Die Erlebnisse des Murat KURNAZ - eine Chronologie nach dem Ereignis "9/11" im Jahr 2001

Wir stellen hier die Fakten zusammen, wie sie von anderen Journalisten, u.a. der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) und von John GOETZ, "panorama"-Redaktion beim NDR, sowie der Illustrierten "stern" rekonstruiert wurden. Die SZ hatte dafür 2007 einen "Wächterpreis der Tagespresse" zugesprochen bekommen. Letztlich hatte alles in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags geendet. Für die vielen merkwürdigen Vorkommnisse wollte - natürlich - niemand verantwortlich sein.

Das Stage-Bild ganz oben, das jeden dieser Texte einleitet, ist ein Ausschnitt aus einer Sitzung des Bundeskanzleramts (Gerhard SCHRÖDER, SPD) und des Innenministeriums (Otto SCHILY, SPD), in der alles getan wurde, um die Rückkehr des Murat KURNAZ nach Deutschland zu verhindern. Wir haben es unter dem Datum 30.10.2002 als PDF online gestellt. Die maßgeblichen Akteure heißen Frank-Walter STEINMEIER (damals Kanzleramtschef, SPD, und inzwischen Bundespräsident) und Dr. Hans-Georg MAAßEN (im Jahr 2021 Bundestagskandidat für die CDU).

03.10.2001

Murat KURNAZ, 1982 geboren in Bremen, der aufgrund der türkischen Staatsangehörigkeit seiner Eltern ebenfalls nur einen türkischen Pass aber mit einem Visum für Deutschland besitzt, möchte nach seiner Schulzeit mit seinem Freund und Glaubensbruder auf eine Pilgerfahrt nach Pakistan fliegen. Da sein Freund am Flughafen aufgrund einer nicht gezahlten Geldstrafe (sein Hund hatte einen Passanten gebissen) am Abflug gehindert wird, fliegt KURNAZ alleine.
In Pakistan besucht KURNAZ die Städte Karachi, Islamabad, Lahore, Peshawar und verschiedene heilige Stätten des Islam.


07.10.2001

Erster Tag des Afghanistan Krieges – US Streitkräfte greifen Stellungen der Taliban sowie Ausbildungszentren der Al- Qaida an.


11.10.2001

„Wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung“ leitet die Bremer Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen Murat KURNAZ und drei weitere Personen ein - jetzt sieht man auch in Deutschland überall terroristische Gespenster ...


01.12.2001

Auf dem Weg zum Flughafen zurück nach Deutschland wird Murat KURNAZ von pakistanischen Sicherheitsleuten festgenommen und nach seiner Herkunft und seinen Absichten in Pakistan befragt. Er wird verhaftet. Nach 20 Tagen in einem pakistanischen Gefängnis wird er nach Kandahar (Afghanistan) verbracht und den dortigen US-Soldaten gegen ein Kopfgeld übergeben: 3.000 $ pro Kopf zahlen die US-Amerikaner. Für pakistanische Soldaten und Sicherheitsleute ausgesprochen attraktiv.


15.12.2001

Ein Vorauskommando der deutschen Bundeswehr Spezialeinheit „KSK“ (Kommando Spezialkräfte), trifft erstmals in Kandahar ein – eine kleine freundschaftliche Geste der deutschen Bundesregierung und ihrer rot-grünen Bundesregierung. Zu den Aufgaben der KSK gehört u.a. die Überwachung der US-Gefangenen.


09.01.2002

Der BND teilt der Bundesregierung in einer kurzen Notiz mit, dass ein Heranwachsender aus Bremen in Kandahar festgehalten werde, Murat KURNAZ sei sein Name.


11.02.2002

Die ersten Gefangenen aus dem US-Gefangenenlager in Kadahar werden nach Guantanamo ausgeflogen. Später wird US-Vizepräsident Dick CHENEY die Inhaftierten, die Teil der ersten Abtransports sind, als die „Schlimmsten der Schlimmen“ bezeichn.


18.01.2002

Das Bundeskriminalamt (BKA) übermittelt dem FBI Informationen über KURNAZ, die das Landeskriminalamt Bremen während eines Ermittlungsverfahren gegen KURNAZ zusammengestellt hat. Grund des Ermittlungsverfahren ist der Verdacht, KURNAZ wäre an der „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ beteiligt.


20.01.2002

Die US-Regierung veröffentlicht Fotos, auf denen Gefangene auf Guantanamo zu sehen sind. Die Gefangen liegen in Ketten, haben Ohrenschützer auf und geschwärzte Brillen. Das Pentagon spricht den Gefangenen den Status des Kriegsgefangenen ab und bezeichnet diese als „unrechtmäßige Kämpfer“. Somit verweigern die USA den Gefangenen ihre normalen Rechte.
Einem BND-Bericht zu folge befindet sich KURNAZ zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Stützpunkt in Kandahar, seine Überführung nach Guantanamo sei aber in der Vorbereitung. Die USA bieten der Bundesrepublik die Befragung von KURNAZ an.


28.01.2002

Deutsche Medien berichten von einem „Bremer Taliban“ der in Kandahar gefangen gehalten wird. Zum Beispiel im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL: Bremer Taliban


29.01.2002

Im Bundespräsidentenamt tagt die so genannte Präsidentenrunde um Frank Walter STEINMEIER und kommt zu dem Schluss, KURNAZ befragen zu wollen und das Angebot der USA anzunehmen.


30.01.2002

KURNAZ wird in einem amerikanischen Gefangenentransport – alle mit verbundenen Augen - von Afghanistan nach Guantanamo Bay, ins "Camp X-Ray" (später "Camp-Delta") auf Kuba geflogen.


31.01.2002

Bundeskanzler Gerhard SCHRÖDER, SPD, unternimmt eine Dienstreise in die USA. Das Kanzleramt überlegt, den Fall KURNAZ vor dem US-Präsidenten zu erwähnen; allerdings wolle man die Beziehungen nicht unnötig belasten.
Während der gesamten Amtsperiode SCHRÖDER’s wird das Thema nie angesprochen werden.


01.02.2002

Rabiye KURNAZ, die Mutter von Murat KURNAZ, verfasst einen Brief an das Auswärtige Amt mit der Bitte um Auskunft über ihren Sohn. Die Polizei informiert sie über die bevorstehende Auslieferung nach Guantanamo. Hilfesuchend wendet sich Rabiye an die Evangelische Kirche sowie Amnesty International.


08.02.2002

Bundesaußenminister Joschka FISCHER, GRÜNE, verfasst persönlich einen Brief an die besorgten Eltern KURNAZ und bemüht sich um eine konsularische Vertretung KURNAZ in den USA mit der Bitte um Auskunft.


Frühjahr 2002

Die Karlsruher Generalbundesanwaltschaft stellt ein Ermittlungsverfahren gegen KURNAZ vorläufig ein, da KURNAZ nicht die Möglichkeit gehabt habe, sich persönlich zu seinem Fall zu äußern. Es wurde zudem auch kein „einschlägiges Beweismaterial“ gefunden.


März 2002

Rabiye KURNAZ, die Mutter des Festgenommenen, erfährt von der Inhaftierung ihres Sohnes, die Gründe sind unklar. Sie erhält vom Roten Kreuz einen Brief von ihrem Sohn, in dem er jedoch nicht seine derzeitige Lage beschreiben darf. Der Brief wird im Magazin Focus (Heft 14/2002) abgedruckt:

"Frieden und Segen Allahs, des Erbarmers, über euch, meine liebe Mutter, mein lieber Vater, meine lieben Geschwister und alle, die mir lieb sind, glicherweise habe ich euch großen Kummer bereitet, doch der Herr wird mir verzeihen, so Gott will. Möget ihr jedoch getrost sein, denn, Allah sei Dank, es geht mir sehr gut. Natürlich betrübt es auch mich sehr, dass ihr eine Zeit lang keine Nachricht von mir erhalten habt, doch es gab nichts, was ich hätte tun können. Ich bin zurzeit inhaftiert, und die Ermittlungen halten an. Doch, so Gott will, wird man schnell ein Urteil fassen, und ich kann wieder zurück nach Hause. Erst in der Fremde ist mir bewusst geworden, wie sehr ich euch achte und liebe. ... Ihr solltet nichts auf das geben, was hier und dort geredet wird. Es wird euch nur umsonst betrüben. Betet nur recht viel. Wir können das Wirken des Allmächtigen nicht ergründen.

Doch wie ich bereits gesagt hatte ..., gibt es nicht einmal einen Anhaltspunkt für meine Verhaftung. Es handelt sich um eine reine Ermittlung. Wenngleich auch ich nicht weiß, wie lange diese anhalten wird, so sehe ich doch, dass sie zügig arbeiten... Sollte ich bis zum Opferfest noch nicht zurück sein, so wünsche ich euch schon jetzt alles Gute zum Opferfest. So Gott will, wird der Allmächtige in kurzer Zeit alles zum Guten wenden und uns wieder zusammenführen ...

Murat Kurnaz"


Ende März 2002

Joschka FISCHER, Außenminister, den Murat’s Mutter angeschrieben hat, sagt in einem persönlichen Schreiben der Familie KURNAZ die Hilfe der Bundesregierung zu: "Da dieser nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, seien seine Möglichkeiten allerdings sehr eingeschränkt".


28.04.2002

KURNAZ wird vom Camp X-Ray in das neu erbaute Camp Delta verlegt.


Mai 2002

Rabiye KURNAZ verpflichtet Menschenrechtsanwalt Bernhard DOCKE mit der Verteidigung ihres Sohnes und geht an die Öffentlichkeit. Sie appelliert immer wieder sowohl an die Bundesregierung als auch an die Regierungen der USA und der Türkei, sie mögen ihrem Sohn einen fairen Prozess zuteil werden lassen. DOCKE informiert von nun an fortlaufend deutsche Medien über die Entwicklung.
Rabiye KURNAZ erhält zu diesem Zeitpunkt als letztes Lebenszeichen ihres Sohnes eine Postkarte.


17.07.2002

DOCKE schreibt einen Brief an Außenminister FISCHER, dass die Situation KURNAZ besorgniserregend sei. Und dass Anwälte keinen Zutritt zu den Gefangen erhalten und die erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe nicht konkretisiert wurden. Desweiteren erklärt er, dass die amerikanische Regierung bisweilen keine Angaben über die zeitliche Perspektive der Gefangenen, die Klärung des Status der Gefangenen sowie die verbindliche Anwendung des Mindeststandards des humanitären Völkerrechts laut der Genfer Konvention gemacht hat.
Im Antwortschreiben des Ministeriums heißt es: „Auf erneute Anfrage bei den amerikanischen Behörden wurde uns jetzt erstmals bestätigt, dass Herr KURNAZ tatsächlich in Guantanamo festgehalten wird.“ Weiter weist das Ministerium auf die Problematik der Staatsangehörigkeit hin: KURNAZ ist nach dem Papier Türke, kein Deutscher.


09.09.2002

Das Internationale Rote Kreuz zeigt sich nach Besuchen in Guantanamo besorgt um die psychische Gesundheit der Insassen.


23.09.2002

Zwei Beamte des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und ein Beamter des Bundesnachrichtendienstes (BND) reisen nach Guantanamo, um den Duisburger Al-Qaida-Mann Ould SLAHI und den Bremer Murat KURNAZ zur Islamistenszene in Deutschland zu befragen. Die CIA teilt ihnen mit, sie würden einige Gefangene freilassen wollen, höchstwahrscheinlich auch KURNAZ - nach ca. 30 Befragungen sei man überzeugt, dass KURNAZ zu den Harmlosen gehöre und mit der ersten Gruppe Gefangener im November 2002 freigelassen werden solle.
In Deutschland gibt es daher Überlegungen, KURNAZ als V-Mann in der Islamistischen Szene einzusetzen.


13.10.2002

Jetzt stellt auch die Bremer Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen KURNAZ ein.


27.10.2002

Guantanamo entlässt eine erste Gefangenenwelle. Darunter drei Afghanen und einen Pakistani. In ihren Heimatländern werden sie über Isolationszellen und brutale Folter berichten.


29.10.2002

In einer Sitzung im Bundeskanzleramt beschließen der Kanzleramtschef Frank-Walter STEINMEIER (SPD) und Chefs der Sicherheits- und Nachrichtendienste, KURNAZ nicht wieder nach Deutschland einreisen zu lassen. Ausserdem kommen die Chefs der Präsidentenrunde überein, KURNAZ nicht als V-Mann einsetzen zu wollen. STEINMEIER, sowie Geheimdienstkoordinator Ernst UHRLAU, Innenstaatssekretär Claus-Henning SCHAPER stimmen für eine Auslieferung in die Türkei und sprechen eine Einreisesperre für Deutschland ab.


30.10.2002

Der deutsche Sicherheitsapparat arbeitet dazu konkrete Abwehrmaßnahmen gegen die "Wiedereinreise eines türkischen Staatsangehörigen aus terroristischem Umfeld" aus: "Zwischen dem Bundskanzleramt und BMI besteht Einvernehmen, dass eine Wiedereinreise nicht erwünscht ist."
Der Plan konkret: Die US-Behörden sollen bei einer Freilassung den Pass von KURNAZ den deutschen Behörden übergeben, "damit die Aufenthaltsgenehmigung physikalisch ungültig gemacht werden kann". Lesen Sie dieses Dokument selbst – durch Anklicken öffnen sich alle 4 Seiten:


08.11.2002

Das Bundesamt für Verfassungsschutz teilt dem CIA mit, dass im Falle der Freilassung KURNAZ erwünscht ist, dass dieser nicht nach Deutschland zurückkehre.


09.11.2002

Die CIA teilt der Bundesregierung mit, dass deren Entschluss KURNAZ nicht wieder einreisen lassen zu wollen auf Unverständnis trifft und die USA weiterhin eine Ausreise nach Deutschland anstreben.


