Die Berichte des EXPRESS, 08.04.2016

von Gerhard VOOGT, EXPRESS in Köln, Christian WIERMER, EXPRESS in Köln

Beamter hält den Kopf für Jäger hin

Düsseldorf - Warum kam die Affäre um den Vertuschungsversuch bei Kölner Sex-Mob erst durch EXPRESS-Recherchen ans Licht? Ein hoher Beamter des NRW-Innenministeriums übernahm dafür jetzt die Verantwortung und räumte eine Fehleinschätzung ein. Zwei Kölner Polizisten, deren Notizen den Stein ins Rollen gebracht hatten, hält man in Düsseldorf offenbar für unglaubwürdig.

Landeskriminaldirektor Dieter Schürmann (60) sagte im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags, er habe den Vorgang nicht für wichtig genug gehalten, um ihn weiter zu leiten. Der Spitzenbeamte hatte am 10. Januar bei der Vorbereitung einer Sondersitzung zum Thema Silvester-Mob eine E-Mail der Kölner Polizei erhalten, in der ein Einmischungsversuch einer Landespolizeibehörde thematisiert wird - laut Vermerk sogar auf "Wunsch des Ministeriums". Danach wurde die Kölner Behörde aufgefordert, den Begriff "Vergewaltigung" in dem Bericht über den Sex-Mob zu streichen. Er habe das nicht als "dringenden, zu priorisierenden" Sachverhalt eingestuft.

Das sah Innenstaatssekretär Bernhard Nebe (57, SPD) offenbar anders. Als die brisante Mail bei der Zusammenstellung der Akten für den Untersuchungsausschuss Mitte März wieder auftauchte, veranlasste das Ministerium eine Befragung der Beteiligten. Dabei kam heraus, dass es ein solches Telefonat nicht gegen haben soll. Die beiden Kölner Beamten bleiben aber offenbar bei ihrer Version. Jetzt steht Aussage gegen Aussage - der Fall soll im Untersuchungsausschuss geklärt werden.

Im Innenministerium hält man die Aussagen der Kölner Polizisten aber offenbar für unglaubwürdig. Das von dem Kölner Kriminalkommissar angeführte Telefonat sei "in keinster Weise belegbar" und habe "auch nicht stattgefunden." Stattdessen habe es fachliche "Abstimmungsgespräche" zwischen dem Lagedienst des Landeskriminalamts (LKA) und der Kölner Wache sowie zwischen LKA und dem Dienstgruppenleiter des Lagezentrums der Regierung gegeben. Dabei soll es auch um die Frage gegangen sein, ob es sich bei dem Übergriff auf eine 19-Jährige um eine Vergewaltigung gehandelt habe oder nicht. Der jungen Frau wurden Finger in Körperöffnungen eingeführt. Wollte das LKA das als "sexuelle Nötigung" verharmlosen? NRW-Innenminister Ralf  Jäger  (55, SPD) legte Wert auf die Feststellung, er persönlich und sein Umfeld seien nicht über den "Stornierungswunsch" informiert gewesen. Der Beamte Schürmann habe womöglich falsch reagiert, weil im Januar die Strafverfolgung der Täter im Vordergrund gestanden habe.

Der FDP-Politiker Marc Lürbke (39) hält diese Darstellung für wenig glaubhaft. Theo Kruse (67), Innenexperte der Union: "Minister  Jäger  kann elementare Fragen zu seinem Verhalten weiterhin nicht beantworten, verschleiert wichtige Vorgänge und konzentriert sich darauf, neue Sündenböcke zu suchen."

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"Wächterpreis der Tagespresse" 2017