Die Berichte der Frankfurter Rundschau, 04.02.2008

von Matthias THIEME

Mobbing im Vorstand

Die Nachricht vom Rücktritt der Vorsitzenden von Unicef-Deutschland, Heide Simonis, traf viele Ehrenamtler wie ein Schlag. Ausgerechnet die Person, die den Skandal um die Verschwendung von Spendengeld aufklären wollte, wurde am Samstag bei der Vorstandssitzung in Frankfurt am Main aus ihrem Amt gedrängt.

Bei der Sitzung hätten viele Vorstandsmitglieder Reden gegen Simonis gehalten, erfuhr die FR aus gut informierten Kreisen. Dass Simonis’ Rücktritt nicht freiwillig erfolgte, zeigen auch Briefe von Geschäftsführer Dietrich Garlichs an Vorstandsmitglieder. Darin bereitet Garlichs den Rausschmiss vor, indem er sein Misstrauen gegenüber Simonis betont. Simonis habe öffentlich von grundlegenden Meinungsverschiedenheiten über die finanzielle Transparenz des Kinderhilfswerks gesprochen, schreibt Garlichs. "Ich weiß nicht, was damit genau gemeint ist." Dem Kölner Stadtanzeiger sagte er nun, er sehe gute Chancen, das in der Öffentlichkeit verlorene Vertrauen zurückzugewinnen.

Der neue Unicef-Vorsitzende Reinhard Schlagintweit sagte, Grund für den Rücktritt von Simonis seien unüberbrückbare Gegensätze in der Außendarstellung gewesen. "Die Finanztransparenz von Unicef spielte dabei keine Rolle". Simonis war vorgeworfen worden, sich zwar intern aber nicht öffentlich hinter Garlichs gestellt zu haben. Simonis war nach Schlaginweits Angaben im Vorstand isoliert. An der Krisensitzung in Frankfurt hätten auch Vertreter der Ehrenamtlichen teilgenommen. "Die Haltung des Vorstands war einstimmig", sagte er.

An der Basis herrsche "blankes Entsetzen und völliges Unverständnis", sagte Klaus Hoppe von der Arbeitsgruppe Frankfurt am Main. An der "Ehrenhaftigkeit des Vorstands" gebe es bei den Arbeitsgruppen tiefe Zweifel. "Der gesamte Vorstand müsste zurücktreten", so Hoppe. In der Unicef-Geschäftsführung sieht man den Hauptfeind weiter in der Presse. Am Mittwoch will Unicef die FR gerichtlich zwingen lassen, nicht mehr zu berichten, dass die Wirtschaftsprüfer bei Unicef Verstöße gegen Transparenz und eine nicht nachvollziehbare Mittelverwendung monierten.

Doch der FR liegt jetzt ein Schreiben des für den Prüfungsbericht zuständigen KPMG-Abteilungsleiters Dieter John vor, das zeigt, wie dreist Unicef–Verantwortliche die Wahrheit verdrehen (siehe Wortlaut). Auch im Intranet von Unicef gibt die Kölner Zentrale den Arbeitsgruppen Hinweise, wie mit der Wahrheit umzugehen sei. Der Presse wolle man sagen, die Kritik der Basis sei auf "einzelne Stimmen" beschränkt, heißt es. Man wolle das Zitat verbreiten: "Letztlich schadet man mit diesen einseitigen Berichten nur den Kindern."

Ob es nicht das Gebaren von Unicef selbst ist, das den Kindern zum Nachteil gereicht, fragen sich viele Mitarbeiter. So musste Unicef im Vorjahr eine Werbekampagne für das Projekt "Schulen für Afrika" zurückziehen, weil sie in Afrika als rassistisch wahrgenommen worden war. Auch die Kooperation von Unicef mit dem Sender Kabel 1 ist in die Kritik geraten. Angeblich konnten dort Prominente während einer Quiz-Taxifahrt bis zu 100 000 Euro Spendengeld für Hilfsprojekte erspielen. In Wahrheit spendet der Sender maximal 10 000 Euro, gab Programmchef Rolf Hellgardt im Spiegel zu.