Main-Post, 10.01.2016

Der Bürgermeister muss reden

MAIN-POST , 25.08.2004 
von Tilman TÖPFER

Bürgermeister Franz Nagelstutz muss Auskunft über die Personalpolitik im Rathaus der Marktgemeinde Zell (Lkr. Würzburg) geben. Das haben die Richter des 7. Senats am Verwaltungsgerichtshof in München (VGH) auf Antrag des Journalisten Thomas Fritz im Wege einer Einstweiligen Anordnung entschieden.

Fritz ist Mitarbeiter dieser Zeitung. Ist bei den Neueinstellungen im Zeller Rathaus alles mit rechten Dingen zugegangen? Oder gab es Unregelmäßigkeiten? Ein Beschluss des VGH ist Voraussetzung für die schnelle Beantwortung der Fragen. Und enthält Klarstellungen. So muss das Verhalten der Behörden nach Ansicht der Richter in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse von Offenheit geprägt sein.

"Dazu ist es notwendig, dem Bürger diese Angelegenheiten dadurch durchsichtig zu machen, dass der Presse durch die Erteilung von Auskünften eine genaue und gründliche Berichterstattung ermöglicht wird." Die Eilentscheidung des VGH verpflichtet den Markt Zell zur Auskunft, wie viele Mitarbeiter vom Mai 2002 bis zum April 2004 eingestellt wurden, wie ihre Namen lauten und wie viele Bewerbungen zu den jeweiligen Einstellungen vorlagen. Außerdem muss der Markt Zell mitteilen, welche Beschlüsse im nichtöffentlichen Teil der Sitzung des Gemeinderates am 30. März 2004 gefasst wurden.

Bei Verweigerung der Auskunft ist mitzuteilen, welche Gründe entgegenstehen.
Als Mitarbeiter dieser Zeitung berichtet der Journalist Thomas Fritz regelmäßig aus Zell, zwangsläufig auch über Eskapaden, die den seit 2002 amtierenden Bürgermeister Franz Nagelstutz bundesweit in die Schlagzeilen brachten: Wie er die Putzfrau der Gemeinde seinen Privatwagen säubern ließ und sie bei seinem närrischen Auftritt beim Faschingsumzug an den Pranger stellte.

Als Berichterstatter Thomas Fritz im Frühjahr 2004 munkeln hörte, bei Neueinstellungen seien Freunde oder Günstlinge von Nagelstutz berücksichtigt worden, wollte der Journalist den Dingen auf den Grund gehen. Fritz erhielt auf seine Fragen zur Einstellung von Personal, den daraus entstehenden Kosten und den Beschlüssen des Gemeinderates vom 30. März keine erhellenden Antworten. Er formulierte die Fragen schriftlich und schickte sie Anfang April ins Rathaus.

Der Bürgermeister war im Urlaub, seine Stellvertreterin Anita Feuerbach zeigte sich "verwundert über Ihr wiederholtes Ansinnen, über Beschlüsse aus nichtöffentlicher Sitzung informiert zu werden". Im Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung, die Fritz mit Unterstützung dieser Zeitung Anfang April beim Verwaltungsgericht Würzburg einreichte, hieß es: "Für eine sachlich fundierte und kritische journalistische Darstellung und Kommentierung der derzeitigen Geschehnisse (in Zell) sind die begehrten Auskünfte unerlässlich."

In der Entgegnung des Marktes Zell breitete Franz Nagelstutz seine Sicht der Dinge aus. In welchem Umfang Informationen über nichtöffentliche Sitzungen herausgegeben würden, sei ausschließlich Sache des Gemeinderates. Die Rechtsaufsicht stärkte Nagelstutz den Rücken. Die Mehrheit der "Main-Post-Fragen" dürfe aus kommunalrechtlicher Sicht gar nicht beantwortet werden, hieß es aus dem Landratsamt. Am 3. Juni gab auch das Verwaltungsgericht Würzburg Franz Nagelstutz Recht. Die Frage, wie viele und welche Neueinstellungen vorgenommen worden seien, habe der Markt Zell schon beantwortet.

Dem Auskunftsbegehren über die nichtöffentliche Sitzung stehe eine Verschwiegenheitspflicht gegenüber, die sich aus Artikel 52 Absatz 2 der Gemeindeordnung ergebe. "Das wird bundesweit Wirkung zeigen" Rechtsanwalt Johannes Weberling zu den Folgen des VGH-Beschlusses Das beurteilen die höchsten Verwaltungsrichter in Bayern anders. Sie erläutern den Sinn des Artikels 4 des bayerischen Pressegesetzes detailliert.

Dem generellen Recht auf Auskunft stehen demnach Geheimhaltungsvorschriften sowie Regelungen entgegen, die private Geheimnisse schützen. Die Zahl der Neueinstellungen einer Gemeinde und die besetzten Funktionen verletzen jedoch keine dieser Vorschriften, heißt es in der VGH-Entscheidung. Es sei kein Grund ersichtlich, der Öffentlichkeit diese Informationen vorzuenthalten. Nur in einem Punkt wiesen die VGH-Richter den Antrag des Main- Post-Mitarbeiters Thomas Fritz zurück. Er hatte Auskunft darüber verlangt, welche Begründungen der Auswahl der Mitarbeiter zu Grunde lagen.

Derartige Angaben könnten ins Persönlichkeitsrecht der Bewerber eingreifen, stellt der VGH klar. Von Bedeutung dürfte die Begründung der VGH-Richter zu Artikel 52 der Gemeindeordnung sein. Die Entscheidung des Gemeinderates, Angelegenheiten nichtöffentlich zu behandeln, sei für sich genommen kein zwingender Grund, der Presse Auskunft zu verweigern. Vielmehr sei eine Ermessensentscheidung zu treffen. Das erfordere eine Güterabwägung zwischen der Notwendigkeit der Information und den Geheimhaltungsinteressen.

Der Berliner Rechtsanwalt und Medienrechtsexperte Johannes Weberling, der den Antragsteller im Eilverfahren vertrat, verweist darauf, dass das Gericht mit der Verpflichtungsverfügung die Notwendigkeit unterstreicht, dass die Presse schnell Auskunft bekommt und nicht erst nach dem Hauptsacheverfahren. "Das wird bundesweit Wirkung zeigen", freut sich Weberling.

Franz Nagelstutz kommentierte die VGH-Entscheidung nicht. Er will sie zuvor vom Landratsamt und Anwälten bewerten lassen, sagte er auf Anfrage.