Wächterpreis: Making-of „Die Lohnlüge

In unserer groß angelegten Recherche wollten wir die Wirklichkeit des deutschen Arbeitsmarktes enthüllen. Anlass war die Einführung des mit großen Hoffnungen begleiteten Mindestlohns.

Im Lauf unserer Recherche haben wir mit allen Seiten gesprochen: Befürworter und Gegner kamen zu Wort, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auch die Ermittler beim Zoll, die für die Verstöße zuständig sind. Auf unserer Recherche haben wir ein ganzes Instrumentarium an Umgehungsversuchen entdeckt: das Prinzip Subunternehmen, die Auslagerung regulärer Angestelltenverhältnisse in die Selbstständigkeit und freie Mitarbeit, die Beschäftigung von Praktikanten, das Verringern der Arbeitszeit, das Zahlen von Stücklohn. Wir haben zahlreiche Beispiele aus etlichen Berufen gesammelt, aber nur wenige davon fanden Eingang in den Artikel – dafür haben wir uns auf die aus unserer Sicht stärksten Fälle konzentriert.

Auf den Fall Adlon sind wir durch eine Recherche im Bekanntenkreis gestoßen, ein glücklicher Zufall. Dann standen wir an vielen Tagen stundenlang vor dem Dienstausgang des Hotels, um Mitarbeiter über ihren Lohn zu befragen. Dort kam heraus, dass auch hier Subunternehmen arbeiten, die den Mindestlohn unterschreiten. Auch bei diesen Unternehmen warteten wir lange vor dem Unternehmenssitz, um Mitarbeiter zu finden, die bereit waren, Einblicke in ihren Arbeitsalltag und ihren Arbeitsvertrag zu geben. Während der Recherche wurde deutlich, dass auch andere Hotels mit Subunternehmen arbeiten und genauso der Mindestlohn unterschritten wird.

In anderen Fällen haben wir stunden- und tagelang vergebens vor Firmen, Filialen und anderen Orten gewartet, an denen Arbeiter ein- und ausgehen.

Das System Subunternehmen war uns schon von anderen Recherchen bekannt. Diese Kontakte und Fälle haben wir weiter verfolgt und sind so beispielsweise auf die rumänischen Bauarbeiter gestoßen.

Die meisten der von uns befragten Arbeitnehmer hatten Angst, ihren Job zu verlieren, und wollten anonym bleiben. Wir haben ihren Namen, und, wo es notwendig war, auch einige Arbeitsumstände verschleiert.

Es hat auch einige Zeit gedauert, einen Anwalt zu finden, der Arbeitgeber verteidigt, die den Mindestlohn umgehen wollen. Als wir es schließlich taten, sagte er uns, viele seiner Mandanten seien selbst am Existenzminimum. Auch diesen Aspekt haben wir in den Text mit aufgenommen. Es ging uns um ein komplexes, nicht um ein schwarz-weißes Bild.

Vor Druck haben wir allen Unternehmen, bei denen wir Verstöße gefunden hatten, die Möglichkeit gegeben, Stellung zu beziehen. Das taten sie auch. Aber gegen unsere Recherche konnten sie nicht vorgehen, sie war – auch juristisch – wasserdicht.