Die Berichte des Kölner Stadt-Anzeiger, 13.09.2016
von Joachim FRANK, Tim STINAUER, Kölner Stadtanzeiger
So will Polizeipräsident Mathies den Kölner Dom schützen
21:39
Problem erkannt, Problem gebannt. Wenn das in Köln so einfach wäre! Dass die Zustände rund um den Dom im Argen liegen, wissen nicht nur die Besucher von nah und fern, sondern auch alle, die für dieses innerstädtische Filetstück verantwortlich sind – von der Stadt über das Domkapitel bis hin zum Marketing. Seit der Silvesternacht ist Köln nicht mehr nur als Schmuddelmetropole, sondern auch als Kriminalitätshochburg verschrien.
Mehr als ein halbes Jahr nach den Gewaltexzessen zum Jahreswechsel liegt jetzt ein erstes Gesamtkonzept vor, das auf Dauer eine Wende zum Besseren bringen soll. Polizeipräsident Jürgen Mathies hat den Entwurf für eine „Schutzzone Dom“ erarbeiten lassen und an OB Henriette Reker sowie unter anderem an Dompropst Gerd Bachner als Hausherr der Kathedrale gesandt.
Neben der objektiv messbaren Sicherheitslage hebt das Konzept sehr stark auf das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen ab, die sich im Umfeld des Doms bewegen. Unordnung, Schmutz, Vandalismus und andere Ordnungsstörungen sowie strafbares Verhalten beeinträchtigten „das Sicherheitsgefühl nachhaltig und entscheidend“, stellt das Papier fest.
Als Konsequenz listet das Konzept für die Schutzzone einen Katalog von Verhaltensweisen auf, die künftig „konsequent unterbunden beziehungsweise beseitigt werden“ sollen. Neben Straftaten wie Drogenhandel, Diebstahl oder sexuellen Übergriffen fallen darunter: Übermäßiges Lärmen Wildpinkeln Aktives Betteln Belästigungen und Pöbeleien Wegwerfen von Müll
Auf rechtliche Grundlage gestellt würde das Konzept durch Ergänzungen der „Kölner Stadtordnung“ (KSO) von 2014. Dieser kommunale Erlass bestimmt, welches Verhalten im öffentlichen Raum als unzulässig gilt. Mit einer Ergänzung und Präzisierung der KSO könnten in der „Schutzzone Dom“ unter anderem auch die folgenden Verhaltensweisen geahndet werden: Mitführen und Abbrennen von Feuerwerkskörpern (Pyrotechnik) Wildcampen/Übernachten Drogenkonsum Aufenthalt in trunkenem Zustand Störungen durch Einzelpersonen, auch ohne Alkohol- und Drogeneinfluss Musizieren mit elektronischen Verstärkern.
Letzteres zu unterbinden, liege insbesondere im Interesse des Domkapitels, sagte Dompropst Gerd Bachner dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Wir haben an sich nichts gegen Straßenmusikanten. Was sie aber an zum Teil billigster Qualität in hoher Lautstärke darbieten, stört nicht nur die Gottesdienste im Dom, sondern beeinträchtigt auch die Umgebung. Wer sich über hässliche Reklamen beklagt, darf sich auch mit solchem Lärm nicht abfinden.“ Das Betteln vor dem Dom würde Bachner dann tolerieren wollen, wenn Besucher nicht bedrängt oder belästigt würden. Dass sich um Kirchen herum Bettler aufhielten, gehöre von alters her zur christlichen Tradition.
In dem Entwurf ist auch daran gedacht, die Nutzung von Inline-Skates, Skateboards und ähnlichen Sportgeräten rechtlich zu regeln und ein eigenes Augenmerk auf den Radverkehr zu richten. Die Pläne für eine Schutzzone passen zu den Vorhaben, die Henriette Reker als OB-Kandidatin 2015 für den Fall ihrer Wahl angekündigt hatte. Eine engere Kooperation von Polizei und Ordnungsamt müsse dazu führen, dass „das Dom-Umfeld insgesamt wesentlich sauberer und noch familien- und touristenfreundlicher“ werde, hatte Reker vor einem Jahr gesagt.
Dass auf dem Weg hierzu bislang keine entscheidenden Fortschritte erzielt werden konnten, führen Insider auf Kompetenzüberschneidungen in der Verwaltung zurück. So seien neben dem Ordnungsamt auch das Grünflächenamt sowie – insoweit das Verbot von Pyrotechnik berührt ist – auch das Rechts- und Versicherungsamt der Stadt zuständig. Unterdessen wächst mit dem Nahen des nächsten Jahreswechsels offenbar der Druck, Maßnahmen zur Verbesserung der Situation rund um den Dom zu präsentieren und deren Wirksamkeit unter Beweis zu stellen. „Ordnung und Sicherheit hängen im Empfinden der Menschen zusammen“, sagte Mathies. „Fehlt die Ordnung, geht auch das Sicherheitsgefühl verloren.“ Darum sei es ihm wichtig, beim Thema „Schutzzone“ zügig voranzukommen.
Zusätzliche Angebote für Hilfsbedürftige Dafür bot er der Stadt die Unterstützung der Polizei an. Sie werde in Abstimmung mit dem Ordnungsamt über die Verfolgung von Straftaten hinaus „eigenständig und konsequent gegen Ordnungs- und Sicherheitsverstöße vorgehen“. In die Gesamtkonzeption ist auch die Bundespolizei mit ihrer Zuständigkeit für den Hauptbahnhof und Gleisanlagen einbezogen.
Das Konzept betont, „Randständige“ wie Obdachlose oder Drogensüchtige sollten nicht einfach nur aus dem Dom-Umfeld zu vertrieben werden. Für Hilfsbedürftige solle es begleitende zusätzliche Hilfsangebote geben. Hier ist an die Kirche und andere Träger der Sozialhilfe gedacht. Die angestrebte Änderung der KSO könnte auf zweierlei Weise erfolgen. Schon jetzt bestimmt Paragraf 31 der KSO, wie Sicherheit und Ordnung rund um die Kölner Stadien gewährleistet werden sollen.
Ein separates Regelwerk ließe sich auf den Dom und seine Umgebung übertragen (normative Schutzzone). Alternativ dazu besteht die Möglichkeit, die bestehende KSO um die genannten Verhaltensweisen zu ergänzen. Diese könnten dann als Verstöße gegen die KSO geahndet werden (operative Schutzzone). Der Entwurf des Polizeipräsidenten zieht dieses Modell vor.
Online am: 13.09.2016
Aktualisiert am: 04.05.2017
Inhalt:
- Unglaubliche Ereignisse einer Silvesternacht und ihre Folgen: ein Überblick
- Die Chronologie aller Ereignisse der Silvesternacht
- 3 Medien machen alles öffentlich: das Making-of dreier Redaktionen
- Der parlamentarische Untersuchungsausschuss "Kölner Silvesternacht"
Tags:
EXPRESS | investigativ | Köln | Kölner Stadt-Anzeiger | Kölnische Rundschau | Nordrhein-Westfalen | Parlamentarischer Untersuchungsausschuss | Polizei
Auszeichnungen:
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Die Menschen hinter dieser Geschichte:
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