Die Berichte der Kölnischen Rundschau, 09.01.2016

von Simon LORENZ, Jens MEIFERT, Kölnische Rundschau

Der Minister zieht die Notbremse

Jäger trennt sich von Kölner Polizeichef - auch, weil er selbst immer mehr unter Druck gerät

Der Minister brauchte am Ende nur zwei Minuten, um den Chef der größten Polizeibehörde des Bundeslandes zu verabschieden. Schwer gefallen ist es ihm offenbar nicht. Ein kurzer Dank für die "langjährige, engagierte" Arbeit. Dann war Ralf Jäger (SPD) schon bei den anstehenden Aufgaben: "Es geht darum, das Vertrauen der Bürger in die Kölner Polizei wieder herzustellen." Es gehe um "Handlungsfähigkeit", gerade angesichts der anstehenden Großveranstaltungen des Kölner Karnevals.

Überrascht hat der Rauswurf am Ende niemanden mehr. Am allerwenigsten wohl Albers selbst. Er zeigte Verständnis für die Entscheidung, da sich die öffentliche Debatte nach den chaotischen Szenen der Silvesternacht immer mehr auf seine Person fokussiert habe (siehe "Erklärung" rechts). Mit der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand könnte der 60-Jährige theoretisch in den Dienst zurückkehren. Er bekommt nun mindestens drei Jahre lang 71 Prozent seiner Bezüge.

In einem Rundschau-Interview hatte Albers in dieser Woche einräumen müssen, bereits am Neujahrsmorgen von den Ausschreitungen auf dem Bahnhofsvorplatz erfahren zu haben. Seine Behörde hatte die Öffentlichkeit erst am Nachmittag des Folgetages informiert. Unterdessen machten Enthüllungen aus den Berichten leitender Polizeibeamter das Ausmaß der Gewalt und des Versagens der Behörde deutlich. Zum Verhängnis wurde Albers vor allem, dass seine Behörde offenbar genaue Kenntnisse über die Herkunft vieler Verdächtiger besaß, aber diese nicht weitergegeben hatte. Mutmaßliche Täter sollen aus Syrien dem Irak und Afghanistan stammen.

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatte zuvor beklagt, dass die Polizei offenbar seit Tagen ein wesentlich differenzierteres Bild der Lage besessen habe, als es ihr auf Nachfrage vermittelt worden sei. Zum Verhängnis wurde Albers auch, dass er hartnäckig davon gesprochen hat, man sei in der Silvesternacht personell gut gerüstet gewesen. Tatsächlich hätte die Polizei weitere Hundertschaften nachfordern können, hat dies aber nicht getan. Das Kölner Polizeipräsidium habe ein Angebot des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste in Duisburg nicht in Anspruch genommen, bestätigte ein Sprecher des Amtes gegenüber der Rundschau. "Wir haben gefragt: Braucht ihr noch Unterstützung? Die Antwort war, dies sei nicht erforderlich", sagte der Sprecher. Die genaue Uhrzeit des Gespräches könne nicht mehr ermittelt werden, man habe aber die ganze Nacht in Kontakt gestanden. "Wir gehen aktiv auf die großen Behörden zu und die berichten auch an uns", sagte der Sprecher der Rundschau. 114 Beamte hätten relativ kurzfristig abgerufen werden können.

Die Absetzung war aber auch für Jäger die letzte Möglichkeit, Druck aus dem Kessel zu nehmen. Denn auch der Innenminister selbst sah sich zuletzt immer hartnäckigeren Fragen gegenüber. Etwa der, ob er tatsächlich im Vorfeld aus Köln angeforderte Polizeikräfte abgelehnt habe. Oder wann dem Innenministerium eine Einsatzmeldung bekannt war, laut der unter den Verdächtigen zahlreiche Flüchtlinge gewesen sind. Das Ministerium teilte gestern Mittag schmallippig mit, dass es vor der Sitzung des Innenausschusses am Montag keine weiteren Auskünfte geben wird.

Nachfragen ließ auch Jäger am gestrigen Nachmittag nicht zu. Nicht zum ersten Mal hatte Albers auch den Innenminister in Erklärungsnotstand gebracht. Dieses Mal griff er zur Notbremse.

ALBERS ERKLÄRUNG

"Als Kölner Polizeipräsident habe ich meine Arbeit immer als Dienst für die Polizei Köln und für die Menschen in Köln gesehen. (...) Und dazu gehört es auch, in schwierigen Zeiten Verantwortung zu übernehmen. Wenn bei Einsätzen Menschen verletzt oder nicht ausreichend geschützt werden konnten. Wie Sie alle wissen, ist dies in der vergangenen Silvesternacht der Fall gewesen. (...)

Ich akzeptiere es, dass (...) <<die>> Polizeiführung und damit auch zuallererst meine Person ins Zentrum <<der>> Kritik geraten sind. Aber <<die>> Polizistinnen und Polizisten, <<die>> in <<der>> Silvesternacht rund um den Kölner Hauptbahnhof im Dienst waren, haben diese Kritik nicht verdient. (...) (Ihnen) möchte ich meinen tiefempfundenen Respekt für ihre geleistete Arbeit aussprechen."

Auszeichnungen:

"Wächterpreis der Tagespresse" 2017