Sebnitz 2000: Supergau im deutschen Mediensystem

Was passieren kann, wenn ein reichweitenstarkes Medium ein Thema oder eine bestimmte Sicht der Dinge vorgibt und alle anderen sich daran orientieren, ohne zu hinterfragen und ohne eigenständig zu recherchieren und letzteres nicht ergebnisoffen, zeigt dieses Beispiel, das sich im Herbst 2000 zugetragen hat. Ein Beispiel für totales Medienversagen. Mit Folgen für die Betroffenen.

Diese Site lässt sich direkt aufrufen und verlinken unter www.ansTageslicht.de/Sebnitz.

23. November 2000, Donnerstag

Das war der Aufmacher der BILD-Zeitung an diesem Tag. Auf der Titelseite.

Im Untertitel: “Am helllichten Tag im Schwimmbad, Keiner half. Und eine ganze Stadt hat es totgeschwiegen.”

Im Innenteil dann die Geschichte: 

Kleiner Joseph - gegen 50 Neonazis hatte er keine Chance

unmittelbar danach

Die Nachricht löst unter den Journalisten, die die BILD-Zeitung als Pflichtlektüre auf ihrem Schreibtisch vorfinden, einen Schock aus. Die Wellen des Betroffenseins und Entsetzens, die diese unglaubliche Nachricht auslöst, verbreiten sich über die ganze Republik. Der Vorwurf klingt so ungeheuerlich, dass darüber auch in anderen Medien berichtet werden muss.

Konkret: Alle Medien wollen mithalten. Alle müssen mithalten. Niemand will abseits stehen. 

Noch am selben Tag fallen die ersten Journalisten in das kleine Städtchen Sebnitz in der ostsächsischen Schweiz ein: Tageszeitungsredakteure, Mitarbeiter von Illustrierten, Kamerateams. “Wie Heuschrecken”, so wird einer der Redakteure später schildern. Der fragliche Ort liegt unmittelbar an der tschechischen Grenze, zählt rund 8.500 Einwohner. 

Wer ist der erste, der mit den Eltern sprechen und sich Belege für diese ungeheuerliche Tat zeigen lassen kann? Wer hat die Nase vorn? Und wer ist der Letzte? Wer weiß mehr als die anderen?

Der Hintergrund

Die Eltern, die deutsch-irakische Familie KANTELBERG-ABDULLA, die eine der beiden Apotheken in dem kleinen Ort betreibt, wollten sich nicht mit der amtlichen Feststellung zufrieden geben, dass ihr sechsjähriger Sohn bereits vor über drei Jahren, im Juni 1997, infolge eines Badeunfalls gestorben, sprich ertrunken ist. Sie wollen es nicht glauben. 

Die Eltern des kleinen Joseph, die sich in dem sächsischen Städtchen, in dem die (damals) NDP hohen Zuspruch erfährt, von feindlicher Stimmung umgeben sehen, hatten nicht locker gelassen, gaben sich mit der staatsanwaltschaftlichen Ermittlung, die keine Straftatbestände erkennen konnte, nicht zufrieden, waren in den Widerspruch gegangen, der abgewiesen wurde, hatten den Bundesinnenminister Otto SCHILY (SPD) und das sächsische Justizministerium angeschrieben, lösten damit erneute Ermittlungen aus, die dann drei Jahre später, im August 2000, ein neuerliches offizielles Ermittlungsverfahren mündeten. 

Zwischenzeitlich hatten die Eltern des toten Joseph Zeugen überredet, auszusagen - aufgenommen auf Video und Tonbändern. Die wurden dann der Staatsanwaltschaft als “eidesstattliche Versicherungen” übergeben. Auch solche vo Minderjährigen. Allerdings: Niemand hatte etwas konkretes zu sagen. Bzw. zu schreiben. Alles blieb nebulös. Das meiste: Hörensagen.

Trotzdem reichte dies der Staatsanwaltschaft, nicht zuletzt wegen des sanften Drucks ‘von oben’, eine richterliche Vernehmung von drei “Hauptbelastungszeugen” zu erreichen. Weil keiner der drei als “Zeugen” eingestuften Personen zur Vernehmung erschienen war, wurden Haftbefehle erlassen.

