Vorbemerkungen zu Olympia in Leipzig

Jens Weinreichs Berichterstattung über die finanziellen Unregelmäßigkeiten bei den Olympia-Verantwortlichen der Stadt Leipzig beginnt am 15. Oktober 2003 mit einem Paukenschlag: „Drei Stunden Nichtstun. Die Thärichen-Connection oder was eine PR-Agentur der Olympia GmbH so alles in Rechnung stellt“.

Danach folgt eine ausführliche Serie fast täglicher Enthüllungen über viele Merkwürdigkeiten und geschäftliche Verstrickungen bis der Traum der Leipziger im Mai 2004 ausgeträumt ist und Leipzig von der Liste der Kandidaten – aus anderen Gründen - gestrichen ist. Die hier 25 dokumentierten Beiträge sind ein Auswahl aus dieser Zeit von insgesamt rund 150 Berichten, die der Autor über zwei Jahre hinweg recherchiert und in der Berliner Zeitung veröffentlicht hatte. 

Ab Mai 2004 übernimmt dann vor allem eine freie Journalistin, Grit Hartmann aus Leipzig, die Berichterstattung über die Nachwehen der missglückten Olympia-Bewerbung. Auch diese Berichte bis 25.02.2005 haben wir hier dokumentiert. 

Wir haben hier ebenfalls eingestellt einen Gastbeitrag von Jens Weinreich, den er am 17.April 2003 - also ziemlich genau ein halbes Jahr vor seinen investigativen Enthüllungen - für die Leipziger Volkszeitung (LVZ) geschrieben hatte; er hatte dort vor den gleichen Fehlern gewarnt, die bei der ebenfalls missglückten Olympia-Bewerbung Berlins im Jahre 1993 gemacht worden waren.

Warum die Affäre und Skandale durch die Berliner Zeitung publik gemacht und nicht vor Ort aufgedeckt wurden, lässt sich vielleicht an einem Kommentar ablesen, den der damalige Chefredakteur der LVZ am 7. November abdrucken ließ, als die LVZ mit der Berichterstattung nachziehen musste – sie konnte sich den von aus Berlin präsentierten Fakten nicht weiter entziehen.

Der damalige Chefredakteur, Hartwig Hochstein, heute stellvertretender Vorsitzender der Leipziger Medienstiftung, hatte gemeint, dass Recherchieren zwar „höchste journalistische Kunst“ und „Missstände aufdecken vornehmste Aufgabe einer unabhängigen Presse“ sei. Aber bestimmte Journalisten – und damit war Jens Weinreich gemeint – müssten sich Fragen nach deren „Motivation oder zur Angemessenheit ihrer Berichterstattung“ stellen lassen. Denn die „Namen, Daten und Zahlen“ wären „mit normaler journalistischer, auch investigativer Arbeit, mit guten Kontakten und Kenntnissen der Sport- und Funktionärsszene nicht zu ermitteln“ gewesen. Wenn dies (damals) die offizielle Redaktionsphilosophie der Leipziger Volkszeitung war, wird vieles verständlich. 

Einen Überblick über den Ablauf der Ereignisse finden Sie in der Chronologie, das ABC der Akteure stellt Ihnen die wichtigsten Personen vor. Jens Weinsreichs Beitrag Sportjournalismus, setzt sich mit den besonderen Eigenheiten und Problemen der journalistischen Sportberichterstattung auseinander, und zwar am Beispiel der olympischen Spiele: Journalisten, die recherchieren und kritische Fragen stellen, sind im Sport absolut unerwünscht. Hier nun zunächst Weinreichs Gastkommentar in der LVZ. Die Berichte seiner investigativen Recherchen und die Fortschreibung der Affäre durch Grit Hartmann finden Sie im Kapitel Die enthüllenden Berichte der Berliner Zeitung.

 


Gastbeitrag von Jens Weinreich in der Leipziger Volkszeitung vom 17. April 2003:

Berlins Bewerbung und die Folgen

Die Frage, was Leipzig von der Berliner Bewerbung um die Sommerspiele 2000 lernen kann, lässt sich schnell und präzise mit einem Wort beantworten: alles. Alles darüber, wie man es nicht machen darf. Wer aber die Frage stellt, wie ein olympischer Bewerbungsfeldzug professionell anzugehen ist, dem wird das Beispiel keine Hilfe sein.Mit kläglichen neun IOC-Stimmchen wurde die Bärchen-Bande am 23. September 1993 in Monte Carlo abgewatscht. Dabei hatten die Ahnungslosen noch am Vorabend über 35 bis 40 Stimmen fabuliert. Dies sollte die definitiv letzte kapitale Fehleinschätzung gewesen sein.

Als Journalist wünscht man sich einerseits mehr solcher tragisch-komischen Geschichten, wie sie sich vor und nach dem 23. September 1993 in Berlin zugetragen haben. Sorry, aber es hat Spaß gemacht, die einst so hochnäsig Selbstverliebten vor dem Olympia-Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses stottern zu sehen, auch wenn sie später leider nicht persönlich zur Rechenschaft gezogen wurden. Leipzigs ehrgeizigen Planer sollten die Protokolle dieses Ausschusses studieren, als warnendes Beispiel, soviel Zeit muss sein.

Für Journalisten war es gleichfalls amüsant, aus jenen Akten der Berlin 2000 Olympia GmbH, die vor dem Reißwolf gerettet werden konnten, den Sieger im sehr speziellen IOC-Dreikampf zu ermitteln: dem Triathlon aus den Kosten für Minibar, Zimmerservice und Telefon in Berliner Luxushotels. Diesen Dreikampf gewann souverän der Sportfreund Abdel Gadir aus dem Sudan - 3115 Mark gingen für ihn in die Gesamtwertung ein. Ich sah General Gadir als kleines, trauriges Männchen im März 1999 zum letzten Mal in Lausanne: Er saß in der Lobby des IOC-Hotels Palace und hat geweint. Stunden später wurde er aus dem IOC exmatrikuliert, weil er nicht nur in Berlin, sondern auch in vielen anderen Städten als Nassauer aufgetreten war. 


Die ganze Geschichte können Sie direkt aufrufen und verlinken unter www.ansTageslicht.de/Olympia