Die Berichte der Frankfurter Rundschau, 20.12.2007

von Matthias THIEME

Berater-Paradies Unicef

Das deutsche Kinderhilfswerk Unicef hat unter seinem Chef Dietrich Garlichs viel größere Summen an Spendengeld für fragwürdige Verträge mit externen Beratern ausgegeben als bislang bekannt war. Der FR liegen interne Papiere aus dem Prüfungsverfahren vor, die alle Honorarvereinbarungen zeigen, die Unicef seit 2005 abgeschlossen hat.

Das Hilfswerk scheint bis vor kurzem ein Paradies für Berater gewesen zu sein. Neben den von der FR bereits bekanntgemachten Vereinbarungen in Millionenhöhe werden in dem vertraulichen Papier acht Beraterverträge und zehn Pauschalvereinbarungen aufgelistet (siehe Infobox). So beauftragte Unicef etwa den Personalberater Rolf E., um neue Mitarbeiter mit "Sonderqualifikationen" zu finden. Für die Suche eines einzigen Mitarbeiters im Bereich Online bekam E. im Jahr 2005 beispielsweise 22 300 Euro. Seit 2004 zahlte Unicef an den Berater insgesamt 94 500 Euro.

Die Frage, warum die eigene Personalabteilung dazu nicht in der Lage war, beantwortet Unicef nicht. Man nutze bei der Besetzung von Fach- und Führungspositionen das Wissen von Personalberatern, so das Kinderhilfswerk. Doch damit nicht genug. Um ein Intranet für die Arbeitsgruppen einzuführen, engagierte Unicef die "Firma Brückner-Keutmann GbR". Bis Juni dieses Jahres wurden 52 000 Euro an das Unternehmen gezahlt, eine Kostenübersicht geht für das Jahr 2008 schon von 180 000 Euro aus. Bei Unicef nennt man dies eine "fachliche Expertise, die die interne EDV-Abteilung nicht vorhalten konnte".

Das Jahr 2006 scheint für Unicef voller Aktivitäten gewesen zu sein, die offenbar nur mit externer Hilfe bewältigt werden konnten. Es gibt mindestens zehn Berater mit Pauschalvereinbarungen bei Unicef. Vom Berater für potenzielle Zustifter und Erbschaften, über den Berater für arbeitsrechtliche Sachverhalte bis zum Berater des Betriebsarztes bekommen sie Jahreshonorare "im niedrigen fünfstelligen Bereich", heißt es. Doch es tauchen auch weit höhere Honorare auf, wie etwa 161 300 Euro für die Agentur "Änne Jacobs Marketing & Events".

Ob Geschäftsführer Garlichs bei der Fülle an externen Dienstleistern noch den Überblick hatte, interessiert auch die Staatsanwaltschaft Köln. Auch eine Großspende des Lidl-Konzerns von einer halben Million Euro könnte Garlichs in Bedrängnis bringen. Obwohl der damalige Lidl-Manager Stefan Rohrer dem zufällig direkt neben ihm sitzenden Unicef-Chef das Geld während einer Spendengala in Berlin zugesichert habe, habe Berater Victor L. im Nachhinein mindestens 20 000 Euro kassiert, weil die Spende über das Konto der "Kinderstadt Heilbronn" gebucht worden sei, berichtet die Heilbronner Stimme. An der Gesamtsumme von 1,5 Millionen Euro, die dort gesammelt wurde, verdiente L. laut Vertrag mindestens sechs Prozent – 90 000 Euro. "Wir haben Unicef bezüglich der Beschäftigung von externen Beratern eine Reihe von Nachfragen gestellt", sagt Burkhard Wilke vom Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (dzi) , das das Spendensiegel vergibt.

Bei anderen Hilfsorganisationen ist eine solche Beraterschwemme undenkbar. "Externe Berater gibt es bei uns nicht", sagt Simone Pott, Sprecherin der Welthungerhilfe. 120 Mitarbeiter arbeiten in der Bonner Zentrale der Welthungerhilfe. Unicef Deutschland ist mit 92 Planstellen vergleichbar groß. "Für die wichtigen Dinge haben wir Leute im Haus", sagt Pott. Selbst im Bereich Marketing und Fundraising arbeite man nicht mit Beratern zusammen. "Wir haben die Kompetenz im Haus und beschränken uns auf unserer Kerngeschäft", so Pott.

Bei kleineren Organisationen sieht man das Beraterwesen noch kritischer. "Wir lehnen Fundraising-Agenturen ab", sagt Katja Maurer von medico international. Wer das Spendensammeln kommerzialisiere, laufe Gefahr, die Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Wie lange Unicef-Chef Dietrich Garlichs noch im Amt bleiben kann, fragen sich derzeit viele auch innerhalb der Organisation. "Die Frankfurter Rundschau recherchiert auch an anderen Stellen", warnt Garlichs in einem Rundschreiben an seine Mitarbeiter. "Wir werden Sie auf dem Laufenden halten."

Mit Spendenwerbung befasst sich der Deutsche Fundraising-Kongress vom 16.-18. April 2008 in Fulda. Näheres unter www.fundraisingkongress.de