Das höchste Oberhaupt, Sergej DARKIN ist seit 2001 Gourverneur und schon deswegen bekannt. Das erste Mal wurde er noch auf Vorschlag des Präsidenten PUTIN vom Landesparlament gewählt. Nachdem PUTIN russlandweit solche Wahlen abgeschafft hatte, werden die Gouverneure jeweils vom Präsidenten ernannt. Wenn man nichts falsch macht, hat man gute Chancen, wieder ernannt zu werden. DARKIN hat aus Moskauer Sicht nichts falsch gemacht.
Etwas 'falsch' gemacht zu haben, nämlich während der 90iger Jahre als Mitglied der "Braulow-Brigade" in Schutzgelderpressungsfälle verwickelt gewesen zu sein, hatte ihm allerdings 2002 der Fernsehjournalist Anfrej KARAULOV vom Moskauer Sender " TV Zentr" vorgeworfen. In der Sendung wurden Videoausschnitte gezeigt, in denen der Gouverneur in der Umgebung von lokalen kriminellen 'Autoritäten' dargestellt war.
DARKIN versuchte sich gegen die Gerüchte zu wehren und reichte eine Klage gegen den TV-Journalisten ein: wegen Verletzung seiner Ehre, Würde und geschäftlichen Reputation. Im Oktober 2003 hat das Leninskij Kreisgericht von Wladiwostok die Klage des Gouverneurs angenommen. Und ihn rehabiliert. KARAULOV musste 300.000 Rubel an 'Schmerzensgeld' zahlen - eine happige Strafe. "Wie kann der Richter eine Videokassette, auf der der Gouverneur DARKIN spricht und mit vollem Vor- und Nachnamen angesprochen wird, das als nicht existent bezeichnen? Ist der Richter blind und taub?", so hatte sich KARAULOV lautstark empört (vgl. www.kommersant.ru/Doc/418167).
Ungeachtet dieser Geschichte: 2005 wurde DARKIN erneut zum Gouverneur bestellt.
Politisch gilt DARKIN - zumindest innerhalb der politischen Elite - dennoch als angeschlagen: im Mai 2008 hatten maskierte Spezialeinheiten des Innenministeriums sein Büro und Haus gestürmt und den Safe mit allen Dokumenten beschlagnahmt. Bis zu diesem Einsatz der Moskauer Spezialtruppen hatte der amtierende Gouverneur indes eine stattliche lokale Machtbasis. Jedenfalls schaffte er es, den früheren Bürgermeister und Parteifreund Vladimir NIKOLAJEV mit Hilfe eines Korruptionsverfahrens aus seinem Amt zu hebeln. NIKOLAJEV wurde bereits 2007 wegen Amtsmissbrauch zu 4 Jahren und 6 Monaten auf Bewährung verurteilt.
Die Hausdurchsuchung bei DARKIN bezog sich auf eine Straftat, bei der gegen den Leiter der Gebietsverwaltung der föderalen Agentur für die Verwaltung des föderalen Eigentums der Region Primorje, Igor MESCHTSCHERJAKOV, ermittelt wurde. MESCHTSCHERJAKOV war wegen Gaunerei im großen Umfang festgenommen. Dabei wurde auch der ehemalige Stellvertreter von DARKIN, Alexander SCHISCHKIN, wegen der Annahme von Schmiergeld in Höhe von 1,2 Mio. Rubel verhaftet. Nach diversen Quellen sind die Vorwürfe gegen DARKIN deshalb aufgekommen, weil sich jemand aus der Reihe der verhafteten Beamten entschieden hatte, mit den offiziellen Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten und gegen DARKIN auszusagen. Aus diesen Gründen wurde bei DARKIN durchsucht und DARKIN verhört. Nach der Durchsuchung musste er ins Krankenhaus gebracht werden. Danach hatten alle den Rücktritt des Gouverneurs vorausgesagt. Einen Rücktritt gab es jedoch nicht.
In Primorje fliegen beinahe jeden Monat derartige Korruptionsfälle auf, ohne dass sie für Schlagzeilen sorgen. Nur wenige Journalisten haben den Mut, über solche Bestechungsfälle zu berichten. Die einflussreichen Medien machen es nicht.
- Der Sender Perwyj gehört dem russischen Staat (Reichweite 99%)
- Rossija gehört der Staatsholding VGTRK (Reichweite 95%)
- NTV ist eine Tochter von Gazprom
- ebenso der Sender TNT
- die Betreiber von Ren-TV sind zum einen die staatliche Bank Rossija sowie der deutsche Fernsehkanal RTL (Bertelsmann-Gruppe)
Der Sender TV Zentr. , zu 99% im Besitz der Moskauer Stadtverwaltung, aber landesweit mit mehreren Regionalprogrammen empfangbar, hat die Sendung Moment der Wahrheit im Oktober 2010 abgesetzt - trotz der hohen Einschaltquoten; zu groß war offenbar der ständige Ärger vor Gericht.
Die Interessenslage des Fernsehens auf regionaler Ebene:
- OTW (Obschestwennoje Telewidenie Primorja) ist mehrheitlich im Besitz der Gouverneursverwaltung von Primorj - steht unter dem Einfluß von DARKIN.
- Ansonsten gibt es viele kleinere TV-Stationen.
Fernsehen ist im Vergleich zu Zeitungen jedoch ausgesprochen teuer. Mit jenen, die dafür Geld investieren, kann/darf man sich nicht überwerfen, wenn man auf Sendung bleiben will. In Deutschland beispielsweise gibt es deswegen das Öffentlich-rechtliche Fernsehen , finanziert über TV-Gebühren durch die Zuschauer/User und ohne Staatseinfluss.
