Die Berichte des EXPRESS, 09.05.2016

von Gerhard VOOGT, EXPRESS in Köln, Christian WIERMER, EXPRESS in Köln

Tag der Wahrheit für Minister Jäger

Heute muss er als Zeuge im Untersuchungsausschuss aussagen

Düsseldorf - Er ist Hannelore Krafts (54, SPD) wichtigster Minister und zugleich der am stärksten Gefährdete. Für Ralf Jäger (55, SPD) ist heute der wohl schicksalhafteste Tag seiner politischen Karriere.

Die Vorwürfe und die Kritik sind so gravierend, dass völlig unklar ist, ob und wie lange der NRW-Innenminister im Amt bleiben kann - gegen ihn als politisch Verantwortlichen, aber auch persönlich. Als Zeuge im Untersuchungsausschuss zur Kölner Silvesternacht stehen Jäger einige unbequeme Stunden bevor.

Da er unter Wahrheitspflicht steht, wird jedes Wort genau beachtet werden.

Das sind die Vorwürfe: Fest steht: Über Wochen, teilweise Monate hatten Jäger und sein Ministerium wichtige Informationen über die Silvesternacht zurückgehalten oder verschwiegen, aus Sicht von Oppositionspolitikern auch "bewusst".

Es geht unter anderem um die Rolle des Landes bei der Einsatzplanung, bei der Aufarbeitung der Sex-Mob-Ereignisse sowie um handfeste Vertuschungsvorwürfe, bis hin ins Ministerium selbst.

Der politisch heikelste Punkt: Dass sich offizielle Stellen schwertaten, die ungeheuerlichen Taten und die - überwiegend nordafrikanische - Herkunft der Täter klar zu benennen, steht inzwischen zweifelsfrei fest.

Und offenbar waren es gerade Landesbehörden, die ein Problem damit hatten. Kölner Kripo-Beamte berichteten im Untersuchungsausschuss etwa von einem Anruf der Landesleitstelle am Neujahrstag, in dem im schroffen Ton gefordert worden sein soll, den Begriff "Vergewaltigung" aus einer sogenannten WE-Meldung ("Wichtiges Ereignis") am Neujahrstag. zu streichen bzw. gleich die ganze Meldung zu "stornieren" - angeblich sogar auf "Wunsch des Ministeriums".

Einen solchen Anruf habe es nie gegeben, hatte Jäger noch Anfang April mitteilen lassen. Bleibt er heute dabei?

Auch das wird der Minister heute erklären müssen: Wie aus dem als "Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch" eingestuften "Polizeilichen Lagebild NRW" vom 4. Januar hervorgeht, das dem EXPRESS aus Jägers Haus zur Verfügung gestellt wurde, wurde auch hier ausgerechnet die Passage über die Vergewaltigung und die großen Sex-Tätergruppen weggelassen.

Es ist pikanterweise genau die Stelle, die auch Jäger selbst vor dem Landtag verschwieg. Der Verdacht drängt sich auf, dass die früh bekannte Dimension der Ereignisse im Nachhinein runtergespielt werden soll, auch um das lange Zögern von Jäger und der Ministerpräsidentin zu rechtfertigen. Hannelore Kraft hatte sich erst am 10. Januar bei den Opfern für den missratenen Polizeieinsatz entschuldigt.

Wie läuft die Befragung ab? Ab 10 Uhr wird Jäger im Sitzungssaal der SPD-Fraktion vor den Untersuchungsausschussmitgliedern (5 mal SPD, 4 mal CDU, 2 mal Grüne, 1 mal FDP, 1 mal Piraten) aussagen. Wegen des erwarteten großen Andrangs wird die Befragung in einen weiteren Saal übertragen. Auf Wunsch von Rot-Grün sollen direkt danach auch die ebenfalls in der Kritik stehenden Bernd Heinen (Polizeiinspekteur) und Dieter Schürmann (Landeskriminaldirektor) aussagen. Man habe sich allerdings für Jäger kein Zeitlimit gesetzt, heißt es.

Auszeichnungen:

"Wächterpreis der Tagespresse" 2017