Die Berichte des EXPRESS, 03.08.2016

von Gerhard VOOGT, EXPRESS in Köln, Christian WIERMER, EXPRESS in Köln

Der mysteriöse Anruf

Düsseldorf - Das Kölner Polizeipräsidium trägt angeblich die Verantwortung dafür, dass brisante Telefonverbindungsdaten nach der Kölner Silvesternacht nicht gesichert wurden. Innenstaatssekretär Bernhard Nebe (59, SPD) erklärte vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags, Polizeiinspekteur Bernd Heinen (61) habe am 20. Januar mit dem Kölner Vize-Polizeichef Manuel Kamp (40) telefoniert und ihn mit der Sicherung beauftragt. Kamp könne sich aber daran nicht mehr erinnern. Die Speicherung erfolgte jedenfalls nicht.

Damit bleibt wohl für immer unklar, was es mit dem mysteriösen  Anruf  am 1. Januar bei der Kölner Kripo auf sich hat. Zwei Kölner Polizisten hatten berichtet, dass ein Anrufer, der sich als Beamter der Landesleitstelle ausgegeben haben soll, um die "Stornierung" einer internen Meldung gebeten haben soll.

Danach habe der Anrufer gebeten, den Begriff Vergewaltigung zu streichen. Dies sei ein "Wunsch aus dem Ministerium". NRW-Innenminister Ralf Jäger (55, SPD) ließ jeden Einmischungsversuch entschieden zurückweisen.

Der Untersuchungsausschuss hatte darauf gesetzt, durch eine Auswertung der Telefonverbindungsdaten Licht ins Dunkel zu bringen. Dabei musste das Innenministerium kürzlich einräumen, dass die angeforderten Daten bei der Kölner Polizei noch bis zum 3. Juni vorhanden waren, dann aber gelöscht wurden. Der Fall wurde durch die Berichterstattung des EXPRESS bekannt und führte zu einer Sondersitzung des Untersuchungsausschuss in der Sommerpause.

Dabei geriet Kölns Vize-Polizeichef Kamp massiv unter Druck. Der Vertraute von Innenminister Jäger hatte bei ersten Vernehmung noch erklärt, die angeforderten Telefondaten seien nur zwei Monate gespeichert und längst gelöscht worden. Das stimmte offenbar nicht. Wie erklärt sich der Widerspruch?

Kölns Vize-Polizeichef macht dafür Wartungsarbeiten an der Telefonanlage verantwortlich. Diese seien erforderlich geworden, weil das System die falsche Uhrzeit und die falsche Jahreszahl angezeigt hätten. Bei den Arbeiten habe der Techniker offenbar den Speicherzeitraum verlängert, sagte Kamp. Davon habe er bei der ersten Vernehmung nichts gewusst. Unklar blieb, warum Kamp die Auswertung der brisanten Daten nicht schon im März selbst veranlasste, als das Innenministerium per Erlass eine Stellungnahme zur Klärung des Anrufs verlangte.

Staatssekretär Nebe erklärte, die Löschung der Daten sei für die Aufklärung des Falles unerheblich. Fast alle Anrufe der Polizei würden über das interne Netz CN-Pol geführt, das keine Verbindungsdaten speichere. Lediglich Gespräche von Mobiltelefonen wären registriert worden.

Andreas Bialas (48, SPD) zeigte sich verwundert über die Zeugenaussage von Landeskriminaldirektor Dieter Schürmann (60). Der erklärte, er sei mit dem politisch brisanten  Anruf  nicht mehr befasst gewesen. Die sei erstaunlich, sagte der Abgeordnete. "Das ist doch der Stoff, aus dem Verschwörungstheorien werden können." Schürmann hatte bereits am 10. Januar von den Vorwürfen erfahren, sie aber über zwei Monate ignoriert.

Erst als Kölns neuer Polizeipräsident Jürgen Mathies (56) Mitte März im Düsseldorfer Ministerium den  Anruf  erneut thematisierte, schrillten in der Landesregierung die Alarmglocken.

Auszeichnungen:

"Wächterpreis der Tagespresse" 2017