Eine der wenigen Medien, die Wochenzeitung Arsenjevskije Vesti aus der kleinen Stadt Arsenjev, die etwa 300 Kilometer nördlich von Wladiwostok liegt, hat aktiv über diese Geschichte berichtet. Bereits auf dem Titelblatt ist zu lesen, warum es diese Zeitung gibt: "Zeitung zur Verteidigung der Rechte und Freiheiten der Staatsbürger".
Mit so heiklen Themen wie Korruption und Schmuggel setzt sich die Zeitung regelmäßig auseinander. Sie hat deswegen zahlreiche Gegner, denen sie standhalten muss. Mehrmals wurde die Zeitung aus den Redaktionsräumen und Druckereien vertrieben. Im Februar 2009 hatte es einen Brand in den Redaktionsräumen gegeben. Ob es sich dabei um Brandstiftung handelt, ist bis heute unklar. Aus finanziellen Gründen hat die Zeitung die brandgeschädigten Räume auch im Sommer 2009 noch nicht wieder beziehen können. Trotzdem schafft es die Herausgeberin Irina GREBNEVA bislang, ihre Zeitung ohne staatliche Unterstützung über Wasser zu halten. Das Blatt lebt vor allem von Kleinanzeigen und Spendengeldern privater Förderer.
Es sind vor allem drei Artikel, die sich mit dem Gouverneur befassen. Mit diesen Berichten wollten die Journalisten u.a. auch die erneute Wiederbestellung des Gouverneurs verhindern:
- Im Artikel „Die Krönung des Gouverneurs im Gesetz“ vom November 2009 (in russischer Sprache: www.arsvest.ru/archive/issue870/politica/view16873.html) berichtet die Korrespondentin Nadeschda ALISIMTSCHIK über eine Verbrecherorganisation, die im Zeitraum vom Sommer 2003 bis November 2007 in Wladiwostok aktiv war. Diese kriminelle Organisation wurde vom Ex-Vize-Gouverneur der Region Primorje, Igor MESCHTSCHERJAKOV (Leiter der Gebietsverwaltung der föderalen Agentur für die Verwaltung des föderalen Eigentums der Region Primorje) und einem Abgeordneten STEPANTSCHENKO organisiert. Der "dritte" Mitorganisator wurde von den Ermittlungsbehörden als "unbestimmte Person" bezeichnet. Diese unbekannte Person soll DARKIN sein.
Und das war gelaufen: MESCHTSCHERJAKOV verkaufte das Eigentum der Region. Er bereitete die Dokumente für den Verkauf vor. Mit den Auktionen beschäftigte sich der flüchtige Abgeordnete STEPANTSCHENKOV, der die kommerziellen Strukturen für ihre Teilnahme an solchen Transaktionen in Gestalt von entsprechenden Firmen schuf - um damit marktwirtschaftlichen Wettbewerb vorzutäuschen: insgesamt 10 Firmen. Das Geld für das Grundkapital von 10.000 Rubel (ca 250 €) wurde auf Konten der Bank «Primorje« gebunkert.
Die von der Staatsanwaltschaft so bezeichnete "nicht bestimmte Person", die als Kopf der verbrecherischen Organisation galt, erfüllte verbindend die Verwaltungs- und Kommandofunktionen. Sie spielte die koordinierende Rolle zwischen MESCHTSCHERJAKOV und STEPANTSCHENKO und kontrollierte alle Handlungen innerhalb der Organisation.
Diese von der Ermittlung "nicht bestimmte Person" setzte die Preise der Gebäude für die Verkäufer fest. Dafür gab es dann 75 % von der Gewinnsumme.
Im Artikel wird ein konkretes Beispiel genannt. Die Korrespondentin Nadeschda ALISIMTSCHIK schreibt:
„Den Strand in der Mitte von Wladiwostok hat bei uns gerade diese verbrecherische Organisation gestohlen. Und zwar den Eigentumskomplex „Strand Jubilejnij“, zu dem das Gebäude der sportlichen Kinderschule und die Anlegestelle gehört, die im historischen Zentrum Wladiwostoks liegt. Mit diesem Verkauf wurde dem Budget der Region Primorje ein Schaden in Höhe von 9 096 149 Rubeln angerichtet."
Die "unbestimmte Person" hat allein bei diesem Verkauf etwa 7 Mio. Rubel erhalten. Im Artikel werden noch weitere Bauobjekte genannt. Der Finanzschaden für die Region Primorje wird unterschiedlich eingeschätzt. Man geht von 227.934.967 Rubeln aus. Und für die Russische Föderation insgesamt sogar von 354.638.618 Rubeln.
Die Zeitungsredaktion Arsenjevskije Vesti verfügt über das Dokument der Staatsanwaltschaft: 80 Seiten. Überschrift der Ermittlungsschrift Verordnung über die Heranziehung zur Verantwortung als Beschuldigte. Es gibt keinen Stempel "geheim" oder "Nur für die dienstliche Zwecke". Im Dokument wird die Tätigkeit der organisierten verbrecherischen Organisation beschrieben. Und insgesamt 38 strafrechtlich relevante Fälle rekonstruiert. Bewertung der Ermittler: "Der Gesamtschaden wird auf 582.574.585 Rubel eingeschätzt.“ - Gouverneur Sergej DARKIN, der als Mitglied dieser kriminellen Organisation gilt, fungiert in dem Dokument als die "unbestimmte Person". Sie taucht dort mehrfach auf. Auf Seite 35 wird die "unbestimmte Person" sogar einmal namentlich genannt. Darüber hat die Zeitung in Ausgabe 23/2009 berichtet. Der Artikel ist mit der passenden Überschrift betitelt: „Unbestimmte Person namens DARKIN oder die 35. Seite“: