ins Gefängnis, in die Justizvollzugsanstalt Kempten. In dieser Zeit schlägt er erneut zu: diesesmal einen Gefängniswärter, der fünf Wochen dienstunfähig bleibt. Das Gericht verlängert die Gefängnisstrafe um weitere vier Monate. Der Bundesgerichtshof verwirft als letzte Rechtsinstanz El MASRI's Revisionsbegehren.


Dezember 2010

Im Zusammenhang mit den Veröffentlichungen der US-"Cable"-Depeschen durch die Veröffentlichungsplattform wikileaks und anderer Printmedien wird auch eine  Depesche in Sachen El MASRI  bekannt. Sie enthält in diesem Fall nichts wirkliches Neues: 
Wer in die Fänge der CIA gerät, hat in jedem Fall schlechte Karten. Als Zivilbürger kann man sich dann auch nicht auf die (eigenen) Regierungen verlassen, die - eigentlich - als Vertreterin ihrer Bürger agieren (sollten).


13.12.2012

Derweil urteilt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassbourg und stellt mehrere Verletzungen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention fest. Mazedonien hat nicht nur gegen das Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verstoßen, sonder muss sich darüber hinaus verantworten, EL MASRI das Recht auf Freiheit und Sicherheit, sein Recht auf wirksame Beschwerde und sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt zu haben. 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt Mazedonien ein Schmerzensgeld in Höhe von 60.000 Euro an Khaled EL MASRI zu zahlen.


01.10.2013

Weil EL MASRI während seiner Haft ein weiters Mal ausgerastet ist, erhebt die Staatsanwaltschaft Kempten Anklage gegen EL MASRI wegen Beleidigung, Körperverletzung und Bedrohung eines Vollzugsbeamten. EL MASRI sitzt bereits wegen gefährlicher Körperverletzung im Gefängnis in Kempten.


14.10.2013

"Die Körperverletzung war keine Körperverletzung, sondern eine Berührung mit zwei Fingern" urteilt der Richter des Amstgerichts Kempten, als er EL MASRI vom Vorwurf der Körperverletzung an einem Vollzugsbeamten freispricht.


22.10.2013

Damit gibt sich die Staatsanwaltschaft Kempten nicht zufrieden. Khaled EL MASRI muss nach diesem Freispruch durch das Amtsgericht Kempten erneut in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft Kempten hat gegen den Freispruch Berufung und gegen die damit verbundene Aufhebung des Haftbefehls Beschwerde eingelegt, woraufhin das Landgericht Kempten einen neuen Haftbefehl wegen Fluchtgefahr erließ.


11.12.2013

"Es war nicht nur eine Berührung - es war ein Schlag", urteilt diesmal der Vorsitzende Richter am Landgericht Kempten im Berufungsprozess gegen den inzwischen 50jährigen EL MASRI. Für sieben Monate muss EL MASRI nun erneut eine Haftstrafe absitzen: wegen Beleidigung, Körperverletzung und Bedrohung. Haftende: Sommer 2014



(JL / TF)