Floyd LANDIS - Der zweite Whistleblower

Die Ausgangsituation

LANDIS, Jahrgang 1975, wird 1999 Profiradsportler und fährt von 2002 bis 2004 an der Seite des berühmten Sportidols Lance ARMSTRONG im Team US Postal. Er wird einer der wichtigsten Helfer ARMSTRONG’s. Nach seinem Wechsel zum Team PHONAK entsteht allerdings eine Rivalität zwischen beiden. 2006 gewinnt LANDIS die Tour de France.

Drei Tage nach der berühmten Tour, am 27.07.2006, wird eine Dopingprobe von ihm positiv auf Testosteron getestet. Der Wert: 11:1. Erlaubt sind 4:1. LANDIS wird suspendiert. Im August bestätigt der Test der B-Probe das Ergebnis und LANDIS wird nun von PHONAK entlassen. Die USADA leitet ein Verfahren ein. Natürlich versuchen die Anwälte von LANDIS dem Labor Verfahrens- und Untersuchungsfehler nachzuweisen.

Die Verhandlung findet erst ein Jahr später, im Mai 2007 in Los Angeles statt: vor einer dreiköpfigen USADA-Kommission unter Anhörung zahlreicher Experten. Die Sitzung ist öffentlich. Am 20.09.2008 wird LANDIS von der USADA für schuldig erklärt. Folge: Rückwirkende Sperre für zwei Jahre bis Januar 2009 und Aberkennung seines Tour de France-Titels von 2006.

Bisher hatte LANDIS Dopingvorwürfe stets dementiert. Er hatte sogar einen Fond zur Finanzierung seiner Verteidigung vor Gericht gegründet – Fans und sonstige Gönner konnten spenden.

Doch jetzt ist es aus. Auch nach seiner Dopingsperre kann er für kein großes Profi-Team mehr fahren – man will nichts mehr von ihm wissen. Ähnlich wie Lance ARMSTRONG drei Jahre später. LANDIS hat nun Zeit, über alles nachzudenken.

Der Weg zum Geständnis und die Motive

Und er macht es auch. Ein halbes Jahr lang:

  • Mit dem Dopen hat er einen großen Fehler gemacht
  • Wenn er auspackt, würde er viele Freunde verraten
  • Wie er dennoch die Wahrheit erzählen kann, ohne andere zu belasten, weiß er nicht
  • Eigentlich hatte er immer gehofft, dass die großen Verbände, die UCI und die WADA, aktiv werden würden. Doch die machen nichts. Also ändert sich auch nichts
  • Andererseits: Die Verjährungsfrist für Doping-Straftaten beträgt bei der WADA acht Jahre. Und seine Doping-Erfahrungen reichen bis ins Jahr 2002 zurück

Wenn also auspacken, dann jetzt: „If I don’t say something now, then it’s pointless to ever say it“. Weil er nirgendwo mehr fahren kann, hat er auch nichts (mehr) zu verlieren.

So wird der Drang reinen Tisch zu machen und sein Gewissen zu erleichtern immer größer:

„The whole reason I am doing any of this is because I  just want to clear my conscience, and I don’t want to lie to anybody anymore, including my mom, and I’ve just had enough of it“

Außerdem hat er schwer damit zu kämpfen, dass er seit Ablauf seiner Dopingsperre 2009 für kein großes Profiteam mehr an den Start ging und nicht an den großen und harten Rennen in Europa teilnehmen konnte. Er hat also quasi nichts mehr zu verlieren.

Am 30. April 2010 schreibt er eine E-Mail an der Präsidenten der USA Cycling, Steve Johnson. Darin gesteht er das Dopen ein und beschuldigt auch andere des Dopens, zum Beispiel Lance ARMSTRONG. Als der Präsident der USA Cycling nicht auf die Mail reagiert, wendet LANDIS sich am 21.05.2010 an den US-amerikanischen Sportsender ESPN. Der veröffentlicht sein Geständnis und die Anschuldigungen gegenüber anderen auf der Website espn.com.

LANDIS hofft, dass durch sein Geständnis andere Radprofis folgen und ebenfalls auspacken. Dies geschieht ein Jahr später. Im Mai 2011 packt auch Tyler HAMILTON aus. Und auch er bekräftigte Anschuldigungen gegenüber ARMSTRONG.

