Die Berichte der Frankfurter Rundschau, 11.04.2008

von Jörg SCHINDLER

Personelle Runderneuerung

Am Ende dauerte der Neuanfang sechs Stunden. Stunden, in denen sich rund 60 Prominente wie bei einer Papstwahl im Berliner Dietrich-Bonhoeffer-Haus abschotteten, um hernach ein Zukunftsteam zu präsentieren. Gegen halbsieben stieg am Mittwochabend weißer Rauch auf.

Acht Neue sollen es bei Unicef nun richten. Es handelt sich um den UN-Sonderbeauftragten Tom Koenigs, die Olympiasiegerin im Dressurreiten, Ann Kathrin Linsenhoff, und die ehemalige Justizministerin von Schleswig-Holstein, Anne Lütkes. Dazu der Ex-Diplomat Dieter Kastrup, der Manager Jürgen Heraeus, die Moderatorin Maria von Welser, der Unternehmer Peter Krämer und die Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz, auch sie wie Koenigs und Lütkes eine Grüne. Kein junges Team, aber ein neues. Zwischenzeitlich hatte es so ausgesehen, als sollte auch das nur bedingt gelingen.

Denn in der teils hitzigen Debatte, die diesem so viel beschworenen Neuanfang vorausgegangen war, hatten etliche Komiteemitglieder allen Ernstes dafür plädiert, Teilen des geschassten Vorstands eine weitere Chance zu geben. Reinhard Schlagintweit, der nicht immer glückliche Interims-Vorsitzende, wollte sie beim Schopfe packen und stellte sich noch einmal zur Wahl. Die aber wusste eine Mehrheit der Mitglieder zu verhindern.

Wie überhaupt diese Krisen-Klausur des deutschen Unicef-Komitees die eine oder andere Überraschung bereit hielt. So hatte es zuletzt danach ausgesehen, als würde ein Club cleverer PR-Strategen um den Payback-Chef Alexander Rittweger das Kommando übernehmen. Aber weder er noch der hoch gehandelte Werbeprofi Thomas Heilmann schafften es auch nur ins Komitee.

Statt ihrer meldeten sich überraschend selbstbewusst die Vertreter der 8000 Ehrenamtlichen zu Wort, die bislang wenig zu melden hatten, dafür aber monatelang die Folgen der Krise am heftigsten spüren mussten. Künftig wollen sie nicht mehr nur Erfüllungsgehilfen, sondern mitbestimmen. "Zum ersten Mal", freute sich die Grüne Deligöz, "habe ich im Komitee demokratische Strukturen erlebt – für Unicef ist das ein Novum, das mir Hoffnung macht."

Ist die Krise damit beendet? Das nun auch wieder nicht. Denn die eigentliche Aufgabe kann der Vorstand, der womöglich schon heute einen neuen Vorsitzenden wählen wird, erst jetzt angehen: Er muss das Vertrauen der zutiefst verunsicherten Spender zurückgewinnen, die sich in Scharen von Unicef abgewendet haben. Jeder werde künftig genau nachvollziehen können, was dort mit seinem Geld passiert, versprach Lütkes – "egal, ob jemand einen Cent spendet oder eine Million". Die Satzung des Vereins soll so geändert werden, dass niemand mehr ähnlich eigenmächtig und ähnlich undurchsichtig die Strippen ziehen kann wie der geschasste "Mister Unicef" – Dietrich Garlichs.

Darüber wird es im Sommer, vielleicht auch erst im Herbst Diskussionen geben, es sind nicht wenige, die am Mittwoch ankündigten, dabei gewichtige Worte mitreden zu wollen.