Ein Überblick über das (über)lebenswichtige Thema Organspenden

 

Der "Hauptamtliche Vorstand für die Restrukturierung" der "Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO)", Dr. Rainer HESS, musste am 24. April 2013 auf der lange erwarteten Pressekonferenz eine traurige Zahl bekanntgeben: Das Aufkommen sogenannter postmortaler Organspenden wie Herz, Lunge, Leber, Niere usw. war im auf einen absoluten Tiefpunkt gefallen - so niedrig wie zehn Jahr zuvor: 

Dabei geht es nicht nur um irgendwelche abstrakte Statistiken, sondern - teilweise - um Zahlen, die über Leben oder Tod entscheiden können: 12.000 Menschen stehen auf der Warteliste, die - teilweise - händeringend auf ein 'Ersatzorgan' warten. Die Zahl der zur Verfügung stehenden Organe von Toten und Lebenden ist erheblich niedriger. Und rund 1.000 Menschen verlieren jährlich ihr Leben, weil sie nicht rechtzeitig an ein Ersatzorgan kommen. So zumindest die Schätzungen. Genau weiß das niemand, weil die DSO die letzten Jahre ihren Job nicht sonderlich gut erledigt hatte. So fehlen beispielsweise eindeutige Zahlen. Deswegen auch der hauptamtliche Vorstand "für die Restrukturierung". 

Aber nicht nur wegen unzureichender Informationen ist die DSO ins Gerede gekommen und hat an Vertrauen und Akzeptanz in der Politik wie bei der Bevölkerung verloren. Die Pressemitteilung der DSO sagt es selbst: Unbestritten bleibt jedoch, dass die aufgedeckten Manipulationen in Transplantationszentren deutliche Spuren hinterlassen haben. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Transplantationsmedizin wurde erheblich geschwächt, was sich in Folge dessen auch negativ auf die Organspende ausgewirkt hat."

Konkret: Das Jahr 2012 war durch mehrere handfeste Organtransplantationsskandale geprägt: Göttingen, Regensburg, München, Leipzig. Das System dieses (über)lebenswichtigen Bereichs bzw. das System DSO funktioniert nicht durchgehend effizient. Dies fängt schon bei den Strukturen an, die

  • wenig transparent
  • von außen kaum kontrollierbar
  • und sehr von individuellen Interessen

geprägt sind; skizziert unter Die DSO: Einflussnahme(n) und Interessensgeflecht. Im Mittelpunkt dieses unzureichend funktionierenden Systems: der ehemalige medizinische Vorstand, Prof. Dr. med. Günter KIRSTE, eine Art Alleingott in der Branche. KIRSTE ist inzwischen 'weg vom Fenster'. Deswegen auch die "Restrukturierung".

Dass es überhaupt so weit kommen konnte, dass öffentlich klar wurde, dass

  • die DSO von Selbstbedienung und Vetternwirtschaft regiert wurde
  • das gesamte System nach kaum zu durchschauenden selbst gesetzten Spielregeln funktionierte, die nicht gerade Akzeptanz und Vertrauen generierten
  • die (vielen hervorrragenden) Transplantationschirurgen (die es gottlob gibt) nicht immer frei von Anfechtungen und Versuchungen operierten,

ist vornehmlich auch den Medien, insbesondere einige Tageszeitungen zu verdanken. Sie haben seit langem ein kritisches Auge auf diesen (überlebens)wichtigen Bereich.

So berichtet die Redakteurin der Süddeutschen Zeitung, Christina BERNDT, schon seit über zehn Jahren von Ungereimtheiten und kleineren Skandalen, z.B. unter Enthüllungen der Süddeutschen Zeitung im Jahr 2006
Bei der taz, die tageszeitung war es Heike HAARHOFF, die seit 2010 für das Gesundheitsressort zuständig ist und im Oktober 2011 als erste über ein anonymes Hilfe-Schreiben von DSO-Mitarbeitern an Vertreter des Deutschen Bundestages berichten konnte: Die DSO-Angestellten klagten nicht nur über Vetternwirtschaft innerhalb des DSO und den "Führungsstil nach Gutsherrenart", insbesondere repräsentiert durch den medizinischen Vorstand Prof. KIRSTE, sondern baten die Volksvertreter um Hilfe, weil sie keine andere Möglichkeit mehr sahen, die eigentliche Aufgabe der DSO zu sichern: "Menschenleben". Die Vorwürfe hatten sich später alle als zutreffend erwiesen.

Heike HAARHOFF's viele Berichte seit diesem anonymen Schreiben lesen Sie unter Die Berichte der taz seit Oktober 2011. Als im Juni 2012 Jürgen GÜCKEL vom Göttinger Tageblatt erstmals von einem handfesten Verdacht bzw. Skandal im Transplantationszentrum der Universitätsmedizin Göttingen berichten konnte, brach die Lawine weiterer Enthüllungen los. Seine Artikel stehen unter Die Berichte des Göttinger Tageblatt. Jetzt war nichts mehr aufzuhalten.

Jetzt ging auch Christina BERNDT von der SZ erneut auf Suche; recherchiert hatte sie bereits zuvor, aber ohne konkrete Informationen zu erhalten. Ihre Enthüllungen am 20. Juli 2012 unter dem Titel "Leber im Angebot" (alles nachzulesen unter Die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung) war ein Paukenschlag, dem sich auch die anderen Medien, insbesondere das Fernsehen nicht mehr entziehen konnten.

Seit diesem Tag war das Problem manipulierter Transplantationsoperationen nicht nur ein bundesweites Thema, sondern gelangte auch auf die Tagesordnung der Politik. Diese vielen Vorgänge auf den verschiedenen Ebenen und wie sie letzten Endes dazu führten, dass Reformen unumgänglich wurden, haben wir rekonstruiert unter Chronologie eines sich abzeichnenden Organspenden- und Transplantationsskandals. Wie die Journalisten bei ihren Recherchen und Veröffentlichungen vorgegangen sind, finden Sie unter

Wenn Sie diese Geschichte direkt aufrufen oder verlinken wollen, können Sie das unter www.ansTageslicht.de/Organspenden tun.


(JL)

Auszeichnungen:

"Wächterpreis der Tagespresse" 2013

Die Menschen hinter dieser Geschichte: