Die Berichte der Frankfurter Rundschau, 09.02.2008

von Matthias THIEME

"Vertrauen gewinnen"

Herr Sornek, was lernt die Spendenbranche aus der Krise bei Unicef?
So bedauerlich das ganze Debakel für Unicef auch sein sein mag, eröffnet es dem dritten Sektor doch auch Chancen. Wir haben jetzt die Aufgabe, uns intensiv mit den Themen Transparenz und Ethik im Spendenwesen auseinanderzusetzen, um das Vertrauen der Spender wieder zu gewinnen.

War es richtig, dass Dietrich Garlichs zurückgetreten ist?
Es ging darum, das Vertrauen der Spender letztlich auch für alle Hilfsorganisationen wieder herzustellen. Unicef war hier besonders gefordert, zu handeln.

Ist nach dem Rücktritt jetzt alles in Ordnung?
Nein, wir müssen die Finanzen der Spendenorganisationen transparenter und die Mittelverwendung nachvollziehbarer machen. In diesen Bereichen gibt es Nachholbedarf. Und wir müssen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass professionelle Hilfe auch etwas kostet.

Was sagt der Deutsche Fundraising Verband zu den hohen Provisionen für Berater bei Unicef?
Grundsätzlich kann ich sagen, dass der Deutsche Fundraising Verband eine ungedeckelte, erfolgsbezogene Vergütung prozentual zu den Spenden ablehnt. Man darf Leistungskomponenten nicht frei an der Spendenhöhe festmachen. Da entsteht ein immenser Druck auf den Mitarbeiter, der auch Auswirkungen auf das Verhältnis zum Spender hat. Gerade bei großen Vermächtnissen ist es völlig abzulehnen, eine nach oben hin offene Provision auszumachen.

Wovon sollen professionelle Spendensammler denn leben?
Fundraiser ist ein ordentlicher Beruf. Fundraiser sind gut ausgebildet, viele haben ein Hochschulstudium und da ist es auch selbstverständlich, dass die Bezahlung so bemessen ist, dass sie davon leben und eine Familie ernähren können. Ich kenne die Honorarverträge bei Unicef nicht. Aber auch hier gilt, dass ungedeckelte Provisionen und Leistungszulagen vom Verband abgelehnt werden und wir diese Praxis als nicht verantwortlich gegenüber dem Spender ansehen.

Sollten die Spender über Provisionen informiert werden?
Wichtig für den Spender ist die Information, dass kaum eine Spende eins zu eins ans Spendenziel gelangt. Projekte müssen geplant, durchgeführt, kontrolliert und ausgewertet werden. Das kostet zwar Geld, ist aber durchaus im Sinne des Spenders, der zu Recht einen professionellen und wirtschaftlichen Umgang mit seinen Spendengeldern erwartet. Wir als Verband treten für eine leistungsgerechte Vergütung aller Fundraiser ein.

Hat der Unicef-Berater die Provision für eine Lidl-Spende verdient, die er nie akquiriert hatte?
Ob die Provision berechtigt war, kann ich nicht beurteilen. Selbstverständlich muss eine Vergütung immer mit einer Arbeitsleistung zusammenhängen und das gilt auch für jede eingeworbene Spende.

Wächst mit der Größe der Spendenorganisation auch die Gefahr von Verschwendung?
Ob die Organisation klein oder groß ist: mit dem anvertrauten Geld muss sehr sorgsam umgegangen werden. Als Non-Profit-Organisation erhält Unicef jährlich um die 90 Millionen Euro an Spenden, die SOS-Kinderdörfern jährlich rund 200 Millionen. Da kann man nicht nur mit Ehrenamtlichen arbeiten, sondern braucht gut ausgebildete Fundraiser.

Wann ist das Engagement von externen Beratern sinnvoll?
Berater nimmt man, wenn man projektbezogen jemanden braucht mit einem bestimmten Know-how. Das ist häufig billiger, als neue Mitarbeiter einzustellen.

Sind Spendenorganisationen dieser Größe mit Wirtschaftsunternehmen vergleichbar?
Wir haben kein Produkt wie ein Auto zu verkaufen. Beim Spenden spielt das Vertrauen eine wichtige Rolle. Es bleibt ein gutes Gefühl – eine Beziehung zu einer Organisation. Die Spende ist Ausdruck einer Beziehung. Es ist ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Spender und der Organisation.

Hat der Unicef-Skandal dieser Beziehung geschadet?
Es gibt eine Sorge unter den gemeinnützigen Vereinen. Der eine oder andere Verein berichtet von einem Vertrauensverlust.

Wie könnte Unicef, wie könnten andere Organisationen Vertrauen zurückgewinnen?
Durch Offenlegung der Wirtschaftszahlen könnte Vertrauen wieder zurückgewonnen werden. Der Transparenzpreis von Price Waterhouse Coopers (PWC) geht in diese Richtung.

Reicht das Spendensiegel des DZI nicht aus?
Das DZI-Spendensiegel ist in Deutschland sicherlich das wichtigste Gütesiegel. In anderen Ländern sieht das wieder anders aus. Dort gibt es für Transparenz weitere "Watch"-Institute, die die Arbeit der Spendenorganisationen kontrollieren.

Gibt es Spendenwerbung, die Sie ablehnen?
Auch Spendenwerbung unterliegt einer Ethik. So lehnt der Fundraising Verband Werbung ab, in der die Würde des Menschen verletzt wird. Leider gibt es immer wieder mal schwarze Schafe, die sich daran nicht halten und beispielsweise mit gefühlsbetonten und drängenden Bildern von hungernden Kindern – mit Zentimetermaß um den Arm gelegt – in Spendenaufrufen arbeiten, die diese Grenze nicht einhalten.