ARMSTRONG's Dopingsystem


USADA-Chef Travis TYGART spricht vom "ausgeklügelsten, professionellsten und erfolgreichsten Dopingsystem, das der Sport je gesehen hat"DER SPIEGEL beschreibt es als so effizient strukturiert wie das der ehemaligen DDR, so umfassend wie das des Team Telekom und so abgeschottet wie das der Chinesen.

In der Tat braucht es einiges an List und Tücke, um ein solches System aufzubauen. Dies tat ARMSTRONG nicht allein. Es wurde von seinem Rennteam und von Ärzten betrieben und zusammengehalten. Funktionäre und Politiker halfen offensichtlich dabei, den Betrug zu decken. Zentrale Elemente sind - bzw. waren - die Geheimhaltung, die Zusammenarbeit mit Michele FERRARI und das Frühwarnsystem.

Bei der Wahl der Dopingmittel erfand ARMSTRONG das Rad nicht neu. Es wurden Wachstumshormone und Testosteron zum Muskelaufbau genommen, EPO und Eigenblut-Reinfusionen zur Steigerung der Kondition und Cortison und Actovegin zum Auffrischen der Form. Ein Durchschnittsfahrer gibt im Jahr 15.000 Dollar im Jahr für Medikamente aus. Neu an ARMSTRONG’s System war allerdings, dass die Dopingmittel auch während des Trainings genommen wurden. So konnten die Fahrer härter trainieren und schneller regenerieren.

Das Dopen mit Testosteron, das seit 1990 verboten war, ist ein besonders wichtiger Bestandteil im System. Zwar ist dies für den Kraftaufbau nicht so effektiv wie andere Anabolika, es ist aber schwer nachzuweisen. Es wirkt sehr schnell und wird aber auch schnell vom Körper wieder abgebaut. Die Fahrer nehmen das Testosteron meist in Form von zermahlenen Andriol-Pillen, die in Olivenöl aufgelöst werden. Dieses Gemisch nennen sie „das Öl“. Manchmal benutzen sie auch Testosteron-Pflaster, wenn sie keine Kontrollen befürchten mussten.

Zentrale Figur im Dopingsystem war der italienische Arzt Michele FERRARI. Er folgte ARMSTRONG überall hin. Sogar bei Trainingslagern in der Schweiz, den USA und auf den Kanaren stieg FERRARI in der Nähe ab und achtete permanent auf die Körperwerte der Sportler. So konnte er Trainings- und Dopingpläne exakt aufeinander abstimmen. ARMSTRONG drängte auch andere Fahrer dazu, mit FERRARI zusammen zu arbeiten. Christian VANDE VELDE fühlte sich gezwungen, Frankie ANDREU weigerte sich.

Die Treffen fanden dabei immer an geheimen Orten statt, sodass die Verbindung zwischen FERRARI und ARMSTRONG nicht auffliegen konnte. Einmal trafen sie sich zum Beispiel auf dem Parkplatz einer Tankstelle abseits der Autobahn nach Mailand.
Die Geheimhaltung spielte eine sehr große Rolle. Injektionsspritzen wurden in Sporttaschen und leeren Cola-Dosen entsorgt. Während der Tour de France hatte man einen Motorrad-Kurier angeheuert, um ARMSTRONG, HAMILTON und LIVINGSTON mit Dopingmitteln zu versorgen. Ein ander Mal fand ein Dinner in Nizza erst nachts statt, weil die Fahrer noch einen Kurier aus Spanien erwarteten. Der konnte aber erst nachts die Grenze passieren, weil die Kontrollen dann weniger scharf sind. Auf einem Parkplatz übergab er ARMSTRONG das EPO. Da sei ja endlich „das flüssige Gold“, sagtr ARMSTRONG und lächelte.

ARMSTRONG sichert sich stets doppelt ab: Durch eine medizinische Rundumbetreuung von FERRARI und durch ein vermutlich existierendes Frühwarnsystem. Das Team wusste offenbar immer genau Bescheid, wann Kontrollen anstanden und hatte so stets genügend Zeit, um vertuschende Maßnahmen einzuleiten. Einmal kam es jedoch zu einem Zwischenfall: eine unerwartete Dopingkontrolle. Während der Fahnder an der Hotellobby wartete, schmuggelte ein Helfer eine Kochsalzlösung ins Hotel. ARMSTRONG ließ diese in seine Adern laufen und der Hämatokritwert sank schnell auf ein unverdächtiges Maß.

So ausgeklügelt das System auch gewesen sein mag, immer funktionierte es nicht. Es kam zu einigen Zwischenfällen, die zwar immer vertuscht werden konnten, doch durch die Aussagen von Floyd LANDIS und Tyler HAMILTON und die Untersuchungen der USADA kam es schließlich doch ans Tageslicht. Lesen Sie mehr zum gesamten Fall ARMSTRONG in der Chronologie einer Betrugsstrategie.

 

(JH)