20.11.2002

Mohammed Haydar ZAMMAR, ein in Damaskus festgehaltener, angeblicher Verbündeter Bin LADEN’s, bekommt Besuch von einer deutschen Delegation, bestehend aus zwei Beamten des BfV, zwei Beamten des BND und zwei Beamten des Bundeskriminalamtes. Im Verhör sagt er aus, dass er KURNAZ kenne und er selbst derjenige gewesen sei, der ihn und einen Freund nach Afghanistan geschickt habe, um dort das offizielle Büro der Taliban zu besuchen. Jedoch sei nur KURANZ gereist.


01.12.2002

Das BKA in Wiesbaden ist unzufrieden mit den Ergebnissen des Verhörs von KURNAZ durch den BND. Das BKA bittet die USA deshalb schriftlich, eigene Beamte nach Guantanamo schicken zu dürfen, um KURNAZ erneut zu verhören.


24.02.2003

Das CIA erklärt deutschen Behörden gegenüber, dass eine momentane Freilassung von KURNAZ nicht gewährleistet werden kann. Ausserdem streben US-Militärs jetzt doch zwei Verfahren gegen KURNAZ an und bemühen sich vergeblich um Akteneinsicht bei der Bremer Staatsanwaltschaft.


Oktober 2003

Justizministerin Brigitte ZYPRIES, SPD, reist in die USA, um dort mit ihrem US-Kollegen John ASHCROFT über Guantánamo und die internationale Kritik an den Zuständen auf dem US-Stützpunkt zu sprechen. Man geht jedoch nicht ausführlich auf den Fall von Murat KURNAZ ein. „Eine Verbesserung für alle Internierten käme ja Herrn KURNAZ ebenso zugute“ - so die Sprecherin von ZYPRIES gegenüber der taz vom 18.10.2003.


12.11.2003

In einem Brief an Außenminister Joschka FISCHER, schreibt Rechtsanwalt DOCKE, dass die Familie KURNAZ in hohem Maße besorgt über den gesundheitlichen Zustand Murat KURNAZ sei - seit Mai vergangenen Jahres habe man keine Post mehr von ihm erhalten.
Nach mehreren Erinnerungsschreiben erhält DOCKE einen Brief von der Bundesregierung, dass aufgrund der türkischen Staatsangehörigkeit von KURNAZ türkische Regierungsvertreter in Guantanamo waren und dass deren Bericht zu folge KURNAZ sich in einem den Umständen entsprechenden guten Zustand befände.


19.11.2003

In einem Gespräch mit US-Kollegen Collin POWELL spricht Joschka FISCHER den Fall Murat KURNAZ an - ohne Erfolg.


24.11.2003

DER SPIEGEL enthüllt als erster, dass 3 deutsche Geheimdienstler KURNAZ ein Jahr zuvor auf Guantanamo verhört hatten: Informell.


01.04.04

Nach Aussagen von Murat KURNAZ findet eine zweite Befragung durch ein Mitglied des Bundesamtes für Verfassungsschutz statt. Dieser soll schon bei der ersten Vernehmung (2002) auf Guantanamo zugegen gewesen sein.
Dies wird aber erst 2 Jahre später in der Öffentlichkeit durch die Illustrierte stern (Heft 41/2006) und durch ein Interview von KURNAZ in der ARD-Sendung
Beckmann am 16.10.2006 bekannt werden.


01.05.2004

RA Bernhard DOCKE und Rabiye KURNAZ fliegen in die USA, um öffentlichen Druck auf die BUSH-Regierung auszuüben und eine Klage einzureichen. Ziel: der Supreme Court, das höchste US-Gericht, soll klären, ob es auch für die Häftlinge auf Guantanamo verantwortlich ist oder nicht.


12.05.2004

Die Stadt Bremen stellt formal fest, dass die Aufenthaltsgenehmigung KURNAZ seit zwei Jahren abgelaufen ist.
Später wird das Verwaltungsgericht Bremen diese Entscheidung allerdings für unrechtmäßig erklären – KURNAZ hatte keine Möglichkeit, eine Verlängerung seines Visums in seiner Geburtsstadt zu beantragen.


28.06.2004

Der amerikanische Supreme Court entscheidet, dass alle Insassen, die im amerikanischen Marinestützpunkt Guantanamo festgehalten werden, das Recht haben, bei amerikanischen Gerichten Klagen gegen ihre Inhaftierung einzureichen – sehr zum Ärger der US-Administration.


02.07.2004

EineWoche nach der historischen Entscheidung des Supreme Court reichen mehrere Anwälte beim Bezirksgericht in Washington Anfechtungen im Namen von neun ausländischen Häftlingen ein, die auf Guantanamo inhaftiert sind. Darunter befindet sich auch die Klageschrift von Rabiye KURNAZ bzw. ihres Anwalts DOCKE.


August 2004

Der Anwalt und amerikanische Rechtsprofessor Baher AZMY schaltet sich zur Verteidigung von KURNAZ in das laufende Verfahren ein.


10.08.2004

Bremens Innensenator Thomas RÖWEKAMP, CDU, kündigt in einem Radiointerview an, dass KURNAZ im Falle seiner Freilassung - nach mittlerweile fast drei Jahren Haft auf Guantanamo - keine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland erhalten werde. Er beruft sich auf das Ausländergesetz, das keinen Ermessensspielraum zuließe. Die unbefristete Aufenthaltserlaubnis des 22-jährigen Türken sei erloschen, weil er sich länger als die erlaubten sechs Monate außerhalb Deutschlands aufhalte und keine Fristverlängerung beantragt habe. Der Innensenator folgt damit genau dem von der rot-grünen Bundesregierung ausgearbeiteten Schlachtplan vom 30.10.2002


30.09.2004

Murat KURNAZ wird in einem militärischen Gerichtsverfahren, dem Combat Status Review Tribunal (“CSRT”) auf Guantanamo, als „feindlicher Kämpfer“ („Ungesetzlicher Kombattant“) eingestuft. Er bekommt noch immer keinen Einblick in die Anklageschrift, Kontakte zu einem Anwalt werden ihm untersagt.


08. bis zum 13.10.2004

Der amerikanische Anwalt und Rechtsgelehrte Baher AZMY darf – nach über 2 ½ Jahren Inhaftierung - das erste Mal mit seinem Mandanten an vier Tagen für jeweils fünf bis sechs Stunden sprechen. Dem SPIEGEL (Heft 43/2004) nach berichtet AZMY, dass es KURNAZ den Umständen nach noch relativ gut gehe, er jedoch über die Unkenntnis seines Mandanten über die Vorgänge außerhalb Guantanamos erschüttert sei. Auch Bernhard DOCKE, KURNAZ’ deutscher Anwalt, erhält erstmals Einsicht in einige US-Akten, nicht in alle.


Oktober 2004

Die amerikanische Regierung reicht beim zuständigen Bundesgericht den Antrag ein, alle Klagen auf Haftüberprüfung einschließlich diejenige von KURNAZ, abzuweisen.

