Die DSO: Einflussnahme(n) und Interessengeflecht
Über die Unabhängigkeit einer an sich (über)lebensnotwendigen Institution
Das Transplantationsgesetz von 1997 sieht vor, dass die drei großen Träger der gesundheitlichen Selbstverwaltung, konkret die
- die Bundesärztekammer
- die Deutsche Krankenhausgesellschaft
- sowie der GKV Spitzenverband, die Interessensvertretung aller Kranken- und Pflegekassen
die Auftraggeber für eine deutschlandweite Institution sein sollen, die sich um die Förderung als auch um die medizinische Logistik der Organtransplantationen kümmert.
Dies macht - seit langer Zeit - die DSO, die Deutsche Stiftung Organstransplantation mit Sitz in Frankfurt/M. mit ihren regionalen Unterorganisationen.
Die DSO ist eine privatrechtliche Stiftung und unterliegt - so gesehen - keinerlei öffentlichen Kontrolle; weder hat das Parlament irgendwelche Kontrollrechte (bisher) noch die Betroffenen oder die bundesweite Öffentlichkeit. Und dies, obwohl der Jahresetat der DSO, zuletzt rd. 40 Millionen €, von allen Versicherten über ihre Krankenkassenbeiträge finanziert wird.
Grundsätzlich lehrt die Managementlehre: Wenn Institutionen ein Eigenleben führen (können) und keinerlei Controlling von außen unterliegen, entwickeln sich die dort geltenden internen Spielregeln und Praktiken schnell nach sogenannten Eigenlogiken. Bedeutet: Eine Institution 'bastelt' sich ihre Institution selbst (zurecht).
Das muss - grundsätzlich - nichts Negatives bedeuten. Die Erfahrung indes belegt etwas anderes: In den allermeisten Fällen endet dies in
- undemokratischen Usancen. Statt dessen bilden sich hierarchischen Strukturen heraus, in denen
- Kritik absolut unerwünscht ist.
- Weil Kritiker schnell mundtot gemacht werden und Alarmschlagen bei Missständen (sog. Whistleblowing) den (vermeintlichen) 'Betriebsfrieden stört, ist dies in der Regel mit nachlassender Innovationskraft und schwindendem Nachdenken über Qualitätsverbesserungen verbunden.
- Kurz gesagt: Derlei Institutionen versanden schnell in mittelmäßiger Ineffizienz.
Letztlich sind es zwei Ebenen, auf denen sich das abpsielt:
- die sogenannte Systemtheorie besagt, dass es die externen Vorgaben und die sich daraus ergebenden Spielregeln sind, die letztlich die Strukturen prägen
- die sogenannte Akteurstheorie erklärt, wie die handelnden Personen agieren, wenn sie Entscheidungen treffen (dürfen, können oder müssen) und wovon das abhängt: z.B. von ihrem Selbstverständnis und ihren eigenen Interessen, Zielen und konkreten Motiven.
Genau betrachtet ergänzen sich die beiden Erklärungsansätze. Und genau dies lässt sich bei der DSO nachvollziehen:Grundsätzlich ist die DSO - von außen betrachtet - sinnvoll konzeptioniert: Die drei Auftraggeber sind Mitglied im Stiftungsrat, der das Gebaren der DSO kontrollieren soll, und die StäKO hat beratende Funktion. Der Fachverband der Transplantationsmedizin, in dem die meisten Transplantationsmedizinier vertreten sind, kann ebenfalls beratenden Einfluss geltend machen, z.B. das fachliche Know-how einbringen. Soweit die systemtheoretische Betrachtung:
Schaut man sich die konkrete Konstellation an, die letztlich von realen Menschen geprägt ist, die unterschiedliche
- Interessen, Ziele und Motive verfolgen (können) und die
- sehr verschiedene Vorstellungen über ihre eigene Rolle dabei haben und unterschiedlich über andere denken (z.B. über Kritiker, die Situationen optimieren wollen)
- und deswegen unterschiedliche Führungsstile und Kulturen an den Tag legen, so sieht das Bild der DSO-Struktur gleich anders aus:
Ergebnis: Die ursprüngliche Systemstruktur (zu Zeiten des medizinischen Alleinvorstands Günter KIRSTE) wird überlagert von individuellen Interessen, Verbindlichkeiten und gegenseitigen Abhängigkeiten. Wenn ein solches Einflussnahme- und Interessensgeflecht intransparent bleibt und keinerlei Aufsicht von Außen unterliegt, sind dies klassische Faktoren, die
- keine Innovationskraft
- wenig Effizienz
- und noch weniger Akzeptanz
eines solchen Systems versprechen. Soweit die Betrachtung aus organisatorischer und praxiserfahrener Management-Perspektive.
Überlegungen zur Legitimität und mangelnder Rechtskontrolle hat Wolfram HÖFLING angestellt: Um Leben und Tod.
(JL)
Online am: 28.10.2015
Inhalt:
Organspenden: zwischen Leben und Tod. Und auch Vetternwirtschaft?
- Ein Überblick über das (über)lebenswichtige Thema Organspenden
- Die DSO: Einflussnahme(n) und Interessengeflecht
- Chronologie eines sich abzeichnenden Organspenden - und Transplationsskandals
- Wie die taz im Oktober 2011 mit ihren Organspenden-Recherchen begann
- Wie das Göttinger Tageblatt den Göttinger Skandal enthüllte
- Organtransplantationen: das Making-of der der vielen Enthüllungen in der SZ
- Um Leben und Tod: Organtransplantationen
- Starre Regeln: Organspenden und Transplantationen
- Enthüllungen der Süddeutschen Zeitung im Jahr 2006
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