Die Berichte des Kölner Stadt-Anzeiger, 07.01.2016

von Peter BERGER, Fabian KLASK, Kölner Stadtanzeiger, Tim STINAUER, Kölner Stadtanzeiger

Jäger erhöht Druck auf Kölner Polizei

SILVESTERNACHT Schnellen Bericht angefordert - Auch Flüchtlinge waren am Bahnhof - Scharfe Kritik an Albers

Köln/Düsseldorf. Die Kölner Polizei hat nach den Vorfällen in der Silvesternacht drei Tatverdächtige identifiziert. Es gebe sehr konkrete Hinweise, dass sich die Männer an den Übergriffen am Kölner Hauptbahnhof beteiligt hätten, hieß es aus Sicherheitskreisen. Es habe aber bislang keine Festnahmen gegeben, sagte Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Mittwoch. Zudem prüfen die Ermittler, ob zwei weiteren Verdächtigen eine Beteiligung an den Taten nachgewiesen werden kann. Die beiden Nordafrikaner waren noch in der Silvesternacht auf der Hohenzollernbrücke wegen des Verdachts des Taschendiebstahls kontrolliert worden, teilte die Polizei mit.

Innenminister Ralf Jäger (SPD) erhöhte den Druck auf das Kölner Polizeipräsidium: "Ich erwarte noch in dieser Woche einen sehr detaillierten Bericht." Die Behörde müsse das Geschehen und mögliche Versäumnisse jetzt "sehr akribisch aufarbeiten", sagte er. Die Kritik des Bundesinnenministers wies Jäger allerdings zurück. De Maizière hatte bemängelt, dass es nicht sein könne, dass erst der Vorplatz des Bahnhofs geräumt würde "und später finden diese Ereignisse statt, und man wartet auf Anzeigen. So kann Polizei nicht arbeiten".

Die Zahl der Strafanzeigen in Köln stieg inzwischen auf mehr als 100. Die Staatsanwaltschaft Köln hat die Ermittlungsleitung einer Sondersachbearbeiterin der Abteilung Organisierte Kriminalität übertragen. Zur Begründung heißt es: "Tat- und Täterbeschreibungen lassen es derzeit zumindest nicht als ausgeschlossen erscheinen, dass das Geschehen organisierten Täterstrukturen zuzurechnen ist." Eine Oberstaatsanwältin, die in der Bearbeitung von Sexualdelikten erfahren ist, unterstützt die Ermittlungen.

Rücktrittsforderungen an Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers wich Jäger am Mittwoch aus. "Es geht jetzt doch nicht um Personen, sondern es geht um eine ganze Behörde, die darlegen muss, warum Frauen so massiv angegangen wurden." Auf die Frage, ob er im Amt bleibe, sagte Albers im WDR: "Aber natürlich. Gerade jetzt bin ich, glaube ich, hier gefragt."

Der CDU-Oppositionsführer im Landtag, Armin Laschet, forderte Albers zum Rücktritt auf. "Wenn Frauen in diesem Fall zu Freiwild werden und die Polizei nicht in der Lage ist, Schutz zu gewähren, dann nennt man das rechtsfreien Raum." Es stehe schon heute fest, dass die Kölner Polizeiführung "eklatant versagt" habe, so Laschet. Dafür trage Albers die Verantwortung. Wenn der Innenminister an Albers festhalte, "dann wird jeder weitere Fall jetzt zum persönlichen Problem von Herrn Jäger". Auch FDP-Chef Christian Lindner verlangte einen personellen Neuanfang in der Polizeispitze.

CSU-Chef Horst Seehofer forderte ein hartes Vorgehen gegen die Täter. Die Übergriffe seien "erschütternd" und "unsäglich", sagte er vor Beginn einer Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten in Wildbad Kreuth. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) forderte ebenfalls Härte gegen die Täter. Zugleich betonte Schwesig, die Vorfälle dürften nicht dazu führen, alle Flüchtlinge über einen Kamm zu scheren.

Einzelne in Köln untergebrachte Flüchtlinge haben dem "Kölner Stadt-Anzeiger" berichtet, dass sie sich gemeinsam mit anderen Mitbewohnern aus Kölner Unterkünften in der Silvesternacht am Hauptbahnhof aufgehalten hätten. Ein aus Afghanistan stammender Mann sagte, er sei am Tatabend auf dem Bahnhofsvorplatz gewesen. Er habe sich mit anderen Flüchtlingen dort aufgehalten und Alkohol getrunken, Diebstähle habe er aber nicht begangen, und auch keine Frauen belästigt. Nach ihrer Beobachtung seien an diesem Abend auch junge Flüchtlinge aus anderen Kölner Heimen zum Dom und Hauptbahnhof gekommen, sagte er.

Bei den Polizeibehörden herrscht derweil Unklarheit darüber, wer für welche Bereiche des Hauptbahnhofs zuständig ist. Für Kölns Leitenden Polizeidirektor Michael Temme ist die Bundespolizei ausschließlich für das Bahnhofsgebäude verantwortlich. Bei der Bundespolizei sieht man das anders. "Wir sind auch für Teile des Bahnhofsvorplatzes und des Breslauer Platzes zuständig", sagte ein Sprecher.

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