Das Problem von „Nestbeschmutzern“: Glaubwürdigkeit

LANDIS weiß, dass viele Menschen ihm nicht glauben werden – „Nestbeschmutzer“, die die Wahrheit sagen, stehen nicht sonderlich hoch im Kurs. Und für viele seiner Anschuldigungen hat er auch keine Beweise. Sein Wort steht gegen das der anderen. LANDIS: „It’s fairly simple. I don’t care if anyone believes me. I want to tell the truth so that I can feel better about myself. That’s it.” 

Lance ARMSTRONG greift natürlich auf der Stelle und in aller Öffentlichkeit die Glaubwürdigkeit von Floyd LANDIS an – ARMSTRONG gilt als unangreifbares Sportidol: „Die Glaubwürdigkeit von Floyd Landis ist seit Jahren dahin […] Ich glaube nicht, dass die Regierung einen Fall basierend auf Landis aufbaut.”

Die Reaktionen

Auch alle anderen, die von LANDIS des Dopens beschuldigt werden, weisen alle Schuld von sich und stellen LANDIS als Lügner dar. Andy RIHS, Teamleiter vom Team PHONAK, in dem LANDIS von 2005 bis 2006 fuhr, spricht von „Lügen“ und einem „letzten tragischen Versuch“, öffentlich Aufmerksamkeit zu erlangen. Der Präsident der UCI, Pat McQUAID, bezeichnet LANDIS‘ Aussagen als „skandalös und bösartig“„These guys coming out now with things like this from the past is only damaging the sport. If they’ve love for the sport they wouldn’t do it.“ Und ARMSTRONG: „Diese Anschuldigungen sin des nicht wert, kommentiert zu werden. Ich verschwende nicht meine Zeit.”

Allerdings: Es gibt auch einige Unterstützer. Zum Beispiel der ehemalige dreimalige Tour de France-Sieger Greg LeMOND: „I believe most of Floyd Landis‘ statements regarding the systematic corruption in professional cycling …. support Floyd in his attempt to freee himself from his past.“

Auch die WADA sieht das Geständnis positive: “WADA is aware of the serious allegations made by MR Landis. We are very interested in learning more about this matter.” Ebenso stellt sich auch der ARMSTRONG-Gegner Frankie ANDREU auf die Seite von LANDIS und HAMILTON: „Mich hat grundsätzlich nichts überrascht. Nur weil sie in der Vergangenheit gedopt und gelogen haben, muss man sie jetzt nicht als Lügner ansehen. Aber das ist ja Armstrongs Argument: Sie haben gedopt, sind nicht glaubwürdig!“

Die Folgen

Mit seinem Geständnis gibt LANDIS offen zu, gedopt und gelogen zu haben. Auch nach der Aberkennung des Tour-de-France-Siegertitels und nach seiner ‚Verurteilung‘. Bei vielen seiner Fans und Gönnern, die z.B. für seinen Fond gespendet haben, macht sich Enttäuschung breit. LANDIS würde das Geld zurückzahlen, wenn er könnte.

Bedeutender sind die Auswirkungen auf den ‚sauberen Radsport‘ und die Doping-Mentalität in der Szene. Denn jetzt wird die USADA aktiv und leitet eigene Ermittlungen ein. U.a. gegen Lance ARMSTRONG. Ein Jahr nach LANDIS‘ Geständnis folgen weitere belastende Aussagen, z.B. von Tyler HAMILTON (am 20.05.2011). Im Verfahren gegen ARMSTRONG wird LANDIS 2012 Kronzeuge der USADA. Am Ende dieses Verfahrens wird ARMSTRONG überführt. Und alle sieben Tour de France-Titel aberkannt. Lesen Sie dazu die Chronologie einer Betrugsstrategie.

 

Whistleblower Floyd LANDIS: „I just want to feel better. I want to be OK with myself. I don't have any more desire to protect anybody, including myself. I want to sleep at night. If you ask me a question, I get to tell the facts and I can walk away feeling better about myself. I had not had that in a long time.“

Über das Stichwort Whistleblower erfahren Sie mehr unter www.ansTageslicht.de/Whistleblower

 (JH)