01.12.2004

Anhörung vor der Bundesrichterin Joyce HENS GREEN zur Frage der Abweisung oder Zulassung der Klagen.
Die Richterin definiert eine rechtliche Bestimmung, ab wann jemand als „Feindlicher Kämpfer“ eingestuft wird. Dazu konstruiert sie drei hypothetische Fälle. Beispiel:

  • Eine kleine alte Dame aus der Schweiz, die Schecks für eine Organisation ausstellt, von der sie annimmt, dass es sich um eine wohltätige Organisation für Waisenkinder in Afghanistan handelt, die aber in der Tat eine Tarnorganisation zur Finanzierung von Aktivitäten von Al-Qaida ist.

  • Eine Person, die einem Sohn eines Al-Qaida Mitglied Englisch beibringt.

  • Ein Journalist, der den Aufenthaltsstandort von Osama Bin Laden kennt, diesen aber nicht preisgeben will.

Ihr Ergebnis: Eine Inhaftierung in Guantanamo ist in allen drei Fällen gerechtfertigt.


Januar 2005

AZMY besucht KURNAZ ein zweites Mal auf Guantanamo. Dieser bestätigt nochmals, dass dort gefoltert wird.


31.01.2005

Bundesrichterin Joyce HENS GREEN entscheidet, dass die Haft von KURNAZ und anderen Inhaftierten auf Guantanamo illegal ist und im Widerspruch zur amerikanischen Verfassung und den Genfer Menschenrechts- und Kriegsgefangenenkonventionen steht.


Februar 2005

Die amerikanische Regierung legt gegen das Urteil Berufung ein und behält sich vor, KURNAZ jeglichen Kontakt zu seiner Familie oder seinen Anwälten zu untersagen. Der Imam der Bremer „Abu Bakr“ Moschee, die auch Murat KURNAZ besuchte, wird des Landes verwiesen: dem Ägypter wird nach einem Heimatbesuch die Wiedereinreise nach Deutschland verweigert.


09.03.05

Der Rechtsgelehrte AZMY berichtet in Deutschland auf einer Pressekonferenz über psychische, physische und sexuelle Folter, die KURNAZ in Guantanamo erleiden muss. Tage später reisen DOCKE, AZMY und die Familie KURNAZ in die Türkei, da dort die Ankunft KURNAZ durch die Polizei vermeldet wurde. Diese Angaben erweisen sich jedoch als falsch.


März 2005

Bremens Innensenator RÖWEKAMP, CDU, beharrt weiter darauf, KURNAZ die uneingeschränkte Aufenthaltserlaubnis abzuerkennen und ihn somit in die Türkei abschieben zu lassen. Anwalt DOCKE legt vor dem Verwaltungsgericht Bremen Widerspruch ein.


Ende März 2005

Das erste Mal dürfen auch als „geheim“ deklarierte Akten des Guantanamo- Militärtribunals eingesehen werden. Richterin Joyce HENS GREEN bestätigt der Washington Post, dass das Militär-Tribunal "alle entlastenden Beweise ignoriert und sich ausschließlich auf die einzige, äußerst fragwürdige Notiz eines unbekannten Zeugen" gestützt habe. Außerdem wird in den Akten vom CITF (Command Intelligence Task Force), der investigativen Abteilung der Militär-Kommandozentrale, vermerkt: "CITF ist sich keines Beweises bewusst, dass KURNAZ ein Mitglied von Al-Qaida war oder ist."


08.04.2005

KURNAZ’ Anwälte beantragen beim US-Bundesgericht, dass sie im Falle einer Freilassung oder Verlegung von KURNAZ 30 Tage im Voraus informiert werden. Dies soll geschehen, um eine Auslieferung oder Überführung in ein nahöstliches Foltergefängnis zu verhindern.


14.04.2005

Dem Antrag der KURNAZ-Anwälte wird stattgegeben. Eine Richterin entscheidet, dass KURNAZ nur dann an andere Staaten ausgeliefert werden darf, wenn er mindestens 30 Tage vorher davon in Kenntnis gesetzt wird.


Zwischen September und Dezember 2005

Nach dem Regierungswechsel von Rot-Grün zu Schwarz-Rot im September 2005 und weil die Verantwortung bei der alten Regierung liegt, gibt Bundesinnenminister Wolfgang SCHÄUBLE in einem Interview in der ARD zu, „dass deutsche Dienste in Guantanamo waren“. Dies hatte DER SPIEGEL bereits 2 Jahre zuvor enthüllt (vgl. 24.11.03).


26.11.2005

Vermerk des Auswärtigen Amtes: "Die Frage der Zulassung der Wiedereinreise von KURNAZ war laut Bundesinnenministerium und dem Chef des Bundeskanzleramtes (STEINMEIER, Anm. d. Red.) bereits mehrfach Gegenstand der nachrichtendienstlichen Lage. Dort sei auch mit dem Auswärtigen Amt Übereinstimmung erzielt worden, eine Wiedereinreise des K. nicht zuzulassen."


30.11.2005

30.11.2005Das Bremer Verwaltungsgericht gibt dem Widerspruch DOCKE’s recht und widerspricht damit der Entziehung des Aufenthaltsrechts durch die Bremer Behörden: KURNAZ darf wieder zurück in seine Heimat. Hier lesen Sie das Urteil des Verwaltungsgerichts (Az: 4 K 1013/05)


Dezember 2005

KURNAZ’ Anwalt DOCKE schildert Bundeskanzlerin Angella MERKEL, CDU, in einem Brief den Fall KURNAZ
Daraufhin antwortet das Kanzleramt: „Die Bundesregierung hat sich aus humanitären Gründen mehrfach gegenüber den US-Behörden eingesetzt“.
Die Berliner Zeitung greift die Kleine Anfrage der FDP an die Bundesregierung auf, in der sie erfahren möchte,

  • in wie weit die Bundestagsspitze Kenntnis von der Entführung KURNAZ’ hat
     
  • durch wen sie von dem Fall erfuhr
     
  • welche Rolle der BND und das Bundeskriminalamt darin spielen
     
  • und was sie in der Sache zu unternehmen gedenken

14.12.2005

Die Bundesregierung räumt erstmals ein, dass deutsche Beamte Vernehmungen in Guantanamo durchgeführt haben. Innenminister Wolfgang SCHÄUBLE, CDU, bestätigt, dass auch Murat KURNAZ verhört wurde. Die Oppositionsfraktionen, darunter die SPD, zögern aber noch, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzuberufen.


Anfang Januar 2006

Auf die Frage, „ob zur Gefahrenabwehr auch deutsche Beamte nach Guantanamo geschickt werden dürften“, weicht Kanzlerin MERKEL aus und macht darauf aufmerksam, dass eine Institution wie Guantanamo nicht auf Dauer existieren dürfe.
Aus diesem Grund setzt sie sich auch während ihres Antrittsbesuch im Weißen Haus bei George W. BUSH für eine Freilassung von KURNAZ ein.