Jetzt gab es - ganz offiziell - drei Haftbefehle gegen die drei “Beschuldigten”, die zuvor nur als “Zeugen” geladen waren. 

Am 23. November wurden die “Beschuldigten” verhaftet und dem Ermittlungsrichter vorgeführt: zwei in Braunschweig, einer in Dresden: just an dem Tag, an dem die BILD-Zeitung mit ihrer Sensationsnachricht die bundesdeutsche Öffentlichkeit und die Einwohner in Sebnitz erschreckte: eine klare Vorverurteilung.

Frankfurter Allgemeine Zeitung - FAZ

Der Politikredakteur der deutschlandweiten FAZ, Büro Dresden, Peter CARSTENS, der die BILD natürlich auch auf seinem Schreibtisch liegen hat, macht sich auf den Weg nach Sebnitz. Mit potenziellen Zeugen wird er nicht sprechen und auch die Familie KANTELBERG hat keine Zeit für ihn, ihr sind andere Medien wichtiger. 

Die FAZ führt in der Regel keine eigenen Ermittlungen und besucht auch “nicht die Mütter von ermordeten Kindern”, versucht auch nicht, “mit den Eltern von Mördern zu sprechen”, wie CARSTENS später erklären wird. Er beschreibt die Situation, so wie sie sich an diesem Tag für ihn darstellt. Sein erster Artikel, der tags drauf am 24. November erscheint, ist daher auch mit einer Überschrift - plus Fragezeichen - übertitelt (siehe Faksimilie).

So ganz abseits will die FAZ nicht stehen, sie wartet tags drauf mit einer anderen Überschrift auf - ohne Fragezeichen. Jetzt liest sich der Artikel und insbesondere der Titel wie ein Tatsachenbericht. 

Im Hinterkopf eines jeden Journalisten: die BILD-Berichterstattung.

Süddeutsche Zeitung

Auch der SZ-Redakteur Jens SCHNEIDER erfährt - wie alle anderen - von der Nachricht aus der BILD-Zeitung. Sie ist das Leitmedium der Tage, an der sich alle orientieren.

SCHNEIDER recherchiert. Er telefoniert mit der Staatsanwaltschaft, kann den Bürgermeister von Sebnitz am Telefon sprechen und fährt noch am selben Tag in die ostsächsische Schweiz. Er möchte für die “Seite Drei” der SZ, auf einem der prominenten Plätze der überregionalen Zeitung, eine Reportage über die Stimmung in dem kleinen Städtchen machen.

Mit Sebnitzern vor Ort zu sprechen gestaltet sich schwierig. Die meisten verweigern sich. Die Einwohner glauben nicht, dass es so war, wie die BILD-Zeitung suggeriert. Und sie sind sauer, sich auf einmal mit einem so ungeheuerlichen Vorwurf auseinandersetzen zu müssen.

SCHNEIDER reiht sich in die Warteschlange ein: vor dem Haus der Apotheke der Familie KANTELBERG-ABDULLA, wo das Ehepaar auch wohnt. Irgendwann ist auch er an der Reihe, der Vater des toten Joseph zeigt ihm die gesammelten Unterlagen: Briefwechsel mit den Behörden hin und her, Videokassetten. So einiges erscheint dem SZ-Redakteur dann doch etwas “wirr”, und weil es eine Reportage werden soll und kein faktenbasiertes Kriminalstück, lautet die Überschrift seines Artikels weniger reißerisch und die fragliche Tatsache im Untertitel wird mit dem Wörtchen “soll” beschrieben: “Im belebten Freibad soll ein sechsjähriger Junge deutsch-irakischer Eltern ertränkt worden sein.”

taz - die tageszeitung

Anders die “taz - die tageszeitung”. Sie wird später ihre Schlagzeile als “wirklich großen Fehler” bezeichnen.

Aber ersteinmal heißt es, dass der drei Jahre zurückliegende Badeunfall sich jetzt als “rassistischer Mord” herausgestellt hat.

Mit in der Verantwortung: auch die Staatsanwaltschaft. Sie gibt noch am selben Tag (Donnerstag), an dem die BILD-Zeitung mit ihrem Aufmacher die Öffentlichkeit schockte, eine Pressekonferenz, verteilt eine Pressemitteilung. Auf der gibt sie auch die Darstellungen der von der Familie KANTELBERG-ABDULLA eingesammelten Zeugenaussagen wieder: Die Beschuldigten bzw. Verdächtigten hatten den kleinen Joseph erst mit Elektroschocks gequält, ihm eine undefinierte Flüssigkeit eingeflößt und ihn dann anschließend ins Wasser geworfen. 

Und so geistert in allen Köpfen der Journalisten und Redaktionen, die um (echt)zeitnahe Berichterstattung bemüht sind, der von der BILD-Zeitung erhobene Vorwurf eines ungeheuren Verbrechens herum. Niemand will da der Letzte sein. 

Folge: Es baut sich ein flächendeckendes Bild über ganz Deutschland auf: über den Vorfall und über den Ort Sebnitz. 

Keiner der Medienvertreter hat Zweifel. Alles passt: Neo-Nazis, eine quasi ausländische Familie und die vielen “Rechten” in Sachsen, da wo Rechtsextremismus an der Tagesordnung ist.. 

24. November, Freitag

So sehen die Schlagzeiten der anderen Tageszeitungen aus:

Sie sind einer Studie entnommen, die die Sächsische Landesregierung ein Jahr später, 2001 in Auftrag gegeben hat, um klären zu können, wie es zu diesem Mediendesaster kommen konnte. In der Untersuchung “Joseph, Sebnitz und die Presse” sind alle Zeitungsartikel im Anhang ab S. 43 (PDF: S. 53) aufgeführt:

24. und 25. November, Wochenende und danach

Der öffentliche Druck ist jetzt groß. Polizei und Staatsanwaltschaft arbeiten daher diesesmal schnell. Sie überprüfen die Alibis der drei Beschuldigten bzw. der “wegen gemeinschaftlichen Mordes” Verhafteten. 

Die Alibis erweisen sich als hieb- und stichfest. Die Haftbefefehle werden aufgehoben, die Beschuldigten freigelassen.

Jetzt sind die Zeugenvernehmungen an der Reihe: insgesamt 239 Personen werden bis in den Januar 2001 hinein befragt. Darunter auch jene 23 Zeugen, die gegenüber den Eltern des kleines Joseph ABDULLA “eidesstattliche Erklärungen” in unterschiedlichen Formen abgegeben hatten. 

Und nochmals werden sicherheitshalber die “Hauptbelastungszeugen” vernommen. Und das seitens der Eltern in Auftrag gegebene rechtsmedizinische Gutachten beigezogen.

Der Vorwurf, den die BILD-Zeitung aufgebracht hat, lässt sich nicht erhärten.

ab Samstag, 25. November 2000

Diese neuen Informationen seitens Polizei und Staatsanwaltschaft erreichen nicht jede Redaktion vor Redaktionsschluss vor dem Wochenende. Und so teilt sich die mediale Berichterstattung:

Die BILD-Zeitung hält ersteinmal Kurs. Fängt aber an, von ihrer ungeheuerlichen Geschichte langsam abzugehen, indem sie jetzt auf die ausländerfeindliche Stimmung überschwenkt:

  • “Sie drohen Josephs Mutter mit Mord”
  • “Sebnitz: Eine Kleinstadt macht die Türen zu”
  • “Du kommst jetzt mit, du Ausländer, du!”
  • “Kanzler Schröder: Ich erwarte rückhaltlose Aufklärung”
  • “Morddrohungen gegen die Mutter - Als Neonazis kamen, war von der Polizei nichts zu sehen”
  • “Jetzt bringen wir dich um, du Scheiß-Ausländer” (26. November) 

In den allermeisten anderen Zeitungen geistern ebenfalls noch die brutalen Mordvorwürfe durch die Wochenendartikel:

  • “Tod im Spaßbad” (Generalanzeiger)
  • “Und ein ganzes Dorf schaute weg” (Generalanzeiger)
  • “Neonazi-Terror gegen Mutter des toten Joseph” (Lausitzer Rundschau)
  • “Ein Kind ertränkt wie eine Katze" (Süddeutsche Zeitung)
  • Drohgesänge vor dem Fenster” (Tagesspiegel)

Nur wenige kommunizieren die ersten Ungereimtheiten, die zur Freilassung der vorübergehend Inhaftierten führten:

  • Zweifel an allen Versionen der Geschichte vom Tod des sechsjährigen Joseph - Unfall oder Mord” (Leipziger Volkszeitung)
  • “Mordermittlungen sind jetzt Chefsache” (Sächsische Zeitung)
  • “Schwarzer Peter” in Dresden (Freie Presse Chemnitz)

Tageszeitungen erscheinen, wie die Bezeichnung klarstellt, in der Regel täglich. Die Zeitspanne zwischen Information und redaktioneller Verarbeitung (z.B. Druck) kann klein sein. Nur online lässt sich dann aktuell berichten.

Medien, die wöchentlich erscheinen, sind im Vorteil, wenn es um Überprüfung von Fakten geht. Jedenfalls dann, wenn ein berichtenswerter Vorgang nicht unmittelbar vor dem Erscheinungstag liegt.

DER SPIEGEL

Das Nachrichtenmagazin aus Hamburg hat nicht nur deshalb bessere Karten. Die Journalisten dort sind bestens vernetzt, haben viele Informationszugänge und ein großes Netzwerk an Informanten. Vieles müssen die Redakteure gar nicht selbst erfragen oder recherchieren, vieles wird ihnen direkt angeboten, quasi auf den Schreibtisch gelegt.

Bruno SCHREP hatte bereits im August einen Anruf bekommen: vom Kriminologischen Forschungsinstitut in Hannover, das mit der Durchführung einer “Fallanalyse” vom Staatsministerium des Inneren in Dresden beauftragt worden war. Das Material ist umfangreich. Neben den Zeugenaussagen, die den Redakteur erschauern lassen, finden sich auch Hinweise auf eine “Apotheken- und Ärztemafia”, die die KANTELBERG's in der Zange hat, sogar von der Ermordung von Mitwissern durch fingierte Autounfälle ist da die Rede. Und manches anderes mehr, das mehr als diffus und undurchsichtig klingt. Und es findet sich ein Schreiben des von den Eltern eingeschalteten Starwanwalts Rolf BOSSI aus München, der seinen Auftraggebern empfiehlt, “sich doch bitte nicht in einen sinnlosen und aussichtslosen Kampf gegen den Rest der Welt zu verstricken.”  So wird es Bruno SCHREP später in der Journalistenfachzeitschrift “message” (Ausgabe 1/2001) berichten. Er diskutiert den Fall mit seinen Kollegen: Verschwörungstheorie? Verfolgungsfantasien?

Das Team entscheidet sich fürs Abwarten: ob die Staatsanwaltschaft nach der “Fallanalyse” die Ermittlungen neu aufnimmt. 

Das Abwarten dauert bis zum 23. November, als die BILD-Zeitung die Öffentlichkeit aufschreckt.

Jetzt werden zwei SPIEGEL-Redakteure nach Sebnitz geschickt. Weil sie viele Vorinformationen haben, können sie eine ausgewogene und sehr vorsichtig argumentierende Geschichte schreiben, die am Wochenende im gedruckten Magazin erscheint (Nr. 48/2000): “Späte Zeugen”. Dort findet sich auch die Vorgeschichte, wie es dazu kam, dass der kleine Joseph vor drei Jahren ertrunken ist. 

Es blieben viele Fragen ungeklärt. Die Ermittler hatten keine gute Arbeit geleistet. Grund genug für die Mutter, selbst Ermittlungen in die Hand zu nehmen.

Um den Lesern zu erklären, was wie 1997 abgelaufen war bzw. was man darüber weiß, veröffentlicht DER SPIEGEL in seiner Ausgabe darauf (Nr. 49/2000) ein chronologisches Protokoll der damaligen Geschehnisse und Abläufe: “Die traurigen Tage von Sebnitz”.

