Die Berichte des EXPRESS, 10.05.2016

von Gerhard VOOGT, EXPRESS in Köln, Christian WIERMER, EXPRESS in Köln

Silvestermob: So eiert Jäger mit der Wahrheit

Düsseldorf - Es sollte der große Befreiungsschlag werden. Doch auch nach seiner Befragung zu den Kölner  Silvestermob -Exzessen durch den Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer Landtags bleiben viele Fragen offen.

Brisant: NRW-Innenminister Ralf Jäger (55, SPD) musste nun sogar eine Erklärung seines eigenen Hauses dementieren. Es geht um die Enthüllungen des EXPRESS.

Unsere Zeitung hatte über E-Mails der Kölner Polizei berichtet. Darin berichten Polizeibeamte über einen Einmischungsversuch der Landesleitstelle. Diese habe in Köln angerufen und gebeten, den Begriff Vergewaltigung aus einer Meldung über den Sex-Mob zu streichen.

Der Bericht des EXPRESS wurde vom Ministerium scharf dementiert. Einen solchen Anruf habe es nicht gegeben, hieß es in der Erklärung. Dies hätten alle Beteiligten - auch das Polizeipräsidium Köln - so berichtet. Jetzt musste Jäger einräumen, dass er den Einmischungsversuch nicht ausschließen kann. "Ob es den Anruf gegeben hat, wissen wir nicht", sagte der Innenminister. Die Vorgang sei für ihn "nicht aufzuklären".

Bei dem Bericht handele es sich schließlich lediglich um eine Information an die Presse - und nicht ans Parlament. Presseerklärungen würden "anderen Kriterien" unterliegen. Muss man es da mit der Wahrheit etwa nicht so genau nehmen?

Drei Kölner Polizisten hatten den Einmischungsversuch auch im Untersuchungsausschuss bereits vor zwei Wochen zur Protokoll gegeben. Jäger erklärte, der Einmischungsversuch sei "völlig unerheblich" - selbst wenn es ihn gegeben haben sollte.

Das Ministerium habe keinen Auftrag erteilt, Meldungen zu verändern. Der Begriff Vergewaltigung war nicht gestrichen worden, weil die Kölner Beamten standhaft geblieben waren. Beim Kölner Sex-Mob in der Silvesternacht sind bis heute mehr als 1500 Straftaten gegeben. Innenminister Jäger sieht die Verantwortung bei der Kölner Polizei.

Die Lage wäre nicht so aus dem Ruder gelaufen, wenn der Einsatzleiter rechtzeitig Verstärkung gerufen hätte. Die hätte innerhalb von 90 Minuten vor Ort am Hauptbahnhof sein können. An dieser optimistischen Einschätzung hat offenbar selbst das Innenministerium Zweifel.

Ein Landesbeamter hatte berechnet, von der Alarmierung der Kräfte (hätten aus Wuppertal, Aachen und Gelsenkirchen anrücken sollen) bis zum Eintreffen hätten bis zu drei Stunden vergehen können.

Bei seiner Vernehmung rechnete sich Jäger, der oberste Polizeichef des Landes, die Zahlen erneut schön. Zumindest Teilkräfte hätten die Kölner Polizei zügig unterstützen können.

Die Befragung Jägers dauerte mehr als sieben Stunden. Er blieb bei seiner Darstellung, die Dimension der Übergriffe habe man erst am 4. Januar erkennen können.

Der Untersuchungsausschuss des Landtags hat gestern keine Entscheidung darüber getroffen, ob es Ermittlungen zum angeblichen Daten-Leck' gegen Parlamentarier geben soll. Wie EXPRESS erfuhr, will das Gremium Freitag über einen solchen Antrag von SPD und Grünen entscheiden. Sollte der Antrag eine Mehrheit finden, müsste die Immunität von Ausschussmitgliedern aufgehoben werden.

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"Wächterpreis der Tagespresse" 2017