17.01.2006

Die Präsidentenrunde im Bundeskanzleramt, eine wöchentlich stattfindene Besprechung zur nationalen Sicherheitslage, entscheidet, dass eine mögliche Einreise von KURNAZ wieder in seine Heimat, nach Deutschland zurück, akzeptiert werden soll.


20.01.2006

Die Oppositionsparteien überlegen, was ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss bezüglich der Fälle EL MASRI, ZAMMAR und KURNAZ klären müsste. Frank-Walter STEINMEIER, SPD und inzwischen Bundesaußenminister in der Großen Koalition, fordert die Opposition auf, von der Berufung eines Untersuchungsausschusses abzusehen.


Januar 2006

Nachdem in den Fall KURNAZ durch Kanzlerin MERKEL endlich Bewegung gekommen ist, wird in der Präsidentenrunde entschieden, „dass eine mögliche Einreise (KURNAZ) akzeptiert wird“. Die Präsidentenrunde ist ein wichtiges Gremium zur nachrichtendienstlichen Lage, dass sich aus den Spitzen von BND und Bundesverfassungsschutz, sowie aus den Staatssekretären von Kanzleramt, Bundesinnenministerium und Auswärtigem Amt zusammen setzt.


Januar 2006

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung kann KURNAZ nach Gesprächen zwischen Bundeskanzlerin MERKEL und US-Präsident BUSH auf eine baldige Freilassung hoffen.


Anfang Februar 2006

Durch Offiziere des Pentagons taucht eine als „top secret“ eingestufte Gefährdungseinschätzung der US-Regierung zu KURNAZ auf, die ihn darstellt, als hätte er engen Kontakt zur extremen Islamistenszene. Sie sehen dies als einen von vielen Gründen, KURNAZ’ Haft auf Guantanamo rechtzufertigen.
Inzwischen hat auch die Bundesregierung Richtlinien ausgearbeitet, nach denen eine Befragung abgebrochen werden muss, wenn offensichtlich ist, dass der festgehaltene Verdächtige gefoltert wird oder die Aussagen durch Folterung erzwungen wurden.


15.03.2006

Nachdem

  • am 12. Januar das öffentlich-rechtliche Fernsehmagazin panorama (NDR) einen Bericht mit dem Titel Bomben auf Bagdad - Deutsche am Irakkrieg beteiligt gesendet hatte und die aktuelle Bundesregierung (Große Koalition) in Erklärungsnot geraten ist

  • nachdem seit Anfang Januar erst die NewYork Times und dann in dichter zeitlicher Folge die Süddeutsche Zeitung sowie das ZDF-Magazin Frontal21 über den Fall des entführten Deutsch-Libanesen El MASRI berichtet haben und

  • die Bundesregierung, insbesondere auch Kanzlerin Angela MERKEL um das Schicksal des auf Guantanamo eingekerkerten Murat KURNAZ wissen

  • außerdem durch den Journalisten John GOETZ die Existenz des irakischen BND-Informanten mit dem Decknamen "Curveball" enthüllt wurde,

werden die Aktivitäten in der Hauptstadt Berlin immer hektischer: Die Parlamentarier wollen wissen, ob das alles stimmt und wie das alles zusammenhängt.
An diesem Tag stimmen 157 Abgeordnete des Deutschen Bundestages für die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (BND-PUA). 154 Stimmen bzw. 25% aller Parlamentarier wäre notwendig gewesen. Die LINKE stimmt geschlossen für den Antrag, bei der FDP sind es 58 von insgesamt 61, bei den GRÜNEN gibt es eine (einzige) Enthaltung: Joschka FISCHER, seinerzeit Außenminister, ist gegen einen solchen Ausschuss.
Über die vielfältigen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Vorfällen und die mediale Berichterstattung, die letztlich die öffentliche Diskussion vorantreibt und den Druck auf die Politik erhöht hat, gibt die nachfolgende Grafik einen kleinen Überblick:


23.03.2006

In einem "Bericht der Bundesregierung (Offene Fassung)" an das Parlamentarische Kontrollgremium (u.a. zur Überprüfung der Geheimdienste) wird keine zweite Vernehmung von KURNAZ erwähnt.


März 2006

Die US-Behörden wollen KURNAZ nur aus der Haft entlassen, wenn er in Deutschland ständig überwacht wird. Kanzlerin MERKEL ist damit nicht einverstanden. KURNAZ werde in Deutschland nichts vorgeworfen, er könne sich frei bewegen, außerdem sei der Aufwand einer ständigen Überwachung zu groß.


02.06.2006

Nach mehreren Verhandlungsgesprächen zwischen Deutschland und den USA legt die US-Seite ein Papier (Draft Transfer Language) vor, in dem die Bedingungen zur Freilassung KURANZ festgehalten werden. Es bieten sich der Bundesregierung zwei Möglichkeiten der Auslieferung: entweder per US-Gefangenentransport über den US-Flughafenstützpunkt Ramstein oder die Beförderung von KURNAZ durch eine deutsche Maschine, die ihn abholt.


29.06.2006

Der Surpreme Court urteilt, dass die Militärtribunale in Guantanamo illegal sind.


24.08.2006

Bundesaußenminister STEINMEIER, SPD, teilt mit, die Verhandlungen um die Freilassung von KURNAZ mit den USA seien erfolgreich gewesen.
KURNAZ wird auf dem US-Flughafen Ramstein an deutsche Behörden übergeben. Anwalt DOCKE beanstandet bei einer von Amnesty International organisierten Pressekonferenz, KURNAZ sei sogar bei der Auslieferung im Flugzeug gefesselt gewesen.


25.08.2006

RA DOCKE erhebt Vorwürfe gegen die frühere Bundesregierung, diese habe Mitschuld an der viereinhalb jährigen Haft von KURNAZ. Die Staatsanwaltschaft Bremen kündigt an, ein bereits 2001 eingeleitetes Verfahren gegen KURNAZ wegen angeblicher Gründung einer terroristischen Vereinigung wieder aufzunehmen.
Dieses Verfahren wird sie jedoch Mitte Oktober des Jahres 2006 aufgrund mangelnden Tatverdachts wieder einstellen.


Ende September/Anfang Oktober 2006

In den Vereinigten Staaten wird ein Gesetz zur Behandlung von Terrorverdächtigen vorgelegt. Danach hat der Präsident das Recht, jeden Verdächtigen zu einem „feindlichen Kämpfer“ zu erklären und ihn ohne rechtliche Grundlage einzusperren.


05.10.2006

Die Bundesregierung lehnt es ab, eine Stellungnahme zu den Misshandlungsvorwürfen abzugeben und auch die laut KURNAZ stattgefundene zweite Befragung (2004) bleibt weiter unklar.

Die Illustrierte stern bringt das Schicksal von Murat KURNAZ groß heraus: „Über Isolationshaft, Folter, Demütigung und Angst“. In seinem ersten Interview nach seiner Freilassung im August 2006 berichtet KURNAZ den stern-Redakteuren Uli RAUSS und Peter MEROTH viele Details über seine Gefangenschaft und das Erlebte auf Guantanamo: auf insgesamt 22 Seiten, u.a. mit vielen authentischen Fotos.
Lesen sie hier das stern-Interview mit Murat KURNAZ


25.10.2006

Das Verteidigungsministerium korrigiert im Verteidigungsausschuss des Bundestages frühere Angaben darüber, wann deutsche Stellen zum ersten Mal von der Inhaftierung KURNAZ’ erfahren haben. Laut Informationen der Berliner Zeitung v. 26.10.06 hat ein deutscher Verbindungsoffizier von Centcom, einem US-Einsatzführungskommando, schon am 29. Dezember 2001 vorgesetzte Stellen in Berlin informiert, dass in Kandahar (Südafghanistan) ein Deutscher festgehalten werde.


01.11.2006

Ex-Kanzler SCHRÖDER wälzt die Verantwortung für den Fall auf STEINMEIER ab - er habe sich damit niemals befasst.


08.01.2007

Die Tübinger Staatsanwaltschaft leitet ein Verfahren gegen zwei KSK-Elite-Soldaten ein: wegen des Vorwurfs der schweren Körperverletzung.


18.01.2007

KURNAZ sagt erstmals als Zeuge vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (BND-PUA) im Deutschen Bundestag aus. In der Sitzung soll erstmal geklärt werden, ob und wann deutsche Regierungsstellen auf Angebote zur Freilassung Kurnaz eingegangen sind. Weiter soll geklärt werden ob KURNAZ in Afghanistan von zwei deutschen KSK-Soldaten misshandelt wurde. Nach Schilderung KURNAZ über die Zustände und die Folterungen in Guantanamo sind viele der Anwesenden erschüttert.


20.01.2007

Die Süddeutsche Zeitung beginnt mit ihrer regelmäßigen Berichterstattung über die parlamentarische Aufarbeitung des Falls: Wie die rot-grüne Bundesregierung im Fall des Guantanaomo-Häftlings jahrelang falsch gespielt hat


23.01.2007

Der CIA-Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments legt seinen Abschlussbericht vor. In diesem wird bestätigt, dass KURNAZ in Guantanamo gefoltert wurde. Weiter heißt es, dass KURNAZ im Jahr 2002 und 2004 durch deutsche Regierungsbeamte verhört wurde und dass bereits 2002 durch deutsche sowie amerikanische Geheimdienste festgestellt wurde, dass KURNAZ keinerlei Verbindung zu Al-Qaida oden den Taliban hat und auch keine terroristische Bedrohung darstelle. Festgehalten wird auch, dass die deutsche Regierung, dass Angebot KURNAZ bereits im Jahr 2002 freizulassen, abgelehnt hatte.


24.01.2007

STEINMEIER nimmt Stellung zum Fall KURNAZ: „ Es besteht Grund zur Annahme, dass KURNAZ nach Pakistan gereist ist um sich dort den Taliban anzuschließen.


01.02.2007

Der SPD-Obmann im BND-Ausschuss, Thomas OPPERMANN, treuer Gefolgsmann des inzwischen zum Bundesaußenminister avancierten STEINMEIER, wirft im BND-PUA den Geheimdienstlern vor, KURNAZ 2002 nicht kritisch genug befragt zu haben. Er erwähnt beispielsweise das Telefonat aus Pakistan zwischen KURNAZ und dem Bremer "Hassprediger" der „Abu Bakr“-Moschee, in dem er seinen unmittelbar bevorstehenden Einsatz mit den Taliban angekündigt habe.
Der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz von Bremen,Walter WILHELM, soll nach einem Artikel des Online Magazins stern dem Bremer Innensenator Thomas RÖWEKAMP, CDU, im Januar 2006 schriftlich über dieses Telefonat mitgeteilt haben.
Es gibt jedoch auch keinerlei Belege für dieses Telefonat, obwohl der Imam Ali MIRI abgehört worden ist.


Februar 2007

Geheimdienstmitarbeiter werden im BND-PUA befragt, ob der Bundesregierung im Herbst 2002 ein Angebot der USA zur Freilassung von KURNAZ vorlag. Wie die Süddeutsche Zeitung und der stern berichten, sei das Pentagon in die Überlegungen mit eingebunden gewesen.


Mitte Februar 2007

US-Vernehmungsprotokolle beim Bundesnachrichtendienst sind spurlos verschwunden, sie hätten KURNAZ entlasten können.


22.02.2007

Der Chef des Bremer Verfassungsschutzes, Walter WILHELM, räumt ein, dass die Informationen zur Einschätzung von KURNAZ als ‚gefährlich’

  1. auf Hörensagen beruhten und

  2. aus einer als unzuverlässig eingestuften Quelle stammen

01.03.2007

Da dem BND-PUA seit Wochen brisante Verfassungsschutzakten aus Bremen zum Fall Murat KURNAZ vorenthalten werden, setzt das Gremium seine für den 1.März 2007 geplante Zeugenvernehmung aus.


Anfang März 2007

STEINMEIER gerät nochmals in Bedrängnis: Der frühere Sonderbeauftragte für Guantanamo, Pierre-Richard PROSPER, sagt aus, die Deutschen hätten KURNAZ schon seit 2003 freibekommen können, wären ihre Bemühungen nur ernsthaft und kontinuierlich gewesen. Kurz davor schildert Joschka FISCHER, wie er sich für KURNAZ bei Collin POWELL verwendet hätte - jedoch vergeblich.
Das ARD-Magazin Monitor sprach mit dem ehemaligen US Regierungsbeauftragten für Guantanamo und Sonderbotschafter für Kriegsverbrechen Pierre-Richard PROSPER. Den Film von Monitor lässt sich hier aufrufen


08.03.2007

Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes August HANNING sagt vor dem BND-PUA aus, dass STEINMEIER von Beginn an mit allen relevanten Fakten zum Fall KURNAZ vertraut gewesen sei.


26.03.2007

Die SPD greift am Rande des BND-PUA Ex-Guantanamo-Häftling Murat KURNAZ scharf an. "KURNAZ war und ist kein harmloser Zeitgenosse“, meint SPD-Obmann Thomas OPPERMANN - hierfür gäbe es eine Fülle von Indizien.


28.03.2007

Der BND-PUA tagt, um zu klären, ob Rot-Grün 2002 genug getan hat, um Murat KURNAZ aus Guantánamo zu befreien. Geladen sind Außenminister Frank-Walter STEINMEIER, SPD, der damals als Kanzleramtschef für die Geheimdienste zuständig war, sowie Ex-Innenminister Otto SCHILY, ebenfalls SPD.


29.03.2007

Otto SCHILY und Frank-Walter STEINMEIER sagen vor dem BND-PUA aus:

  • SCHILY übernimmt die politische Verantwortung für den Fall KURNAZ

  • STEINMEIER steht auch heute noch zu seiner Entscheidung und den Beschlüssen zur Einreisesperre vom 30.10.2002, da das Innenministerium KURNAZ als Sicherheitsrisiko einstufte. STEINMEIER beharrt außerdem weiterhin darauf, dass es bis 2006 kein Angebot von amerikanischer Seite gegeben hätte, KURNAZ freizulassen

03.04.2007

Zur Beschleunigung seiner Arbeit plant der BND-PUA, einen Sonderermittler einzusetzen.


26.04.2007

Vor dem BND-PUA sagen zwei ehemalige Staatssekretäre der früheren Bundesregierung aus, die sich allerdings in ihren Aussagen widersprechen:

  • Der Staatssekretär im Justizministeriums Lutz DIWELL behauptet, es habe frühestens 2005 ein Angebot der US-Regierung gegeben, KURNAZ freizulassen

  • während der Jurist und Honorarprofessor Hansjörg GEIGER sagt, es habe bereits 2002 ein Angebot gegeben, welches allerdings an zwei Bedingungen geknüpft gewesen sei, die die Regierung so nicht hätte erfüllen können.

GEIGER widerspricht damit nicht nur DIWELL, sondern auch den Darstellungen von Außenminister STEINMEIER, es habe nie ein offizielles Angebot gegeben


April 2007

KURNAZ veröffentlicht ein Buch „Fünf Jahre meines Lebens. Ein Bericht aus Guantanamo“ (Rowohlt, Berlin 2007, 285 Seiten 16,90 Euro), in dem er seine Erlebnisse ausführlich beschreibt.


Anfang April 2007

KURNAZ ist Medienberichten zu folge in die neue Anti-Terror-Datei von Bund und Länder gespeichert. Hintergrund sei der angebliche Kontakt von KURNAZ zur radikal-islamistischen Gruppe Tabligh-i-Jamaat vor seiner Reise im Jahr 2001 nach Pakistan.


Anfang Mai 2007

Die Staatsanwaltschaft Tübingen ermittelt immer noch gegen zwei Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung im Amt. KURNAZ wirft den KSK-Soldaten vor, ihn im Januar 2002 geschlagen und getreten zu haben. Die beiden Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe.


11.05.2007

THOMAS DE MAIZIÉRE sagt vor dem BND-Ausschuss aus, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel sich 2005 aus humanitären Gründen entschieden hat, sich für die Freilassung des Guantanamo-Häftlings Murat KURNAZ einzusetzen. Diese Aspekte hätten die Sicherheitsbedenken einiger Geheimdienste überwogen.


23.05.2007

FDP, Grüne und die Linkspartei reichen klage beim Bundesverfassungsgericht ein. Die Opposition wirft der Bundesregierung vor die Aufklärungsarbeit im BND-Untersuchungsausschuss behindert zu haben. Weiter fordern die Oppositionsparteien einen Geheimdienstbeauftragten für das Parlamentarische Kontrollgremium( PKG ) und bemängeln den Informationsfluss seitens der Bundesregierung im Fall KURNAZ, da Akteneinsicht verweigert wurde.


29.05.2007

Die Staatsanwaltschaft Tübingen stellt ihre Ermittlungen gegen die beiden KSK-Soldaten ein. Trotz verbleibenden Verdachts lässt sich nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ein Nachweis nicht führen.


25.06.2007

Der Untersuchungsausschuss im Bundestag (BND-PUA) fordert zur Recherche im Fall KURNAZ Akten des Amt für Nachrichten der Bundeswehr (ANBW) über den Aufenthalt und Tätigkeiten des KSK in Kandahar an. Im Zuge dessen stellt sich heraus, dass diese Daten gelöscht wurden. Als Grund für den Datenverlust wird ein technischer Defekt verantwortlich gemacht. Bei den betroffenen Daten handelt es sich um Berichte über die Jahre 1998 – 2003. Ob dabei Informationen über den Fall KURNAZ verloren gingen, bleibt offen.


06.07.2007

JOACHIM JACOB wird zum Sonderermittler des BND-Untersuchungsausschuss des Bundestags ernannt und soll bei der Aufklärung der Vorwürfe gegen die Regierung für eine schnellere Ermittlung sorgen.


03.08.2007

Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt gegen 17 Journalisten unterschiedlicher Medien wegen des Vorwurfs „Beihilfe zum Geheimnisverrat“. Grundlage der Klage ist der Vorwurf, die Journalisten würden ständig aus geheimen Akten, des BND-PUA zitieren.


06.08.2007

Die Staatsanwaltschaft Tübingen nimmt die Ermittlungen gegen Zwei KSK-Beamte, die KURNAZ in einem Gefangenenlager in Afghanistan misshandelt haben sollen, wieder auf. Grund für die Wiederaufnahme ist die Benennung neuer Zeugen, die zwei ehemalige Mitinsassen äußerten.


29.09.2007

DER SPIEGEL belastet das unter Anklage stehende Bataillon der KSK-Komando Spezialkräfte, das seit Dezember 2001 in Afghanistan stationiert war. Es soll mehrfach zu "gravierenden Fällen von Alkoholmissbrauch durch Befehlshabende" gekommen sein. Sowohl der Führer des Kontingents als auch der Kompaniechef seien häufig alkoholisiert gewesen. Das Nachrichtenmagazin stützt sich dabei auf die Berichte von Augenzeugen sowie "interne Dokumente" der Bundeswehr.


19.05.2008

Das Ermittlungsverfahren gegen zwei KSK-Beamte, die Murat KURNAZ in einem Gefangenenlager in Afghanistan misshandelt haben sollen, wird zum zweiten Mal eingestellt. Grund: die Verdachtsmomente gegen die zwei Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) aus Calw reichen nicht aus. Dass KURNAZ seine Anschuldigungen frei erfunden haben könnte, sei aber nicht anzunehmen, wird betont.


18.09.2008

Nach dem Vorwurf der Misshandlung an Murat KURNAZ wollen die Parteien im Bundestag die Aufsicht über Bundeswehr-Spezialkräfte verbessern. Die Kontrolle des Parlaments über Einsätze der Bundeswehr-Elitetruppe Kommando Spezialkräfte (KSK) muss nach Einschätzung aller Fraktionen im Bundestag verbessert werden. Zu diesem Ergebnis kommen die Parteien nach Abschluss ihrer Untersuchung im Verteidigungsausschuss über den Einsatz des Kommando Spezialkräfte in Afghanistan im Jahr 2002.


19.06.2009

Nach dreijährigen Ermittlungen wird der BND-Ausschus beendet.


23.07.2009

Das Bundesverfassungsgericht hat der Regierung bescheinigt, dass ihre Geheimniskrämerei im Ausschuss nicht nur übertrieben, sondern grundgesetzwidrig war. Die Regierung habe das Informationsrecht des Bundestags in unzulässiger Weise eingeengt und die Rechte des Parlaments verletzt, befindet das Gericht. Der Beschluss soll zukünftig das Parlamentarische Kontrollgremium für die Geheimdienste stärken, gilt aber nur für zukünftige Untersuchungsausschüsse.