Illustrierte stern

Dort erfährt man erst durch die BILD-Zeitung, was passiert sein soll. Die Illustrierte ist in solchen Fällen schnell, ohne großes wenn und aber werden zwei Redakteure aus der Berliner Redaktion nach Sebnitz beordert. Zwei weitere und zwei Fotografen werden hinterher geschickt. Da es sich um ein bekanntes Magazin handelt, können die Redakteure auch sofort einen Interviewtermin mit der Familie KANTELBERG vereinbaren - obwohl es in der Apotheke zuging “wie im Tollhaus. Da waren zeitweilig fünfzig, sechzig Journalisten”, erinnert sich Dieter KRAUSE.

Die Redakteure werden sich schnell sicher: offenbar handelt es sich um eine ziemlich absurde Geschichte. Die vier teilen sich auf: zwei interviewen weiterhin die Eltern, lassen sich die Unmengen an Unterlagen zeigen, die anderen suchen die Zeugen auf, deren Namen sie von KANTELBERG's haben.

Die Absurdität der Story wächst. Es sind keine wirklichen “Eidesstattlichen Versicherungen”. Es handelt sich um “eidesstattliche Erzählungen”. Erzählungen in Worten, die die KANTELBERG's den “Zeugen” quasi in den Mund gelegt haben. Darunter auch Kinder, die damals dabei gewesen sind. In dem ein oder anderen Fall hatten Joseph's Eltern dann mal auch einen Zehner oder Zwanziger herausgerückt. Anders gesagt: die Zeugenaussagen platzen eine nach der anderen.

Titel der Geschichte, die am 30. November 2000 erscheint: 

Die Woche darauf ab 27. November 2000

Der (angebliche) Verbrechensskandal wird nach und nach zum Medienskandal. Unabhängig davon, dass immer mehr Details über die früheren unzureichenden Ermittlungen ans Tageslicht kommen. Nach und nach wird klar, dass selbst sogenannte seriöse Medien einer Vorverurteilung durch ein Boulevardblatt aufgesessen sind: Es wurde nicht genügend recherchiert, Ungereimtheiten beiseite geschoben, anstatt sie aufzuklären. Die Frankfurter Rundschau spricht von einer “Medien-Katastrophe” und von “unserer Schande”. Der Hamburger Journalistenprofessor Siegfried WEISCHENBERG, gleichzeitig Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes, von einem ”Debakel für den deutschen Journalismus".

danach

Selten genug, aber  es geschieht: Die meisten Medien, insbesondere die Tageszeitungen - das Boulevardblatt “BILD” ausgenommen - sehen ein, dass sie sich verrannt haben. Und üben sich in Schadensbegrenzung und Wiedergutmachung. Denn unter der sensationsheischenden Berichterstattung hat das Image des kleinen Städtchens Sebnitz erheblich gelitten. In deutschlandweiten Umfragen verbinden viele der Befragten den Ort jetzt mit Rechtsradikalismus, Neonazis im Osten und Desinteresse, dagegen zu halten. Da hilft auch nicht, dass sich der sächsische Ministerpräsident Kurt BIEDENKOPF (CDU) und Bundeskanzler Gerhard SCHRÖDER (SPD) eingeschaltet haben.

Und so üben sich nach und nach und immer mehr Medien in Schadensbegrenzung und ‘Wiedergutmachung’. 

Wie sich die Berichterstattung verändert und wie sie sich neu fokussiert, ist rekonstruiert und dokumentiert in der “Informationsbroschüre” über den “bemerkenswerten Fall Joseph, Sebnitz und die Presse”, die die Sächsische Staatskanzlei im Mai 2001 veröffentlicht hat (Aufrufbar per Klick unter dem Faksimilie). Erstellt wurde sie von Anja WILLKOMMEN unter der Leitung des Kommunikationswissenschaftlers an der TU Dresden, Wolfgang DONSBACH. 

Der Fall “Sebnitz” zählt heute in der Medien- und Kommunikationswissenschaft als auch in der journalistischen Ausbildung als klassisches Lehrbeispiel für totales Medienversagen, wenn ein reichweitenstarkes Medium wie die BILD-Zeitung mit ihren rund 12 Millionen Lesern und Usern ein reißerisches Thema auftischt und alle anderen Medien hinterherhetzen und nicht eigenständig und vor allem ergebnisoffen recherchieren.

(JL)