Die Berichte der Frankfurter Rundschau, 11.02.2008

von Matthias THIEME

"Mehr Transparenz nach der Unicef-Krise"

Frau Wieczorek-Zeul, ist nach dem Rücktritt des Unicef-Geschäftsführers jetzt alles in Ordnung?
Ich glaube, insgesamt ist eine Chance für einen Neuanfang jetzt gegeben. Ich hoffe, dass Unicef mit all seinen Beteiligten und auch der Vorstand entsprechende Schlussfolgerungen ziehen. Wir haben alle ein Interesse daran, dass Unicef sich auf die Arbeit für die Kinder konzentriert.

Wollen Sie wie Justizministerin Brigitte Zypries die Transparenz von Spendenorganisationen gesetzlich verbessern?
Auch Brigitte Zypries geht es nicht vorrangig um gesetzliche Änderungen. Der Staat kann nicht alles reglementieren. Es gibt ja das Deutsche Spendensiegel (DZI). Zum Beispiel könnte man die Verwaltungskosten besser ausweisen. Das Allerwichtigste scheint mir die Frage der Transparenz zu sein. In den USA gibt es einen Online-Katalog "Guide Star", der notwendige Informationen über Spendenorganisationen öffentlich macht. Ein solcher Katalog ist auch für Deutschland im Aufbau und sollte vorangebracht werden, in Zusammenarbeit mit dem DZI.

Wer finanziert das DZI?
Das ist eine zur Hälfte öffentlich finanzierte Stiftung des bürgerlichen Rechtes. Das DZI trägt sich zur Hälfte aus Einnahmen und Gebühren. Bei der anderen Hälfte sind beteiligt: Bundesfamilienministerium, der Senat Berlin, der Deutsche Industrie- und Handelstag, die Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege und der Deutsche Städtetag.

Zeigt der Fall Unicef eine mangelhafte Kontrolle?
Das würde ich nicht sagen. Wenn das wirklich aufgearbeitet wird, sollte auch innerhalb des Deutschen Spendensiegels die Diskussion noch einmal geführt werden. Da möchte ich nichts vorwegnehmen.

Ist mehr staatliche Kontrolle notwendig?
Man wirft der Regierung ja eigentlich immer zu viel Reglementierung vor. Ich bin dafür, die zivilgesellschaftliche Kontrolle zu fördern und zu unterstützen.

Auch bei Unicef konnte man den Jahresbericht im Internet lesen. Über Beraterverträge und Gehälter stand da aber nichts drin.
Was bei Unicef schief gelaufen ist, das ist hinlänglich diskutiert. Wir können nur hoffen, dass daraus jetzt die richtigen Schlussfolgerungen gezogen werden. In anderen Fällen kann man sich gut informieren. Wir arbeiten mit 234 privaten Organisationen zusammen. Zum Beispiel mit der Welthungerhilfe, der Christoffel Blindenmission, Medico International und mit kirchlichen Trägern. Dort gibt es sehr genaue Kontrollen. Bei der Projektarbeit mit privaten Trägern finanzieren wir Verwaltungskosten nur bis vier Prozent, und es werden keine externen Berater finanziert.

Wie kontrollieren Sie die Organisationen?
Die Mittelverwendung wird in mehreren Stufen geprüft. Die Träger müssen Nachweise erbringen und beim Abschluss des Projektes einen Ergebnisbericht vorlegen. Deshalb haben wir einen guten Überblick, wie verlässlich Organisationen sind.

Bei Unicef kontrollierte sich der Geschäftsführer als Vorstandsmitglied selbst. Müssen Strukturen transparenter werden?
Bei den großen Hilfsorganisationen müssen solche Fehler vermieden werden. Bei Unicef hat das offenbar etwas mit der Geschichte der Organisation zu tun. Die großen Organisationen, mit denen wir zusammen arbeiten, machen solche Fehler definitiv nicht. Bei vielen Organisationen, die große Hilfsprojekte finanzieren, sollte im Sinne von "Corporate Governance" operatives Geschäft und Kontrolle klar voneinander getrennt sein. Hier können die Organisationen sicher noch ihre Strukturen verbessern.

Sollten Spendenorganisationen die Gehälter offenlegen?
Ja. Diese Informationen sind bei einigen Organisationen bereits öffentlich. Zum Beispiel veröffentlichen Brot für die Welt und Ärzte ohne Grenzen diese Kosten in ihren Jahresberichten.