27.04.2011

DER SPIEGEL veröffentlicht Inhalte der US-Häftlingsakte ("Detainee Assessment") von Murat KURNAZ. Diese Einschätzung zum Gefangenen mit der Insassenkennung US9TU-000061DP, ist neun Seiten lang.

Als Haftgrund wird angeben, dass KURNAZ auf einem Foto identifiziert worden ist, welches seinen Aufenthalt in Tora Bora bewiesen habe. Später gab die Bush-Regierung zu, dass die Erkenntnisse aus den Aussagen des Häftlings, welcher KURNAZ denunzierte, auch unter Folter gewonnen wurden.


29.04.2011

In Toronto wird der Dokumentarfilm "THE GUANTANAMO TRAP" zum ersten Mal Uraufgeführt. Inhaltlich geht es unter anderem um das Schicksal von Murat KURNAZ im Folterlager von Guantanamo.


27.09.2011

n den Babelsberg Studios bei Berlin beginnen die Dreharbeiten zum Spielfilm "5 JAHRE". Grundlage dieses Films bildet das 288-seitige Buch von Murat KURNAZ, sowie die diesen Fall betreffenden Wiki-Leaks Berichte und Akten des US-Militärs.

Der Titel des Films spiel auf die Zeitspanne an, die KURNAZ nach seiner Entführung durch Mitarbeiter eines US-Nachrichtendienstes als Häftling auf Kuba verbringen musste. Regisseur Stefan SCHALLER ist gleichzeitig auch Drehbuchautor des 2013 erscheinenden Spielfilms.


Anfang Juli 2012

Der bisherige Präsident des BA für Verfassungsschutz Heinz FROMM sieht sich durch die NSU-Affaire zum Rücktritt gezwungen. Auf Wunsch des Innenministers Hans Peter FRIEDERICH (CSU) soll ausgerechnet der ehemalige Referatsleiter für Ausländerrecht Hans Georg MAAßEN die Nachfolge von FROMM antreten.

MAAßEN war maßgeblich daran beteiligt, dass KURNAZ im Oktober 2002 die Aufenthalts- und Rückkehrrechte für seine Heimat entzogen wurden. Noch heute teilt MAAßEN die Auffassung, dass Murat KURNAZ nach seiner Entführung und Inhaftierung im US-Folterlager, sein Aufenthaltsrecht für die BRD verwirkte. KURNAZ wäre schließlich über sechs Monate nicht in Deutschland gewesen, was Bedingung für eine Verlängerung ist. (BZ)

Aufgrund dieser, "aus menschlicher Kälte" (BZ) heraus gefällten Entscheidung, blockierte die damalige rot-grüne Bundesregierung die Heimkehr von KURNAZ und schlug die US-Angebote, den Inhaftierten freizulassen, aus.

Zitat MAAßen: "Das war die Gesetzeslage, ob es einem nun gefällt oder nicht. In meinem Gutachten für den Fall KURNAZ habe ich damals lediglich die rechtliche Regelung des Ausländerrechts beschrieben." (BZ)


11.07.2012

Der Akademische Senat der freien Universität (FU) Berlin verhandelt nach einem Antrag der juristischen Fakultät darüber, dem designierten Verfassungsschutzpräsidenten MAAßEN den Titel eines Honorarprofessors zu verleihen.

Am Ende der Sitzung stimmen zehn Senatsmitglieder für MAAßEN, zwölf votieren allerdings mit "NEIN"! Ein höchst ungewöhnlicher Vorgang, da die Bestätigung eines Berufungswunsches durch akademische Gremien im Normalfall als reine Formalie gilt.

Zitat MAAßEN: "Die Entscheidung der FU empfinde ich als Skandal. Eine Universität hat nicht über die fachliche Arbeit von Bundesbeamten zu entscheiden". (BZ)


18.07.2012

Das Bundeskabinett stimmt für den Vorschlag des Bundesinnenministers FRIEDRICH und beschließt, dass MAAßEN zum 01. August 2012 das Amt des Präsidenten für Verfassungsschutz übernimmt. 

Am gleichen Tag äußert die Fraktionschefin der Grünen, Renate KÜNAST in der Berliner Zeitung, dass Herr MAAßEN die Bedingungen nach einem Neuanfang in der Führung des BA für Verfassungsschutz NICHT ERFÜLLT.


01.08.2012

Hans Georg MAAßEN wird trotz seiner sehr umstrittenen Rolle im Fall KURNAZ zum Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz ernannt. Er wird 2018 aufgrund mehrerer Vorkommnisse, die im WIKIPEDIA dokumentiert sind, in den einstweiligen Ruhestand befördert.


23. Mai 2013

Kinopremiere des Spielfilms "5 Jahre Leben". Murat KURNAZ nimmt als Ehrengast in Berlin an der ersten Aufführung teil. Bundesweit erntet der Film in fast allen Medien positive Kritiken.

Die Handlung:

Murat KURNAZ wird seit Januar 2002 als Häftling ohne Anklage im Internierungslager auf der Guantanamo Bay Naval Base auf Kuba festgehalten. Er ist nicht darüber informiert, was ihm zur Last gelegt wird und verbringt ein Jahr lang in Isolationshaft. Dennoch legt er kein Geständnis ab. Schließlich begreift er, dass ihm kein Glauben geschenkt werden wird und beginnt, gegen das System im Lager zu kämpfen. Die Filmhandlung endet 2004; KURNAZ hat bis zu seiner Freilassung noch zwei Jahre Haft vor sich...

Inzwischen gibt es den Film auch als DVD

Die Handlung:

Murat KURNAZ wird seit Januar 2002 als Häftling ohne Anklage im Internierungslager auf der Guantanamo Bay Naval Base auf Kuba festgehalten. Er ist nicht darüber informiert, was ihm zur Last gelegt wird und verbringt ein Jahr lang in Isolationshaft. Dennoch legt er kein Geständnis ab. Schließlich begreift er, dass ihm kein Glauben geschenkt werden wird und beginnt, gegen das System im Lager zu kämpfen. Die Filmhandlung endet 2004; KURNAZ hat bis zu seiner Freilassung noch zwei Jahre Haft vor sich...

Inzwischen gibt es den Film auch als DVD (siehe aktives Bild). Und Lehrmaterial dazu


2021

im September 2021 jähren sich die Ereignisse von "9/11" zum zwanzigsten Male und Murat KURNAZ 39 Jahre alt. Wir haben uns bei ihm erkundigt, wollten wissen, ob sich irgendjemand von den damals Verantwortlichen bei ihm persönlich entschuldigt habe.

Von den Verantwortlichen, u.a. Frank-Walter STEINMEIER, aktuell Bundespräsident, oder Hans-Georg MAAßEN, 2021 Bundestagskandidat für die CDU in Thüringen, oder den anderen hat sich niemand bei Murat KURNAZ entschuldigt. Oder zumindest sein damaliges Handeln erklärt.


(SchS, SN, AM, JMD, ChrM)