Warum die Geschichte einer Geschichte?

Was macht man als Journalist, wenn man Dinge ans Tageslicht bringen soll, von denen man sicher weiß, dass sie so sind, wie man es weiß, die man aber nicht belegen bzw. beweisen kann? Und was macht man in einer solchen Situation, in der die Dinge, die man nicht belegen kann, andere Kollegen und Medien dazu bringen, das Gegenteil von dem öffentlich zu verbreiten, was eigentlich richtig ist?

Konkret, was macht ein Redakteur, der weiß dass im Team Telekom gedopt wird, die Telekom und der betreffende Star, in diesem Fall Jan ULLRICH, das aber weit von sich weisen? Und gleichzeitig das öffentlich-rechtliche Fernsehen - wie andere Blätter und Magazine auch - den Star öffentlich zum Superstar küren? Vor allem dann, wenn das (gesamt)deutsche Radrennidol gerade die Tour de France gewonnen hat?

Vor dieser Frage standen Journalisten des SPIEGEL, allen voran der Redakteur Udo LUDWIG Ende der 90er Jahre. Er war überzeugt, dass auch im Rennradstall der Telekom gedopt würde. Ein erster ‚Aussteiger’ im Jahr 1997, der 30jährig merkte, dass die 24 von ihm eingenommenen Substanzen dabei waren, seinen Körper, sprich sein Leben zu ruinieren, der Kölner Radrennprofi Jörg PAFFRATH, hatte sich im SPIEGEL geoutet:  "Wie ein Hund an der Kette" . Sein Eingeständnis: "Ohne Chemie läuft nichts".

Der deutsche "Bund der Radfahrer (BDR)" hingegen wurde nicht müde, immer wieder zu beteuern: "Wenn andere Nationen ein Problem mit Doping haben, dann ist das deren Sache, bei uns ist alles in Ordnung!".

DER SPIEGEL wusste inzwischen, dass es anders war: Dass eben nicht alles „in Ordnung" war.

Heute wissen wir es alle: Auch im Team Telekom wurde flächendeckend gedopt, Jan ULLRICH hatte gedopt und die vielen anderen auch. 2007 war das Jahr der Ernüchterung, als ein Radler nach dem anderen auspackte und beichtete, was vorher nur einige wenige gewagt hatten.

Wir rekonstruieren diese Geschichte: Die Ereignisse im Radsport und die Versuche einiger Medien, Licht in das Dunkel des Dopingsumpfs zu bringen. Letztlich waren die Versuche des Suchens nach der beweisbaren Wahrheit erfolgreich. Es hatte aber immerhin 10 ganze Jahre gedauert. Allen voran war es das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL, das die entscheidenden Informationen ans Tageslicht und die Lawine der immer detaillierter werdenden Erkenntnis in Rollen brachte.

Dieser Weg dorthin war steinig. Die beteiligten Redakteure mussten sich mit vielen Hindernissen auseinandersetzen: 

  • nach außen hin gegen das Unternehmen Telekom 
  • intern gegen journalistische und redaktionelle Widerstände 
  • im Privatleben mit dem dadurch erhöhten beruflichen Stress. 


Es war dies das journalistische Problem dieser Geschichte.

Aber auch ein Informant des SPIEGEL blieb dabei auf der Strecke. Dessen Rolle und Schicksal dokumentieren wir unter die Informanten-Verbrennung. Das Nachrichtenmagazin hat sich dabei nicht unbedingt durchgehend professionell gegeben. Auch nicht im Zusammenspiel mit dem bekannten Anti-Doping-Kämpfer Prof. Dr. Werner FRANKE. 
Die ganzen Vorgänge und Ereignisse von Anfang an, wie aus der Tour de France die „Tour de Farce“ wurde, wie sich die Telekom dabei verhielt und wie DER SPIEGEL rercherchierte und publizierte, dokumentieren wir ausführlich unter den Dopingsündern auf der Spur – eine Chronologie der SPIEGEL -Recherchen.

Eine Kurzfassung der 10-jährigen Ereignisse auf wenigen Seiten gibt es als kurze Chronologie.

Unter ABC der Akteure haben wir alle wichtigen Namen und Personen zusammengestellt.

Neben dem SPIEGEL haben auch andere recherchiert und veröffentlicht oder gesendet. Allen voran auch ein begeisterter Rennradler, der sich auch als Journalist immer wieder gegen Dopingpraktiken ausgeprochen hatte: Ralf MEUTGENS. Er hat sich auch mit der Frage auseinandergesetzt: Doping - zu lange kein Thema bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern?

Was die „öffentlich-rechtlichen“ Fernsehsender, beispielweise die investigativen Magazine Monitor (WDR) oder Frontal21 (ZDF) recherchiert und enthüllt haben, lässt sich heutzutage weder rekonstruieren noch gibt es die Filme im Internet zu sehen. Die beiden Fernsehformate bzw. die beteiligten Sendeanstalten, also deren Intendanten und Chefredakteure sowie Redaktionsleiter, haben sich von ihrer öffentlichen Aufgabe, z.B. mit ihren Onlinearchiven Bestandteil des „öffentlichen Gedächtnisses“ zu sein und der Öffentlichkeit auch heute noch zeigen zu können, was man einst gesendet hat, längst verabschiedet. Wir können deshalb nicht mehr dokumentieren, was etwa Frontal21 2007 alles enthüllt hat. Das "Öffentliche Gedächtnis" wird heutzutage von Open Source-Bewegungen wie wikipedia oder privatwirtschaftlich organisierten Medienunternehmen wie beispielsweise DER SPIEGEL repräsentiert.

Der hatte dann auch die Verwicklung der Universitätsklinik Freiburg in das Dopinggeschäft enthüllt: Wissenschaftler im Dienst schmutziger Geschäfte.

2008 erhielten die SPIEGEL -Redakteure für ihr 10-jähriges Dranbleiben an dem Thema den berühmten Henri-Nannen-Preis für die "beste investigative Leistung". Die "Internationale Zeitschrift für Journalismus message " hat in ihren Ausgaben Nr. 3 und 4 im Jahre 2008 sich kritisch mit dieser Preisverleihung und deren Vorgeschichte auseinandergesetzt. Wir haben dies in einer Quintessenz eines journalistischen Disputs zusammengefasst. Dort finden Sie auch die Links auf die originalen Beiträge der Zeitschrift message.

Wie strukturell breit verankert das Dopen auch im deutschen Profi-Radsport war bzw. ist, haben inzwischen mehrere Untersuchungen ergeben:

  • ein Untersuchungsbericht des Universitätsklinikums Freiburg, wo zuvor einige bekannte Sportmediziner aktiv Beihilfe zum Doping geleistet haben
  • sowie in 2 Studien, die das Bundesinstitut für Sportwissenschaft in Auftrag gegeben hatte. Ergebnis: Auch der Politik war Doping genehm, hat es biligend in Kauf genommen. Hauptsache, es fielen regelmäßig genügend Medaillien für bundesdeutsche Sportler ab

All dies haben wir im Kapitel Systematisches Doping seit 1972 auch in der BRD.

Wenn Sie diese Geschichte direkt aufrufen oder verlinken wollen, können Sie dies unter www.ansTageslicht.de/JanUllrich tun.

(JL)