Nr. 15: "Gesundheit ist wichtiger als Umsatz" - Bernd HIMMELREICH versus VW und § 3 ProduktSG
50.000 Betroffene gleich 100.000 Menschen, jedes Jahr: 15. Schreiben an die MdB’s 2 Wochen vor der Wahl
Betriebe, in denen mit gefährlichen Stoffen hantiert wird oder bei deren Produktionsprozessen es zu Explosionen kommen kann, müssen nach der Gefahrstoffverordnung eine Gefährdungsbeurteilung ihrer Arbeitsplätze machen – nach einem (im Prinzip) sinnvollen, aber aufwendigen Konzept. Wie einfach es ist, da herauszukommen, hatten wir im Schreiben Nr. 13 erklärt und als Beispiel gezeigt, dass der krebserregende Gefahrstoff Benzol in Kfz-Werkstätten nicht gemessen werden muss, sondern dass man statt dessen die Vergleichswerte von 17 (ausgesuchten) Betrieben heranziehen darf: 17 von insgesamt 37.000 Kfz-Werkstätten, in denen 300.000 Menschen arbeiten.
Kfz-Werkstätten sind potenzielle Orte von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten (vgl. Schreiben Nr. 4).
Wenn die Werkstattbetreiber eine „Gefährdungsbeurteilung“ für ihre Angestellten machen müssen und dafür verantwortlich sind: Müssen dann nicht auch die Kfz-Hersteller ihrerseits in ihren Reparaturleitfäden Hinweise auf potenzielle Gefährdungen geben? Zum Beispiel nach § 3 des Produktsicherheitsgesetzes (ProduktSG)? Dort heißt es – eigentlich – unmissverständlich im Absatz 4: „Sind bei der …. Instandhaltung eines Produkts bestimmte Regeln zu beachten, um den Schutz der Sicherheit und Gesundheit von Personen zu gewährleisten, so ist … eine Gebrauchs- und Bedienungsanleitung … mitzuliefern.“
In den wenigen klassischen Gesetzeskommentaren steht dazu nichts. Wir haben uns deshalb auf die Suche gemacht, um Antworten in den bundesdeutschen Behörden zu finden.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, BAuA, sah sich bei dieser Frage „als nicht aussagefähig“ an. Und verwies uns an das Kraftfahrt-Bundesamt, KBA. Dort war man über unsere Frage völlig überrascht, war aber bereit, dies intern im Kollegenkreis zu diskutieren. Geantwortet hatte dann aber nicht das KBA, sondern das BMVI: mit Hinweis auf insgesamt 7 Regelwerke, aber ohne unsere Frage zu beantworten. Stattdessen: „Bei weitergehenden Fragen wenden Sie sich bitte an das eigentlich zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.“
Die Antwort dort: „Das BMAS und das BMVI sind hierfür die richtigen Ansprechpartner, das BMWi kann hierzu mangels Zuständigkeit nichts darüber hinaus beitragen.“ Also einmal Rückverweisung an das BMVI, zum anderen Hinweis auf das BMAS. Dort nennt man uns (nur) 4 Regelwerke und verweist ansonsten ebenfalls an das BMVI. Eine Antwort auf unsere Frage bekommen wir hier auch nicht.
Wir gehen also zurück zum Anfang, weil bei der BAuA die Geschäftsführung des Ausschusses für Produktsicherheit, AfPS, beim BMAS angesiedelt ist, und jetzt wird man doch etwas konkreter, weil man die Ernsthaftigkeit unseres Anliegens zu begreifen beginnt: „Ein Hersteller, der die von Ihnen geforderten Angaben nicht macht, könnte sich somit durchaus haftungs- und strafrechtlichen Risiken aussetzen.“
Genau das war/ist auch die Vermutung von Bernd HIMMELREICH, Chef der ProWoTech GmbH in Wesel, der bis 2019 im Auftrag von Volkswagen dessen Vertragswerkstätten mit Werkzeugen und Ausrüstungen versorgt hat, die er zum Teil selbst entwickelt hatte. Über mehrere Jahre hatte er versucht, VW und die zuständige Berufsgenossenschaft BGHM dazu zu bringen, ein von ihm erstelltes ‚Manual‘ zu vertreiben, in dem die korrekte Anwendung der von ihm vertriebenen Werkzeuge beschrieben ist, aber auch die vielen Gefahrstellen in der Werkstatt, wenn die Autotypen mit immer neuen Materialien verbaut werden (Misch-verbauung: Stahl, Alu, Kunststoffe/CFK). Da kann es beim Schleifen oder Schweißen schnell mal krachen.
Ergebnis: Unternehmer HIMMELREICH ist nicht mehr für VW aktiv. „Gesundheit“ ist ihm „wichtiger als Umsatz“, seine Firma deswegen insolvent. Wir haben seinen Einsatz für mehr Arbeitsschutz ausführlich aufgeschrieben: www.ansTageslicht.de/Bernd-Himmelreich. Eine Kurzfassung davon unter www.ansTageslicht.de/Himmelreich .
Das Thema "§3 Produktsicherheitsgesetz" unter www.ansTageslicht.de/Paragraph3 in ausführlicher Darstellung bzw. hier in Kurzform unter www.ansTageslicht.de/Produktsicherheit und als hier als PDF auf 1 DIN A 4 - Seite.
Die ganze Serie: www.anstageslicht.de/MdB.
(JL)
Online am: 13.09.2021
Aktualisiert am: 05.12.2021
Inhalt:
Nr. 15: "Gesundheit ist wichtiger als Umsatz" - Bernd HIMMELREICH versus VW und § 3 ProduktSG
Tags:
Aktion Bundestagswahl 2021 + das unendliche Problem Berusfkrankheiten
ist beschrieben unter www.ansTageslicht.de/MdB. Jede Woche stellen wir den Abgeordneten der relevanten Ausschüsse entweder ein Schicksal eines Betroffenen und/oder einen ungelösten Aspekt dieses Problems vor. Bisher sind online gegangen:
- Nr. 1: das erste Schreiben
- Nr. 2: TUIfly-Pilot, der nicht mehr fliegen kann
- Nr. 3: Arbeitsunfall bei VW
- Nr. 4: Harnblasenkrebs und Prof. DREXLER
- Nr. 5: Prof. LETZEL: Gefälligkeitsgutachten?
- Nr. 6: Prof. TRIEBIG - "Fälscher" vom Dienst?
- Nr. 7: System TRIEBIG: Arbeitsministerium und Justiz als Rückgrat
- Nr. 8: "underreporting" - "Fälschung" der Statistiken?
- Nr. 9: Die "Lehrmeinung" der Berufsgenossenschaft zu "Fume Event": "Gerüche"
- Nr. 10: Fume Event vor Gutachter Prof. DREXLER und Nürnberger Justiz
- Nr. 11: "Parität" - eine Schimäre
- Nr. 12: Arbeitsministerium + § 200: Irreführung?
- Nr. 13: Arbeitsschutz, der dem Sozialgeheimnis unterliegt
- Nr. 14: Berufsgenossenschaft und Sozialgericht Dortmund
- Nr. 15: "Gesundheit ist wichtiger als Umsatz": Bernd HIMMELREICH versus VW
- Nr. 16: letztes Schreiben an die MdB vor der Bundestagswahl
Die "Reform", über die die Große Koalition im Mai 2020 abgestimmt hat, ändert so gut wie nichts an dem Problem. Das liegt auch daran, dass sich die MdB's nicht die Mühe gemacht haben, Betroffene oder unabhängige Wissenschaftler anzuhören.